Dunkelfeld: Unterschied zwischen den Versionen

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==== Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt? ====
==== Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt? ====


Der Beginn des nach wie vor andauernden Dunkelfelddiskurses steht im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Kriminalstatistiken, da diese als Sammelstation für offiziell registrierte Kriminalität (welche als Hellfeld bezeichnet wird), die Voraussetzung für eine nicht „offiziell“ bekannte Kriminalität schufen. Hierbei ist der Hinweis von Bedeutung, das es aus erkenntnistheoretischer Sichtweise problematisch ist, das Dunkelfeld als die Gesamtheit der nicht registrierten Kriminalität zu bezeichnen, denn Kriminalität ist keine Eigenschaft an sich, sondern ein Verhaltensattribut, das in einem Selektions- und Definitionsprozess von Seiten der offiziellen sozialen Kontrolle konstituiert wird. Daher ergibt sich die Frage, wie man ein vermutetes Verhalten als Delikt und dessen Protagonisten als Straftäter bezeichnen kann, wenn das Wissen um beide Aspekte den gesetzlich dazu berufenen Institutionen des Rechtsapparates nicht zur Verfügung steht. Für die Dunkelfeldkriminalität werden daher dieselben Konstruktionskriterien herangezogen, welche auch auf die offiziell bekannten Verhaltensweisen angewendet werden, welche dadurch als Kriminalität in die offiziellen Kriminalstatistiken eingehen. (vgl. Kunz, 1994) Daraus ergibt sich ein weiterer wichtiger Aspekt, denn die Legaldefinition von Kriminalität beinhaltet zu unterschiedlichen Zeiten und Kulturen unterschiedliche Klassen von Verhaltensweisen, soll heißen, dass die normative Realität relativ ist (Scheerer/ Pfeiffer, 1979) Deshalb ist auch das Dunkelfeld relativ und selbigen Schwankungen unterworfen.
Der Beginn des nach wie vor andauernden Dunkelfelddiskurses steht im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Kriminalstatistiken, da diese als Sammelstation für offiziell registrierte Kriminalität (welche als [[Hellfeld]] bezeichnet wird), die Voraussetzung für eine nicht „offiziell“ bekannte Kriminalität schufen. Hierbei ist der Hinweis von Bedeutung, das es aus erkenntnistheoretischer Sichtweise problematisch ist, das Dunkelfeld als die Gesamtheit der nicht registrierten Kriminalität zu bezeichnen, denn Kriminalität ist keine Eigenschaft an sich, sondern ein Verhaltensattribut, das in einem Selektions- und Definitionsprozess von Seiten der offiziellen sozialen Kontrolle konstituiert wird. Daher ergibt sich die Frage, wie man ein vermutetes Verhalten als [[Delikt]] und dessen Protagonisten als Straftäter bezeichnen kann, wenn das Wissen um beide Aspekte den gesetzlich dazu berufenen Institutionen des Rechtsapparates nicht zur Verfügung steht. Für die Dunkelfeldkriminalität werden daher dieselben Konstruktionskriterien herangezogen, welche auch auf die offiziell bekannten Verhaltensweisen angewendet werden, welche dadurch als Kriminalität in die offiziellen Kriminalstatistiken eingehen. (vgl. Kunz, 1994) Daraus ergibt sich ein weiterer wichtiger Aspekt, denn die Legaldefinition von [[Kriminalität]] beinhaltet zu unterschiedlichen Zeiten und Kulturen unterschiedliche Klassen von Verhaltensweisen, soll heißen, dass die normative Realität relativ ist (Scheerer/ Pfeiffer, 1979) Deshalb ist auch das Dunkelfeld relativ und selbigen Schwankungen unterworfen.
   
   
In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in mehreren europäischen Statten so genannte „Criminal- Tabellen“ eingeführt. Diese hatten die Funktion, den Regierungen die Kontrolle und einen Einblick in die Arbeit der Organe der Rechtspflege und denen der Justizverwaltung zu verschaffen. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Veränderung für das Verständnis und die Bedeutung des gesammelten Materials. So waren es überwiegend die französischen Moral- und Sozialstatistiker, die damit begannen, die Statistiken der Strafrechtspflege als Indikatoren für den Umfang und die Struktur von Kriminalität, dessen Stand und Bewegung, die Zusammensetzung des Täterkreises, sowie für kriminalpolitische und kriminologisch Erkenntnisinteressen, zu verwenden. Das Ziel war es, in der Tradition des Positivismus, eine exakte Gesellschaftslehre zu entwickeln, welche Gesetzte hervorbringen sollte, welche Kriminalität für die Wissenschaft transparent, im besten Falle sogar vorhersehbar machen sollten.(vgl, Steffen, 1993) Dies ist nur möglich, wenn die Statistiken die gesamte Kriminalität erfassen würden. Und genau an diesem Punkt spielt das Dunkelfeld die entscheidende Rolle. Bereits die frühen Denker der Kriminologie, (z.B. Quetelet 1836, Ferri 1896) hatten keinen Zweifel daran, dass die in den Kriminalstatistiken  ausgewiesenen bekannt gewordenen, ab- und verurteilten Straftaten und –täter nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Kriminalität darstellten. (Heinz, 1972) Die Kriminologie war eine lange Zeit von der Annahme geprägt, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld gäbe. So formulierte Adolphe Quetelet 1869 in seinem Werk „Physique sociale ou essai sur le développement des facultés de l'homme“, dass dieses (konstante) Verhältnis notwendig sei, da ansonsten alles was bis dato über Verbrechen aufgrund der statistischen Unterlagen ausgesagt wurde falsch und absurd sei. (vgl. Schwindt 2001)
In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in mehreren europäischen Statten so genannte „Criminal- Tabellen“ eingeführt. Diese hatten die Funktion, den Regierungen die Kontrolle und einen Einblick in die Arbeit der Organe der Rechtspflege und denen der Justizverwaltung zu verschaffen. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Veränderung für das Verständnis und die Bedeutung des gesammelten Materials. So waren es überwiegend die französischen Moral- und Sozialstatistiker, die damit begannen, die Statistiken der Strafrechtspflege als Indikatoren für den Umfang und die Struktur von [[Kriminalität]], dessen Stand und Bewegung, die Zusammensetzung des Täterkreises, sowie für kriminalpolitische und kriminologisch Erkenntnisinteressen, zu verwenden. Das Ziel war es, in der Tradition des Positivismus, eine exakte Gesellschaftslehre zu entwickeln, welche Gesetzte hervorbringen sollte, welche Kriminalität für die Wissenschaft transparent, im besten Falle sogar vorhersehbar machen sollten.(vgl, Steffen, 1993) Dies ist nur möglich, wenn die Statistiken die gesamte Kriminalität erfassen würden. Und genau an diesem Punkt spielt das Dunkelfeld die entscheidende Rolle. Bereits die frühen Denker der Kriminologie, (z.B. [[Quetelet]] 1836, Ferri 1896) hatten keinen Zweifel daran, dass die in den Kriminalstatistiken  ausgewiesenen bekannt gewordenen, ab- und verurteilten Straftaten und –täter nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Kriminalität darstellten. (Heinz, 1972) Die [[Kriminologie]] war eine lange Zeit von der Annahme geprägt, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld gäbe. So formulierte Adolphe [[Quetelet]] 1869 in seinem Werk „Physique sociale ou essai sur le développement des facultés de l'homme“, dass dieses (konstante) Verhältnis notwendig sei, da ansonsten alles was bis dato über [[Verbrechen]] aufgrund der statistischen Unterlagen ausgesagt wurde falsch und absurd sei. (vgl. [[Schwindt]] 2001)
   
   
Quetelet ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:
[[Quetelet]] ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der [[Anzeigebereitschaft]] der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:
*criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte
*criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte
*criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte
*criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte
*criminalità legale = die ab- und verurteilten Delikte
*criminalità legale = die ab- und verurteilten Delikte
Ferris Annahme bezüglich eines konstanten Verhältnisses bezog sich dabei auf eine Konstanz zwischen criminalità reale und apparente. Den vermuteten Zusammenhang betitelte Wadler 1908 als das „Gesetz der konstanten Verhältnisse“. (Heinz, 1972) Mithilfe dieser, nie empirisch bewiesenen theoretischen Grundannahme, wurden in der Folgezeit mit Hilfe der Kriminalstatistiken Rückschlüsse auf die Struktur, den Umfang und die Bewegung der Gesamtkriminalität gezogen, da diesen dank der vermuteten Konstanz repräsentative Aussagekraft zugeschrieben wurde. Dadurch wurde eine Verbrechenswirklichkeit geschaffen, die einer empirischen Überprüfbarkeit entbehrte, trotzdem immensen Einfluss auf die kriminologische Wissenschaft und Kriminalpolitik hatte. „So half sich die Kriminologie, Kriminalistik und Kriminalpolitik über das Dilemma des Dunkelfeldes bislang (grundsätzlich) mit der Hypothese von der Konstanz der Verhältnisse zwischen registrierter und tatsächlicher Delinquenz hinweg…“ (Schwindt, 2001) Ergebnisse der Dunkelfeldforschungen entlarvten aber das Gesetz der konstanten Verhältnisse in seiner ursprünglichen undifferenzierten Form als [[Myth | Mythos]] und führten zu entsprechenden Modifikationen. Dementsprechend zeigte sich, dass:
Ferris Annahme bezüglich eines konstanten Verhältnisses bezog sich dabei auf eine Konstanz zwischen criminalità reale und apparente. Den vermuteten Zusammenhang betitelte Wadler 1908 als das „Gesetz der konstanten Verhältnisse“. (Heinz, 1972) Mithilfe dieser, nie empirisch bewiesenen theoretischen Grundannahme, wurden in der Folgezeit mit Hilfe der Kriminalstatistiken Rückschlüsse auf die Struktur, den Umfang und die Bewegung der Gesamtkriminalität gezogen, da diesen dank der vermuteten Konstanz repräsentative Aussagekraft zugeschrieben wurde. Dadurch wurde eine Verbrechenswirklichkeit geschaffen, die einer empirischen Überprüfbarkeit entbehrte, trotzdem immensen Einfluss auf die kriminologische Wissenschaft und Kriminalpolitik hatte. „So half sich die [[Kriminologie]], [[Kriminalistik]] und [[Kriminalpolitik]] über das Dilemma des Dunkelfeldes bislang (grundsätzlich) mit der Hypothese von der Konstanz der Verhältnisse zwischen registrierter und tatsächlicher Delinquenz hinweg…“ ([[Schwindt]], 2001) Ergebnisse der Dunkelfeldforschungen entlarvten aber das Gesetz der konstanten Verhältnisse in seiner ursprünglichen undifferenzierten Form als [[Myth | Mythos]] und führten zu entsprechenden Modifikationen. Dementsprechend zeigte sich, dass:
*sich die Vermutung der konstanten Verhältnisse bezogen auf einen bestimmten geografischen Raum erstens nur bei schweren Straftaten und zweitens nur innerhalb von Streubreiten (Zufallsbereichen) zu bestätigen scheint und drittens nur für Zeiträume, die in politischer Hinsicht (noch) zusammengehören, z.B. (gleich bleibende) Anzeigebereitschaft
*sich die Vermutung der konstanten Verhältnisse bezogen auf einen bestimmten geografischen Raum erstens nur bei schweren Straftaten und zweitens nur innerhalb von Streubreiten (Zufallsbereichen) zu bestätigen scheint und drittens nur für Zeiträume, die in politischer Hinsicht (noch) zusammengehören, z.B. (gleich bleibende) Anzeigebereitschaft
*sich die Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld innerhalb eines Stadtgebietes bei bestimmten Delikten (z.B. Diebstahl) voneinander derart unterscheiden, dass neben hohen Hellfeldzahlen auch Dunkelfeldzahlen stehen bzw. umgekehrt neben niedrigen Hellfeldzahlen grundsätzlich auch niedrige Dunkelfeldzahlen festgestellt werden können. (Schwindt, 2001)
*sich die Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld innerhalb eines Stadtgebietes bei bestimmten Delikten (z.B. Diebstahl) voneinander derart unterscheiden, dass neben hohen Hellfeldzahlen auch Dunkelfeldzahlen stehen bzw. umgekehrt neben niedrigen Hellfeldzahlen grundsätzlich auch niedrige Dunkelfeldzahlen festgestellt werden können. ([[Schwindt]], 2001)


Somit kam es zu einer erneuten Umdefinition der Bedeutung der Kriminalstatistiken. Weg von einem repräsentativen Messinstrument der Kriminalitätswirklichkeit, hin zu einem Indikator für die Art, Struktur und Wandlung der strafrechtlichen Sozialkontrolle und einem damit zusammenhängenden Herstellungs- und Ausfilterungsprozess.<br>
Somit kam es zu einer erneuten Umdefinition der Bedeutung der Kriminalstatistiken. Weg von einem repräsentativen Messinstrument der Kriminalitätswirklichkeit, hin zu einem Indikator für die Art, Struktur und Wandlung der strafrechtlichen Sozialkontrolle und einem damit zusammenhängenden Herstellungs- und Ausfilterungsprozess.<br>