Defensible space - theory ("Raumverteidigungstheorie" / Theorie des wehrhaften bzw. verteidigungsfähigen Raumes): Unterschied zwischen den Versionen

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In den 1970er-Jahren entwickelte der amerikanische Architekt und Stadtplaner Oscar Newman (1935-2004) als Vorreiter der städtebaulichen Kriminalprävention die „defensible space-theory“. Bei diesem Konzept steht die städtebauliche Kriminalprävention, also die Stadtplanung und die Baugestaltung, im Mittelpunkt. Durch die bauliche Gestaltung des Wohnumfeldes sollen die Bewohner dazu gebracht werden, die Umgebung ihrer Wohnungen zu überwachen, zu kontrollieren oder, wie es der Name der Theorie besagt, zu "verteidigen". Das Wohnumfeld soll nach dem Defensible-Space-Konzept so gestaltet werden, dass es innerhalb der Nachbarschaft zu einer Gemeinschaftsbildung kommt. Diese Gemeinschaft ist im Sinne eines Netzwerkes von Bekanntschaften und Freundschaften zu verstehen, das eine hohe informelle soziale Kontrolle ermöglicht, um eine Reduzierung des Kriminalitätsaufkommens zu erreichen.  
In den 1970er-Jahren entwickelte der amerikanische Architekt und Stadtplaner Oscar Newman (1935-2004) als Vorreiter der städtebaulichen Kriminalprävention die „''defensible space-theory''“. Bei diesem Konzept steht die städtebauliche Kriminalprävention, also die Stadtplanung und die Baugestaltung, im Mittelpunkt. Durch die bauliche Gestaltung des Wohnumfeldes sollen die Bewohner dazu gebracht werden, die Umgebung ihrer Wohnungen zu überwachen, zu kontrollieren oder, wie es der Name der Theorie besagt, zu "verteidigen". Das Wohnumfeld soll nach dem Defensible-Space-Konzept so gestaltet werden, dass es innerhalb der Nachbarschaft zu einer Gemeinschaftsbildung kommt. Diese Gemeinschaft ist im Sinne eines Netzwerkes von Bekanntschaften und Freundschaften zu verstehen, das eine hohe informelle soziale Kontrolle ermöglicht, um eine Reduzierung des Kriminalitätsaufkommens zu erreichen.  


== Begriffsdefinition ==
== Begriffsdefinition ==
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defensible space (engl.): zu verteidigender Raum (Schutz bietender Raum)
defensible space (engl.): zu verteidigender Raum (Schutz bietender Raum)


Ein „Defensible Space“ ist eine Wohnumwelt, die von ihren Bewohnern zur Verbesserung des Wohnens genutzt wird, während sie gleichzeitig Sicherheit für die Familien, Nachbarn und Freunde bietet. Defensible Space ist ein stellvertretender Begriff für Mechanismen, die reale (z. B. Mauern und Zäune) und symbolische Grenzen (z. B. kleine Gärten, unterschiedliche Pflasterungen von Gehweg und Bürgersteig) sowie die verbesserten Möglichkeiten zur Überwachung bieten. Diese Kombination macht es möglich, dass Hausbewohner ihre Wohnumwelt unter ihre Obhut bringen (vgl. Newman 1972: 4). Es ist eine Technik, die sich sowohl auf Reihenhäuser mit geringer Wohndichte, als auch auf Hochhäuser mit hoher Wohndichte anwenden lässt (vgl. Newman 1972: 9). Die Architektur des Defensible Space erweitert das Wohngebiet auf die dazugehörige Straße, damit auch hier dementsprechende Verantwortung gezeigt werden kann (vgl. Newman 1972: 4). Im Gegensatz dazu fühlen sich die meisten Menschen, die in großen Wohnanlagen wohnen, nur in und auch nur bis zu den Grenzen oder Wänden ihrer Wohnung verantwortlich, um die sie sich dann auch nur kümmern (vgl. Newman 1996: 11).
„''Defensible Space''“ ist eine Wohnumwelt, die von ihren Bewohnern zur Verbesserung des Wohnens genutzt wird, während sie gleichzeitig Sicherheit für die Familien, Nachbarn und Freunde bietet. Defensible Space ist ein stellvertretender Begriff für Mechanismen, die reale (z. B. Mauern und Zäune) und symbolische Grenzen (z. B. kleine Gärten, unterschiedliche Pflasterungen von Gehweg und Bürgersteig) sowie die verbesserten Möglichkeiten zur Überwachung bieten. Diese Kombination macht es möglich, dass Hausbewohner ihre Wohnumwelt unter ihre Obhut bringen (vgl. Newman 1972: 4). Es ist eine Technik, die sich sowohl auf Reihenhäuser mit geringer Wohndichte, als auch auf Hochhäuser mit hoher Wohndichte anwenden lässt (vgl. Newman 1972: 9). Die Architektur des Defensible Space erweitert das Wohngebiet auf die dazugehörige Straße, damit auch hier dementsprechende Verantwortung gezeigt werden kann (vgl. Newman 1972: 4). Im Gegensatz dazu fühlen sich die meisten Menschen, die in großen Wohnanlagen wohnen, nur in und auch nur bis zu den Grenzen oder Wänden ihrer Wohnung verantwortlich, um die sie sich dann auch nur kümmern (vgl. Newman 1996: 11).


== Entwicklung der Theorie / Untersuchungsergebnisse ==
== Entwicklung der Theorie / Untersuchungsergebnisse ==
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Mini-neighborhoods (Mini-Nachbarschaften) setzen als planerische Lösung nach Newman die Prinzipien Territorialität, Natürliche Überwachung, Image und Milieu um. Daraus lassen sich folgende architektonische Maßnahmen ableiten, um Räume verteidigungsfähiger und kriminalitätsabwehrender zu gestalten:
Mini-neighborhoods (Mini-Nachbarschaften) setzen als planerische Lösung nach Newman die Prinzipien Territorialität, Natürliche Überwachung, Image und Milieu um. Daraus lassen sich folgende architektonische Maßnahmen ableiten, um Räume verteidigungsfähiger und kriminalitätsabwehrender zu gestalten:


- "'''erstens:''' Verzicht auf den Hochhausbau zugunsten niedrigerer Mehrfamilienhäuser mit nur sechs bis neun Wohnungen pro Hauseingang und Fahrstuhl;
- "'''''erstens:''' Verzicht auf den Hochhausbau zugunsten niedrigerer Mehrfamilienhäuser mit nur sechs bis neun Wohnungen pro Hauseingang und Fahrstuhl;''


- '''zweitens:''' Planung kurzer Korridore mit nur zwei bis vier Wohnungstüren;
- '''''zweitens:''' Planung kurzer Korridore mit nur zwei bis vier Wohnungstüren;''


- '''drittens:''' Eingrenzung der Grundstücke durch Zäune, Hecken, Büsche, Steinstufen usw. (auch für Hochhäuser empfohlen);
- '''''drittens:''' Eingrenzung der Grundstücke durch Zäune, Hecken, Büsche, Steinstufen usw. (auch für Hochhäuser empfohlen);''


- '''viertens:''' Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, die die “territoriale” Haltung der Hausbewohner verstärken: etwa Spielplätze, Sitzbänke für die Alten, Trockenplätze usw.;
- '''''viertens:''' Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, die die “territoriale” Haltung der Hausbewohner verstärken: etwa Spielplätze, Sitzbänke für die Alten, Trockenplätze usw.;''


- '''fünftens:''' Überwachung unübersichtlicher Stellen (etwa der Tiefgaragen) durch (Fernseh-) Monitore bzw. Beleuchtung;
- '''''fünftens:''' Überwachung unübersichtlicher Stellen (etwa der Tiefgaragen) durch (Fernseh-) Monitore bzw. Beleuchtung;''


- '''sechstens:''' visuelle Überwachung von außen (durch die Straßenpassanten): Zum Beispiel gute Einsehbarkeit der Hauseingänge, die nur 30 Meter von der öffentlichen Straße entfernt liegen sollten;
- '''''sechstens:''' visuelle Überwachung von außen (durch die Straßenpassanten): Zum Beispiel gute Einsehbarkeit der Hauseingänge, die nur 30 Meter von der öffentlichen Straße entfernt liegen sollten;''


- '''siebtens:''' Einführung symbolischer Barrieren zur Unterscheidung von öffentlichem und privatem Raum: etwa durch eine unterschiedliche Pflasterung des Gehwegs bzw. der Zugangswege zum Wohnblock.
- '''''siebtens:''' Einführung symbolischer Barrieren zur Unterscheidung von öffentlichem und privatem Raum: etwa durch eine unterschiedliche Pflasterung des Gehwegs bzw. der Zugangswege zum Wohnblock.''"
   
   
(Schwind 2013: 359; vgl. Jehle 2001: 33).
(Schwind 2013: 359; vgl. Jehle 2001: 33).
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