Desistance-Forschung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Theorie von John Laub und Robert Sampson zählt als eine der am besten getesteten Theorie zu diesem Thema. Laub und Sampson gehen davon aus, dass bestimmte Ereignisse, die sie „Turning-Points“ nennen, für das Gelingen von straf- und verurteilungsfreiem Leben entscheidend sind. Besonders der sozialen Bindungen und der informellen sozialen Kontrolle wird Einfluss auf diesen Prozess zugeschrieben.  
Die Theorie von John Laub und Robert Sampson zählt als eine der am besten getesteten Theorie zu diesem Thema. Laub und Sampson gehen davon aus, dass bestimmte Ereignisse, die sie „Turning-Points“ nennen, für das Gelingen von straf- und verurteilungsfreiem Leben entscheidend sind. Besonders der sozialen Bindungen und der informellen sozialen Kontrolle wird Einfluss auf diesen Prozess zugeschrieben.  
Laub und Sampson lieferten 1993 die „längste longitudinalstudie der Welt“. Sie führten eine Reanalyse der Studie „Unreveling Juvenile Delinquency“ des Ehepaars Glueck von 1951 durch. Sie untersuchten die Lebensläufe von 500 ehemals inhaftierten männlichen Personen mittels Interviews. Dadurch lagen qualitative Daten bis zum Alter von 70 Jahren vor. Das Ergebnis dieser Forschung zeigt deutlich, dass eine Einbindung in den Arbeitsmarkt und eine stabile Ehe den dauerhaften Abbruch krimineller Karrieren bewirken kann oder zumindest begünstigt. (Vgl. Stelly/Thomas 2005, S.100)
Laub und Sampson lieferten 1993 die „längste longitudinalstudie der Welt“. Sie führten eine Reanalyse der Studie „Unreveling Juvenile Delinquency“ des Ehepaars Glueck von 1951 durch. Sie untersuchten die Lebensläufe von 500 ehemals inhaftierten männlichen Personen mittels Interviews. Dadurch lagen qualitative Daten bis zum Alter von 70 Jahren vor. Das Ergebnis dieser Forschung zeigt deutlich, dass eine Einbindung in den Arbeitsmarkt und eine stabile Ehe den dauerhaften Abbruch krimineller Karrieren bewirken kann oder zumindest begünstigt. (Vgl. Stelly/Thomas 2005, S.100)
‘‘‘Forschungsergebnis:‘‘‘
 
'''Forschungsergebnis:'''
Die Ehe begünstige den Abbruch, da der Betroffene in eine Beziehung investiert und eine soziale Bindung aufbaut. Durch Alltags- und Routinehandlungen in der Ehe wird der Freundeskreis reduziert und der Kontakt zu delinquenten Freunden verringert. Zudem wirkt die Ehe in Form von sozialer Kontrolle auf den Ehemann und die Übernahme von Verantwortung, insbesondere, wenn die Vaterrolle hinzukommt, führt zu einem veränderten Selbstbild. Der stabile Arbeitsplatz wirkt sich positiv auf den Ausstieg aus, da auch hier die informelle soziale Kontrolle erhöht wird, eine Beziehung zur Arbeit und zum Arbeitgeber aufgebaut und eine Veränderung in der Routine stattfindet, die ebenfalls sinnstiftend und identitätsbildend wirken kann. (Vgl. Stelly/Thomas 2005, S.94f)
Die Ehe begünstige den Abbruch, da der Betroffene in eine Beziehung investiert und eine soziale Bindung aufbaut. Durch Alltags- und Routinehandlungen in der Ehe wird der Freundeskreis reduziert und der Kontakt zu delinquenten Freunden verringert. Zudem wirkt die Ehe in Form von sozialer Kontrolle auf den Ehemann und die Übernahme von Verantwortung, insbesondere, wenn die Vaterrolle hinzukommt, führt zu einem veränderten Selbstbild. Der stabile Arbeitsplatz wirkt sich positiv auf den Ausstieg aus, da auch hier die informelle soziale Kontrolle erhöht wird, eine Beziehung zur Arbeit und zum Arbeitgeber aufgebaut und eine Veränderung in der Routine stattfindet, die ebenfalls sinnstiftend und identitätsbildend wirken kann. (Vgl. Stelly/Thomas 2005, S.94f)
Außer der Ehe und der Arbeit benannten Laub und Sampson noch den Militärdienst sowie die Übernahme von (finanzieller) Verantwortung für Geschwister oder Eltern in Not als weitere „Turning-Points“. Der Militärdienst wird hier als Chance bewertet Abstand zu den sozial benachteiligten Vierteln zu gewinnen und wirke sich dadurch ebenfalls auf die Abstandsnahme von möglichen schlechten sozialen Kontakten aus.  
Außer der Ehe und der Arbeit benannten Laub und Sampson noch den Militärdienst sowie die Übernahme von (finanzieller) Verantwortung für Geschwister oder Eltern in Not als weitere „Turning-Points“. Der Militärdienst wird hier als Chance bewertet Abstand zu den sozial benachteiligten Vierteln zu gewinnen und wirke sich dadurch ebenfalls auf die Abstandsnahme von möglichen schlechten sozialen Kontakten aus.  
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Die „Desister“ berichteten von ihren positiven Eigenschaften und von ihrem „wahren Selbst“ und sahen in ihrer Vergangenheit einen tieferen Sinn. Das Gefühl danach, dass man durch gemeinnütziges Engagement (Making good) etwas wieder gut machen müsse erwies sich bei den „Desistern“ als zentrales Thema. Außerdem wirkten sie aktiver in der eigenen Gestaltung ihrer Zukunft. Die „Persister“ hingegen sahen sich als Opfer ihrer Kindheit sowie ihres sozialen Umfelds und glaubten an zukünftige Veränderung nur durch externe, nicht eigenständig beeinflussbare Glücksfälle wie z.B. Lottogewinne (vgl. Hofinger 2012, S.12f).  
Die „Desister“ berichteten von ihren positiven Eigenschaften und von ihrem „wahren Selbst“ und sahen in ihrer Vergangenheit einen tieferen Sinn. Das Gefühl danach, dass man durch gemeinnütziges Engagement (Making good) etwas wieder gut machen müsse erwies sich bei den „Desistern“ als zentrales Thema. Außerdem wirkten sie aktiver in der eigenen Gestaltung ihrer Zukunft. Die „Persister“ hingegen sahen sich als Opfer ihrer Kindheit sowie ihres sozialen Umfelds und glaubten an zukünftige Veränderung nur durch externe, nicht eigenständig beeinflussbare Glücksfälle wie z.B. Lottogewinne (vgl. Hofinger 2012, S.12f).  
Maruna geht daher davon aus, dass der dauerhafte Ausstieg nicht nur durch das bloße Auftreten von „Turning Points“ ermöglicht wird, sondern durch die Veränderung des Selbstbildes der „Desister“. Neben des veränderten subjektiven Selbstbildes sieht Maruna die Desistance als andauernde Aufgabe für das weitere Leben der „Desister“, die es aufrecht zu erhalten gilt (vgl. Matt 2014, S.96f).
Maruna geht daher davon aus, dass der dauerhafte Ausstieg nicht nur durch das bloße Auftreten von „Turning Points“ ermöglicht wird, sondern durch die Veränderung des Selbstbildes der „Desister“. Neben des veränderten subjektiven Selbstbildes sieht Maruna die Desistance als andauernde Aufgabe für das weitere Leben der „Desister“, die es aufrecht zu erhalten gilt (vgl. Matt 2014, S.96f).
‘‘‘Forschungsergebnis:‘‘‘
 
'''Forschungsergebnis:'''
Die Studie von Maruna zeigt auf, dass der positive Ausstieg aus der Kriminalität neben dem veränderten Selbstbild auch eine Reorganisation der Lebenssituation darstellt. Neben der Reorganisation der eigenen Lebenssituation findet eine neue Einordnung in die Gesellschaft statt. Folgende Voraussetzungen werden für einen positiven Ausstieg genannt:  
Die Studie von Maruna zeigt auf, dass der positive Ausstieg aus der Kriminalität neben dem veränderten Selbstbild auch eine Reorganisation der Lebenssituation darstellt. Neben der Reorganisation der eigenen Lebenssituation findet eine neue Einordnung in die Gesellschaft statt. Folgende Voraussetzungen werden für einen positiven Ausstieg genannt:  
*Eigene Motivation
*Eigene Motivation
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=== Theorie kognitiver Transformation ===
=== Theorie kognitiver Transformation ===
Die Theorie der kognitiven Transformation stammt von Giordano, Cernovich und Rudolph. Diese Forscher nehmen eine entgegengesetzte Position zu Laub und Sampson ein. Sie ähnelt den Ergebnissen von Maruna. Ihre Erkenntnisse stützen sie auf die empirische Basis von ca. 245 Befragungen von inhaftierten Männern und Frauen. Nach 13 Jahren wurden 85% davon erneut interviewt.  
Die Theorie der kognitiven Transformation stammt von Giordano, Cernovich und Rudolph. Diese Forscher nehmen eine entgegengesetzte Position zu Laub und Sampson ein. Sie ähnelt den Ergebnissen von Maruna. Ihre Erkenntnisse stützen sie auf die empirische Basis von ca. 245 Befragungen von inhaftierten Männern und Frauen. Nach 13 Jahren wurden 85% davon erneut interviewt.  
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'''Forschungsergebnis:'''
Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigte, dass der geistige Veränderungsprozess die entscheidende Rolle für den Ausstieg aus kriminellen Karrieren spielt (vgl. Hofinger 2012, S.321f).
Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigte, dass der geistige Veränderungsprozess die entscheidende Rolle für den Ausstieg aus kriminellen Karrieren spielt (vgl. Hofinger 2012, S.321f).
Giordano et al. stellten ein Verlaufsmodell der Desistance auf. Demnach gibt es folgende 4 Stufen im Prozess der Desistance:  
Giordano et al. stellten ein Verlaufsmodell der Desistance auf. Demnach gibt es folgende 4 Stufen im Prozess der Desistance:  
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Der britische Kriminologe Stephen Farrall betrachtet bei der Desistance-Forschung verstärkt den Aspekt der Sozialstruktur und die Handlungsfähigkeit des Individuums. Farrall führt das „soziale Kapital“ als Spannungsverhältnis zwischen den strukturellen Umständen und der Motivation des Individuums an. Ehe und Arbeit erhöhen dieses „soziale Kapital“.
Der britische Kriminologe Stephen Farrall betrachtet bei der Desistance-Forschung verstärkt den Aspekt der Sozialstruktur und die Handlungsfähigkeit des Individuums. Farrall führt das „soziale Kapital“ als Spannungsverhältnis zwischen den strukturellen Umständen und der Motivation des Individuums an. Ehe und Arbeit erhöhen dieses „soziale Kapital“.
Als empirische Basis führt er die Befragung von 199 Frauen und Männern im Alter von 17 bis 35 Jahren an sowie eine Datenanalyse einer landesweiten Polizeidatei. Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Erhebung der britischen Bewährungshilfe anhängig.
Als empirische Basis führt er die Befragung von 199 Frauen und Männern im Alter von 17 bis 35 Jahren an sowie eine Datenanalyse einer landesweiten Polizeidatei. Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Erhebung der britischen Bewährungshilfe anhängig.
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'''Forschungsergebnis:'''
Unterstützungsleistungen von Seiten der Bewährungshilfe in den Bereichen Arbeit und Familienbeziehungen können einen wesentlichen Beitrag auf die Desistance nehmen. Besonders der engere Familienkreis spielt nach Farrall eine entscheidende Rolle als Schutzfaktor. Diese wirkt unterstützend in Hinsicht auf Arbeitsplatz- oder Unterkunftssuche und wirkt durch konkrete und moralische Unterstützung als Schutz vor Rückfälligkeit (vgl. Vogelvang 2013, S.182f).
Unterstützungsleistungen von Seiten der Bewährungshilfe in den Bereichen Arbeit und Familienbeziehungen können einen wesentlichen Beitrag auf die Desistance nehmen. Besonders der engere Familienkreis spielt nach Farrall eine entscheidende Rolle als Schutzfaktor. Diese wirkt unterstützend in Hinsicht auf Arbeitsplatz- oder Unterkunftssuche und wirkt durch konkrete und moralische Unterstützung als Schutz vor Rückfälligkeit (vgl. Vogelvang 2013, S.182f).
==Literatur ==
==Literatur ==
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