Dei delitti e delle pene: Unterschied zwischen den Versionen

 
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Das Buch entstand aus Diskussionen in der [[Akademie der Fäuste]], also im Hause des Grafen Pietro Verri. Dieser schrieb an ökonomisch-politischen Arbeiten, während sein jüngerer Bruder Alessandro Verri an einer Geschichte Italiens arbeitete. Und überhaupt schien jeder in der Gruppe ein konkretes Projekt zu haben - außer Beccaria. Dieser "langweilte sich und langweilte die anderen", schrieb Pietro Verri am 1.11.1765 an seine Freunde in Mailand: "Aus Verzweiflung fragte er mich nach einem Thema, ich empfahl ihm dieses, denn ich wußte, dass es für einen beredsamen Menschen, dem die lebhaftesten Bilder zur Verfügung stehen, sehr geeignet war. Aber er wußte nichts von unserem Strafwesen. Alessandro, der das Amt eines Protektors der Gefangenen innehatte - es war dies ein Ehrenamt für junge Juristen, die zugleich als Anwälte der Armen, der Witwen und Waisen auftraten -, versprach ihm seinen Beistand. Beccaria begann auf lose Stücke Papier Ideen aufzuschreiben, wir folten ihm dabei mit Begeisterung, brachten ihn so in Glut, daß er eine große Menge Gedanken niederschrieb; nach dem Mittagessen ging man spazieren, nahm Erörterungen, griff Fragen auf, und abends wurde geschrieben; aber für ihn ist das Schreiben so mühsam, es kostet ihn eine solche Anstrengung, daß er nach einer Stunde nachläßt und sich nicht beherrschen kann. Als er das Material zusammengebracht hatte, schrieb ich es auf, es wurde ihm eine Ordnung gegeben und es wurde ein Buch daraus" (zit.n. Alff 1966: 13 f.).   
Das Buch entstand aus Diskussionen in der [[Akademie der Fäuste]], also im Hause des Grafen Pietro Verri. Dieser schrieb an ökonomisch-politischen Arbeiten, während sein jüngerer Bruder Alessandro Verri an einer Geschichte Italiens arbeitete. Und überhaupt schien jeder in der Gruppe ein konkretes Projekt zu haben - außer Beccaria. Dieser "langweilte sich und langweilte die anderen", schrieb Pietro Verri am 1.11.1765 an seine Freunde in Mailand: "Aus Verzweiflung fragte er mich nach einem Thema, ich empfahl ihm dieses, denn ich wußte, dass es für einen beredsamen Menschen, dem die lebhaftesten Bilder zur Verfügung stehen, sehr geeignet war. Aber er wußte nichts von unserem Strafwesen. Alessandro, der das Amt eines Protektors der Gefangenen innehatte - es war dies ein Ehrenamt für junge Juristen, die zugleich als Anwälte der Armen, der Witwen und Waisen auftraten -, versprach ihm seinen Beistand. Beccaria begann auf lose Stücke Papier Ideen aufzuschreiben, wir folgten ihm dabei mit Begeisterung, brachten ihn so in Glut, daß er eine große Menge Gedanken niederschrieb; nach dem Mittagessen ging man spazieren, nahm Erörterungen, griff Fragen auf, und abends wurde geschrieben; aber für ihn ist das Schreiben so mühsam, es kostet ihn eine solche Anstrengung, daß er nach einer Stunde nachläßt und sich nicht beherrschen kann. Als er das Material zusammengebracht hatte, schrieb ich es auf, es wurde ihm eine Ordnung gegeben und es wurde ein Buch daraus" (zit.n. Alff 1966: 13 f.).   


Alessandro Verris Version der Entstehungsgeschichte ist ähnlich, betont aber stärker den Eigenanteil Beccarias am Manuskript. In einem Brief an Isidoro Bianchi vom 16.04.1803 schrieb er, dass der Marchese Beccaria "viel nachdachte, bevor er schrieb, mehr als zwei Stunden konnte er der Ermüdung nicht standhalten; waren die vorbei, so legte er die Feder aus der Hand. Spät abends kehrte Graf Pietro nach Hause zurück. Der Marchese las ihm vor, was er geschrieben hatte, und nach seiner Begutachtung nahm er manchmal Veränderungen und Verbesserungen vor. Aber da dem Marchese offensichtlich die Mühe widerstrebte, seine erste Niederschrift, die voller Veränderungen war, ins reine zu schreiben, so erinnere ich mich dessen, dass mein Bruder Wert darauf legte, eigenjhändig das Werk ins reine zu schr3eiben. Er ermunterte Beccaria stets fortzufahren und sagte ihm dafür den Beifall Europas voraus" (zit.n. Alff 1966: 14 f.).
Alessandro Verris Version der Entstehungsgeschichte ist ähnlich, betont aber stärker den Eigenanteil Beccarias am Manuskript. In einem Brief an Isidoro Bianchi vom 16.04.1803 schrieb er, dass der Marchese Beccaria "viel nachdachte, bevor er schrieb, mehr als zwei Stunden konnte er der Ermüdung nicht standhalten; waren die vorbei, so legte er die Feder aus der Hand. Spät abends kehrte Graf Pietro nach Hause zurück. Der Marchese las ihm vor, was er geschrieben hatte, und nach seiner Begutachtung nahm er manchmal Veränderungen und Verbesserungen vor. Aber da dem Marchese offensichtlich die Mühe widerstrebte, seine erste Niederschrift, die voller Veränderungen war, ins reine zu schreiben, so erinnere ich mich dessen, dass mein Bruder Wert darauf legte, eigenjhändig das Werk ins reine zu schr3eiben. Er ermunterte Beccaria stets fortzufahren und sagte ihm dafür den Beifall Europas voraus" (zit.n. Alff 1966: 14 f.).
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=== Abschaffung der Todesstrafe ===
=== Abschaffung der Todesstrafe ===
Beccaria plädiert für die Abschaffung der Todesstrafe und deren Ersatz durch lebenslange öffentliche Zwangsarbeit.
Beccaria plädiert für die Abschaffung der Todesstrafe und deren Ersatz durch lebenslange öffentliche Zwangsarbeit. Damit ist freilich gemeint: lebenslange Strafknechtschaft bei härtesten Arbeitsbedingungen, nämlich "Fesseln und Ketten unter Schlagstock und Joch oder in einem eisernen Käfig" - und das alles öffentlich vollstreckt (Beccaria 2005: 51 f.; Naucke 2005: XXVI).  


Die Todesstrafe ist weder mit dem Selbsttötungsverbot zu vereinbaren noch wirkt sie abschreckend noch lässt sie sich aus dem Gedanken des Gesellschaftsvertrags herleiten, da kein Mensch per Vertrag einem anderen Menschen das Recht einräumen würde, ihn gegebenenfalls zu töten. Abschreckung wird besser durch lebenslange Zwangsarbeit erreicht, da der Mensch kurze aufwühlende Ereignisse wie eine Hinrichtung schnell vergisst, während der regelmäßige Anblick eines dauernden Elends von nachhaltiger und läuternder Wirkung ist (Kapitel XVI).
Die Todesstrafe ist weder mit dem Selbsttötungsverbot zu vereinbaren noch wirkt sie abschreckend noch lässt sie sich aus dem Gedanken des Gesellschaftsvertrags herleiten, da kein Mensch per Vertrag einem anderen Menschen das Recht einräumen würde, ihn gegebenenfalls zu töten. Abschreckung wird besser durch lebenslange Zwangsarbeit erreicht, da der Mensch kurze aufwühlende Ereignisse wie eine Hinrichtung schnell vergisst, während der regelmäßige Anblick eines dauernden Elends von nachhaltiger und läuternder Wirkung ist (Kapitel XVI).


Einschränkungen: „Der Tod eines Bürgers kann nur aus zwei Beweggründen für notwendig gehalten werden. Der erste ist dann gegeben, wenn er auch unter dem Entzug der Freiheit noch derartige Beziehungen und eine so große Macht hat, daß die Sicherheit der Nation davon betroffen ist und die Tatsache daß er lebt, eine gefährliche Umwälzung der bestehenden Regierungsform hervorrufen könnte. Der Tod eines Bürgers wird somit dann notwendig, wenn die Nation ihre Freiheit wiedererlangt oder verliert, oder in einer Zeit der Anarchie, in welcher Unordnung für das Gesetz steht. Doch während der ungestörten Herrschaft des Gesetzes, unter einer Regierungsform, welche die einmütige Zustimmung der Nation hat und nach außen wie nach innen durch die Macht und durch die Meinung, welch letztere vielleicht wirksamer als die Macht selber ist, geschützt wird (...), sehe ich keine Notwendigkeit, einen Bürger zu vernichten, es sei denn, sein Tod wäre der rechte und einzige Zügel, um die anderen von der Begehung des Verbrechens abzuhalten: und dies ist der zweite Beweggrund, aus dem die Todesstrafe für gerecht und notwendig gehalten werden kann“ (Beccaria 1966: 110 f.).
Einschränkungen: „Der Tod eines Bürgers kann nur aus zwei Beweggründen für notwendig gehalten werden. Der erste ist dann gegeben, wenn er auch unter dem Entzug der Freiheit noch derartige Beziehungen und eine so große Macht hat, daß die Sicherheit der Nation davon betroffen ist und die Tatsache daß er lebt, eine gefährliche Umwälzung der bestehenden Regierungsform hervorrufen könnte. Der Tod eines Bürgers wird somit dann notwendig, wenn die Nation ihre Freiheit wiedererlangt oder verliert, oder in einer Zeit der Anarchie, in welcher Unordnung für das Gesetz steht. Doch während der ungestörten Herrschaft des Gesetzes, unter einer Regierungsform, welche die einmütige Zustimmung der Nation hat und nach außen wie nach innen durch die Macht und durch die Meinung, welch letztere vielleicht wirksamer als die Macht selber ist, geschützt wird (...), sehe ich keine Notwendigkeit, einen Bürger zu vernichten, es sei denn, sein Tod wäre der rechte und einzige Zügel, um die anderen von der Begehung des Verbrechens abzuhalten: und dies ist der zweite Beweggrund, aus dem die Todesstrafe für gerecht und notwendig gehalten werden kann“ (Beccaria 1966: 110 f.).
Kritik: Mit dem Hauptkritikpunkt, dass die Todesstrafe für den Staat nicht nützlich sei, tappt der Autor des Werkes in die nach ihm benannte [[Beccaria-Falle]] (vgl. Naucke 2005: XXV-XXVII). Die dunkle Seite der Aufklärung überschattet bei der Diskussion der Alternativen zur Todesstrafe das von Beccaria immer wieder beschworene Gefühl für Humanität.


=== Abschaffung der Folter ===
=== Abschaffung der Folter ===
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*Vorbildwirkung des Souveräns, der die Todesstrafe abgeschafft hat und damit nicht mehr zum Mörder wird.
*Vorbildwirkung des Souveräns, der die Todesstrafe abgeschafft hat und damit nicht mehr zum Mörder wird.
*Belohnung der Tugend; Erziehung.
*Belohnung der Tugend; Erziehung.
*Milde Strafen, keine willkürlichen Begnadigungen: „Man erwäge indessen, daß die Milde die Tugend des Gesetzgebers als nicht des Vollziehers der Gesetze ist, sie im Gesetzbuch selber leuchten muß,...(Beccaria 1966: 176).
*Vernünftige und milde Gesetze statt willkürlicher Begnadigungen: "Mit der Milderung der Strafen werden Milde und Verzeihen weniger notwendig. (...) Die Milde (...) müßte bei einer vollkommenen Gesetzgebung, wo die Strafen milde sind und das Gerichtsverfahren auf geregelte und zügige Weise vor sich geht, ausgeschlossen sein" (1966: 156).
*Durchsetzung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“
*Durchsetzung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“
*Beschränkung der Strafbarkeit auf sozialschädliches Verhalten. Einziger Maßstab für die Beurteilung von Strafen ist der Schaden, der der Allgemeinheit und Einzelpersonen zugefügt wird.
*Beschränkung der Strafbarkeit auf sozialschädliches Verhalten. Einziger Maßstab für die Beurteilung von Strafen ist der Schaden, der der Allgemeinheit und Einzelpersonen zugefügt wird.
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*Thomas Vormbaum (2005) Von den Verbrechen und von den Strafen (1764). Mit einer Einführung von Wolfgang Naucke. Berlin: BWV. Nach der italienischen Werkausgabe von 1958. Cesare Beccaria, Opere. A cura di Sergio Romagnoli. 2 Bde. (hier: Band 1).  
*Thomas Vormbaum (2005) Von den Verbrechen und von den Strafen (1764). Mit einer Einführung von Wolfgang Naucke. Berlin: BWV. Nach der italienischen Werkausgabe von 1958. Cesare Beccaria, Opere. A cura di Sergio Romagnoli. 2 Bde. (hier: Band 1).  
*Wilhelm Alff (1966) Über Verbrechen und Strafen. Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben. Frankfurt: Insel. (mit veränderter Paginierung: auch im Insel Verlag, Frankfurt a.M./ Leipzig 1998)
*[http://commonweb.unifr.ch/artsdean/pub/gestens/f/as/files/4610/24768_125428.pdf Wilhelm Alff (1966) Über Verbrechen und Strafen. Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben. Frankfurt: Insel. (mit veränderter Paginierung: auch im Insel Verlag, Frankfurt a.M./ Leipzig 1998)]
*1903 (Karl Esselborn)
*1903 (Karl Esselborn)
*1870 (M. Waldeck)
*1870 (M. Waldeck)
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*1767 (Übersetzer: Albrecht Friedrich Bartholomäi; Anmerkungen: Johann David Bartholomaei)
*1767 (Übersetzer: Albrecht Friedrich Bartholomäi; Anmerkungen: Johann David Bartholomaei)
*1766 (Übersetzer: Albert Wittenberg; Anmerkungen: Michael Christian Bock)
*1766 (Übersetzer: Albert Wittenberg; Anmerkungen: Michael Christian Bock)
*1765 (Übersetzer: Joseph Ignaz Butschek; Erscheinungsort Prag).  
*1765 (Übersetzer: Joseph Ignaz Butschek; Erscheinungsort Prag).
 
*1804: ''Elementi di economica pubblica''
31.738

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