Der Mord im Zusammenhang des Tötens: Unterschied zwischen den Versionen

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Mord ist ein Schlüsselbegriff, von dem aus sich nicht nur die Frage nach dem Begriff des Verbrechens und den Aufgaben der Kriminologie, sondern letztlich auch Grundfragen erschließen lassen. Nicht zuletzt die Frage: Was ist der Mensch? Wenn wir größere Zusammenhänge entdecken wollen, dann müssen wir einen Schritt zurück treten und uns nicht sofort mit dem Mord befassen, sondern zunächst einmal mit dem, was wir ohne Bewertungen rein empirisch feststellen können. Denn Mord hat einen doppelten Kern: die Beschreibung (das wird getötet) und die Bewertung (diese Tötung ist in besonderem Maße unerwünscht und missbilligenswert). Aber für wen unerwünscht? Auf wessen Standpunkt stellen wir uns als Kriminologen? Das ist die Schwierigkeit beim Mordbegriff. Leichter haben wir es mit dem Töten. Töten bedeutet: ein Leben auslöschen. Das lässt sich empirisch feststellen und erfordert keine Wertentscheidung wie im Falle der Feststellung eines Mordes. Beginnen wir also mit dem einfachen Sachverhalt des Tötens. Welche Rolle spielt das Töten im Allgemeinen und welche Rolle spielt es für die Menschen?
Mord ist ein Schlüsselbegriff, von dem aus sich nicht nur die Frage nach dem Begriff des Verbrechens und den Aufgaben der Kriminologie, sondern letztlich auch Grundfragen erschließen lassen. Nicht zuletzt die Frage: Was ist der Mensch? Wenn wir größere Zusammenhänge entdecken wollen, dann müssen wir einen Schritt zurück treten und uns nicht sofort mit dem Mord befassen, sondern zunächst einmal mit dem, was wir ohne Bewertungen rein empirisch feststellen können. Denn Mord hat einen doppelten Kern: die Beschreibung (das wird getötet) und die Bewertung (diese Tötung ist in besonderem Maße unerwünscht und missbilligenswert). Aber für wen unerwünscht? Auf wessen Standpunkt stellen wir uns als Kriminologen? Das ist die Schwierigkeit beim Mordbegriff. Leichter haben wir es mit dem Töten. Töten bedeutet: ein Leben auslöschen. Das lässt sich empirisch feststellen und erfordert keine Wertentscheidung wie im Falle der Feststellung eines Mordes. Beginnen wir also mit dem einfachen Sachverhalt des Tötens. Welche Rolle spielt das Töten im Allgemeinen und welche Rolle spielt es für die Menschen?


== Ubiquität des Tötens ==
== Die Ubiquität des Tötens ==
Überall wo es Leben gibt, gibt es neben dem natürlichen Alterungsprozess und dem biologisch-genetisch vorprogrammierten Sterben auch das Phänomen des Auslöschens von Leben, also des Tötens. Töten tut die unbelebte Natur wie die belebte. Die Verwüstungen durch Naturkatastrophen vernichten ganze Ökosysteme mit allem darin befindlichen Leben. Man denke an Erdbeben, Feuersbrünste oder den asiatischen Tsunami von 2004, dessen Wassermassen allein in kürzester Zeit über 230.000 Menschenleben auslöschten.
Überall wo es Leben gibt, gibt es neben dem natürlichen Alterungsprozess und dem biologisch-genetisch vorprogrammierten Sterben auch das Phänomen des Auslöschens von Leben, also des Tötens. Töten tut die unbelebte Natur wie die belebte. Die Verwüstungen durch Naturkatastrophen vernichten ganze Ökosysteme mit allem darin befindlichen Leben. Man denke an Erdbeben, Feuersbrünste oder den asiatischen Tsunami von 2004, dessen Wassermassen allein in kürzester Zeit über 230.000 Menschenleben auslöschten.


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== Vom Nutzen und Nachteil des Tötens für das Leben ==
== Vom Nutzen und Nachteil des Tötens für das Leben ==
Bestimmte Lebensregeln wie etwas das "leben und leben lassen" des Jainismus oder das berühmte jüdisch-christliche Gebot "Du sollst nicht töten" suggerieren neben der scheinbar eindeutigen Missbilligung des Tötens auch noch darüber hinaus die Idee, dass das Töten prinzipiell eine Verletzung der Interessen der größeren Gemeinschaft, also der Verwandtschaftsgruppe, der Ethnie, der Gesellschaft usw., darstelle. Der Gedanke, dass das Töten streng verboten sein müsse, um die Überlebenschancen der Gesellschaft und letztlich der Menschheit zu sichern, ist gewiss naheliegend. Aber er stellt allenfalls die halbe Wahrheit dar.
Bestimmte Lebensregeln wie etwas das "leben und leben lassen" des Jainismus oder das berühmte jüdisch-christliche Gebot "Du sollst nicht töten" suggerieren neben der scheinbar eindeutigen Missbilligung des Tötens auch noch darüber hinaus die Idee, dass das Töten prinzipiell eine Verletzung der Interessen der größeren Gemeinschaft, also der Verwandtschaftsgruppe, der Ethnie, der Gesellschaft usw., darstelle. Der Gedanke, dass das Töten streng verboten sein müsse, um die Überlebenschancen der Gesellschaft und letztlich der Menschheit zu sichern, ist gewiss naheliegend. Aber er stellt allenfalls die halbe Wahrheit dar. Im Laufe der Evolution bot das Töten neben bestimmten Risiken und Nachteilen immer auch manifeste Vorteile im Hinblick auf die Selbst- und Arterhaltung des Menschen. Die Geschichte der moralischen Bewertung des Tötens spiegelt diese Ambivalenz: neben der sozialen Kontrolle des unerwünschten Tötens gab es immer auch Normen der Stimulierung des sozial erwünschten Tötens. Der Sinn lag auf der Hand: die Vorteile des Tötens zu nutzen und die Nachteile des Tötens möglichst gering zu halten. David M. Buss und Joshua D. Duntley (2002) sprechen geradezu von einem evolutionären Rüstungswettlauf ...


=== Der evolutionäre Vorteil des Tötens ===
=== Der evolutionäre Vorteil des Tötens ===
Für die Menschheitsgeschichte bot das Töten neben bestimmten Risiken und Nachteilen immer auch manifeste Vorteile im Hinblick auf die Selbst- und Arterhaltung. Deswegen gab es immer Versuche, die Vorteile des Tötens zu nutzen und die Nachteile des Tötens möglichst gering zu halten.


David M. Buss und Joshua D. Duntley (2002) sprechen von einem evolutionären Rüstungswettlauf ...
 
 




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