Czernowitz: Unterschied zwischen den Versionen

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In Czernowitz (bzw. Tschernowitz; ukrainisch Чернівці/Tscherniwzi; russisch Черновцы/Tschernowzy, rumänisch Cernăuţi, polnisch Czerniowce), Hauptstadt der Bukowina im Karpatenvorland, heute in der westlichen Ukraine gelegen, wurde 1875 anlässlich der 100jährigen Zugehörigkeit zu Österreich von Kaiser Franz-Joseph I. eine deutsche Universität gegründet: die Franz-Josephs-Universität Czernowitz.
Die heute zur Ukraine gehörende Stadt '''Czernowitz''' (bzw. Tschernowitz; ukrainisch Чернівці/Tscherniwzi; russisch Черновцы/Tschernowzy, rumänisch Cernăuţi, polnisch Czerniowce) war bis zum Zweiten Weltkrieg ein vielsprachiges und multiethnisches Zentrum geistigen Lebens mit einer reichhaltigen jiddischen Kultur, vergleichbar dem damaligen Sarajevo oder auch Thessaloniki. Der Kriminologe Franz Exner lehrte an der seinerzeit deutschsprachigen Franz-Josephs-Universität von 1912-1916 und verfasste während dieser Zeit seine "Theorie der Sicherungsmittel" (1914).  


Österreich-Ungarn hörte Ende Oktober 1918 zu bestehen auf. Cisleithanien, das k.k. Österreich, zu dem die Bukowina gehört hatte, zerfiel. Galizien schloss sich, ebenfalls Ende Oktober, dem wieder erstehenden Polen an. Am 15./28. November 1918 (je nach Kalender) wurde die Bukowina von Rumänien annektiert; dies wurde am 10. September 1919 im Vertrag von St. Germain bestätigt. Czernowitz hieß jetzt offiziell Cernăuţi. Am 28. Juni 1940 wurde die Stadt von der Sowjetunion besetzt. 1941 bis 1944 gehörte Czernowitz wieder zu Rumänien, von 1944 bis 1991 als Tschernowzi (oder auch Tscherniwzi) zur Sowjetunion, seit 1991 als Tscherniwzi zur Ukraine.


Seine kulturelle Blüte erlebte Czernowitz während seiner Zugehörigkeit zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie als Hauptstadt des Kronlandes Bukowina. In der Stadt lebten Ukrainer, Rumänen, Polen, Ruthenen, Juden, Roma und Deutsche. Czernowitz war für seine Malerei und Literatur berühmt - und ist es bis heute für seine Architektur, auch wenn die Zeichen des Verfalls unübersehbar sind. Durch die Ermordung der Juden und die Umsiedlung und Vertreibung ganzer Volksgruppen, vor allem der Deutschen und der Rumänen, ging diese Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren. Die jüdische Gemeinde von Czernowitz in der Diaspora hält heute noch durch die Zeitung «Die Stimme» weltweit Kontakt untereinander.
== Kriminologische Forschung in Czernowitz==


Die bedeutendste Sehenswürdigkeit von Czernowitz ist die ehemalige erzbischöfliche Residenz, ein imposanter Ziegelbau auf dem „Bischofsberg“, in dem seit sowjetischer Zeit die Universität untergebracht ist. Zuvor befand sich die 1875 gegründete Universität teilweise im Pädagogium in der Bischofsgasse, teilweise (Naturwissenschaften) im Priesterhaus bei der Residenz (nebst verschiedenen Sammlungen).
=== Kultureller Kontext ===


Des Weiteren ist der Kuppelbau der im Stile der Sankt-Petersburger Isaakskathedrale gebauten, 1864 vollendeten griechisch-orthodoxen Kathedrale am Franz-Josephs-Platz und das Opernhaus hervorzuheben.
Seine kulturelle Blüte erlebte Czernowitz als Vielvölkerstadt mit Ukrainern, Polen, Rumänen, Ruthenen, Juden, Roma und Deutschen während seiner Zugehörigkeit zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie und Hauptstadt des "Kronlandes" Bukowina. Aus Czernowitz stammten u.a. der Rechtssoziologe Eugen Ehrlich (1862-1922), der Biochemiker Erwin Chargaff (1905–2002), der Schriftsteller Gregor von Rezzori (1914-1998), die Kunsthistorikerin (und Ehefrau von Hermann Hesse) Ninon Ausländer (1895–1966), die Lyrikerin Rose Ausländer (1901–1988), die deutschsprachige jüdische und chinesische Schriftstellerin Klara Blum (1904-1971) und der Dichter Paul Celan (1920-1970). Wilhelm Reich und Wilhelm Stekel gingen in Czernowitz aufs Gymnasium. Der letzte jiddischsprachige Dichter aus und in Czernowitz war Josef Burg (1912-2009).  


Im Jahr 1904 wurde mit dem Bau des vom Architektenbüro Fellner und Helmer geplanten neuen Theatergebäudes in Czernowitz begonnen. Die Eröffnung erfolgte nach 14 Monaten Bauzeit am 3. Oktober 1905 als "Czernowitzer deutsches Stadttheater".
Durch die Ermordung der Juden und die Umsiedlung und Vertreibung ganzer Volksgruppen, vor allem der Deutschen und der Rumänen, ging diese Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren. Die jüdische Gemeinde von Czernowitz in der Diaspora hält heute noch durch die Zeitung «Die Stimme» weltweit Kontakt untereinander.
Von 1907 bis 1922 stand vor dem Theater ein Denkmal von Friedrich Schiller und seit 1980 befindet sich dort eines der ukrainischen Nationaldichterin Olga Kobylanska.  


== Söhne und Töchter der Stadt ==
=== Universität ===
[[Datei:398px-Former Franz-Joseph University in Chernovci.jpg|miniatur|ehemalige Franz-Josephs-Universität in Czernowitz]]Die Franz-Josephs-Universität Czernowitz war 1875 anlässlich der 100jährigen Zugehörigkeit zu Österreich von Constantin Tomaszczuk gegründet worden. Sie befand sich teilweise im Pädagogium in der Bischofsgasse, teilweise (Naturwissenschaften und verschiedene Sammlungen) im Priesterhaus bei der erzbischöflichen Residenz. Bis zum Ende der deutschen Universität im Jahre 1918 lehrten dort u.a. Joseph Schumpeter (1909-1911), Friedrich von Kleinwächter, Eugen Ehrlich und Franz Exner. Als die Monarchie zerfiel, hörte auch "Cisleithanien", der Teil der Monarchie, zu dem die Bukowina gehört hatte, zu bestehen auf. Czernowitz gehörte kurz zu Polen (Oktober/November 1918) und dann als Cernăuţi - unterbrochen durch eine kurze erste sowjetische Besatzung (1940) zu Rumänien (November 1918-1944), gefolgt von einer erneuten sowjetischen Herrschaft (1944-1991), die u.a. den Sitz der Universität in die ehemalige erzbischöfliche Residenz verlegte. Seit 1991 ist Tscherniwzi Teil der Ukraine und die Universität heißt Yuri Fedkovych National University Tscherniwzi.


    * Aharon Appelfeld (1932), jüdischer Schriftsteller
=== Franz Exner ===
    * Ninon Ausländer (1895–1966), Kunsthistorikerin und Ehefrau von Hermann Hesse
Der Strafrechtler und Kriminologe [[Franz Exner]] lehrte von 1912-1916 an der Universität Czernowitz. Er verfaßte während dieser Zeit seine [[Kriminalpolitik|kriminalpolitische]] Schrift "Die Theorie der Sicherungsmittel" (1914), in der er sich für ein zweispuriges, aus [[Strafen]] und [[Maßnahmen]] bestehendes [[Strafrecht]] stark machte.
    * Rose Ausländer (1901–1988), Lyrikerin
    * Charles K. Bliss (1897–1985), Erfinder der Bliss-Symbole
    * Klara Blum (1904–1971), deutschsprachige, jüdische, chinesische Schriftstellerin
    * Karl Bodek, Maler, malte an den Wandbildern von Les Milles mit.
    * Josef Burg (* 1912), letzter lebender polnischer jiddischsprachiger Dichter in Czernowitz
    * Paul Celan (1920–1970), Dichter
    * Alfred Gong (* 1920 als Alfred Liquornik; † 1981), deutschsprachiger Schriftsteller
    * Georg Drozdowski (1899 Czernowitz–1987 Klagenfurt), Journalist, Schriftsteller, Übersetzer und Schauspieler
    * Erwin Chargaff (1905–2002), Biochemiker
    * Eugen Ehrlich (1862–1922), Rechtssoziologe
    * Maria Forescu (1875–1943), rumänische Operettensängerin und Filmschauspielerin
    * Joseph Gregor (1888–1960), Theaterwissenschaftler und Librettist
    * Friedrich Kiesler (1890–1965) Architekt und Visinonär
    * Rudolf Kommer (1885–1943), Schriftsteller
    * Oskar Laske (1874–1951), Maler
    * Eusebius Mandyczewski (1857–1929), Musikwissenschaftler und Komponist, Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
    * Itzig Manger (1901–1969), jüdischer Schriftsteller, der in jiddischer Sprache schrieb
    * Georg Marco (1863–1923), österreichischer Schachmeister und Autor
    * Selma Meerbaum-Eisinger (1924–1942), Dichterin
    * Carol Miculi (1821–1892), rumänischer Pianist und Komponist, Schüler von Frédéric Chopin
    * Anton Pawlowski (* 20. Juni 1830; † 28. April 1901), k.u.k Oberbaurat, Kommandeur des königlich-rumänischen Kronenordens Ehrenphilister des akad. Corps Alemannia etc.
    * Michail Prodan (1912–2002), Forstwissenschaftler
    * Gregor von Rezzori (1914–1998), Schriftsteller und Journalist
    * Walther Rode (1876–1934), Schriftsteller, Rechtsanwalt
    * Victor von Röll (1852–1922), österreichischer Ministerialbeamter, Publizist
    * Ludwig Rottenberg (1864–1932), Dirigent und Komponist
    * Elieser Steinbarg (1880–1932), jüdischer Schriftsteller, der in jiddischer Sprache schrieb
    * Stefanie von Turetzki (1868–1929), Gründerin des 1. Mädchenlyzeums in der k.u.k. Monarchie in Czernowitz
    * Viorica Ursuleac (1894–1985), rumänische Opernsängerin (dramatischer Sopran)
    * James Immanuel Weissglas (1920–1979), Übersetzer und Lyriker
    * Zvi Yavetz (* 1925), israelischer Althistoriker
    * James Kok (* 1902-1976), rumänischer Musiker
 
Sonstige Persönlichkeiten [Bearbeiten]
 
    * Antonin Borovec, auch Anton Borowetz (1870–1925), Tschechoslowakischer Diplomat in Czernowitz, Begründer des „Sozial innovativen Konzeptes für Witwen und Waisen.“
    * Karl Emil Franzos (1848–1904), Schriftsteller und Publizist, wuchs in Czernowitz auf und setzte dem jüdischen Ghetto ein literarisches Denkmal: „Die Juden von Barnow“ (1905)
    * Gala Galaction, eigentlich Grigore Pisculescu (1879–1961), Schriftsteller
    * Anton Keschmann (1870–1947), Bezirkshauptmann und Abgeordneter zum Reichsrat, setzte sich für die Vertriebenen aus der Bukowina ein, später. Senatspräsident des österr. Verwaltungsgerichtshofes
    * Friedrich F.G. Kleinwächter (1877–1959), Jurist, studierte in Czernowitz
    * Friedrich von Kleinwächter (1838–1927), Nationalökonom, lehrte in Czernowitz
    * Alfred Margul-Sperber (1898–1967), Dichter und Übersetzer
    * Andreas Mikulicz, Architekt
    * Wilhelm Reich (1897–1957), Psychoanalytiker und Sexualforscher, geb. in Dobzau, ging in Czernowitz zur Schule
    * Moses Rosenkranz (1904–2003), Dichter
    * Joseph Schmidt (1904–1942), Sänger (Tenor), geboren im nahen Dawideny
    * Joseph Schumpeter (1883–1950), Volkswirtschaftler und Finanzminister, 1909–1911 Professor in Czernowitz
    * Wilhelm Stekel (1868–1940), Psychoanalytiker und Sexualforscher, geboren in Bojan, Bukowina, wuchs in Czernowitz auf und besuchte das Gymnasium
    * Alexander Supan, Geograph
    * Constantin Tomaszczuk, Gründer der Universität Czernowitz


== Literatur ==
== Literatur ==
 
* Adorján, Johanna (2008) Es gibt keinen Hass. Es ist ein Wunder. Josef Burg lebt in Czernowitz und schreibt Jiddisch. Besuch bei einem Dichter, dessen Sprache fast verschwunden ist. FAZ 14.12.2008: 25.
    * Helmut Braun (Hrsg.): Czernowitz: Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole, Ch. Links Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-86153-374-X
* Braun, Helmut, Hg. (2005) Czernowitz: Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole, Ch. Links Verlag, Berlin.
    * Gaby Coldewey (Hrsg.): Zwischen Pruth und Jordan, Lebenserinnerungen Czernowitzer Juden, Köln 2003.
* Brzinka, Wolfgang, Hg. (2008) Pädagogik in Osterreich: Die Geschichte des Faches an den Universitaten vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Band 3: Padagogik an den Universitaten Czernowitz, Salzburg und Linz (German Edition).
    * Andrei Corbea-Hoisie: Czernowitzer Geschichten. Über eine städtische Kultur in Mittel(Ost)-Europa. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, 2003, ISBN 3-205-77034-X
* Coldewey, Gaby, Hg. (2003) Zwischen Pruth und Jordan, Lebenserinnerungen Czernowitzer Juden, Köln.
    * Andrei Corbea-Hoisie (Hrsg.): Jüdisches Städtebild Czernowitz. Frankfurt/Main 1998.
* Corbea-Hoisie, Andrei (2003) Czernowitzer Geschichten. Über eine städtische Kultur in Mittel(Ost)-Europa. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar.
    * Cecile Cordon und Helmut Kusdat (Hrsg.): An der Zeiten Ränder. Czernowitz und die Bukowina. Geschichte - Literatur - Verfolgung - Exil. Wien 2002, ISBN 3-901602-16-X
* Corbea-Hoisie, Andrei, Hg. (1998) Jüdisches Städtebild Czernowitz. Frankfurt/Main.
    * Harald Heppner (Hrsg.): Czernowitz. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt. Böhlau Verlag, Köln 2000, ISBN 3-412-04900-X
* Cordon, Cecile & Kusdat, Helmut, Hg. (2002) An der Zeiten Ränder. Czernowitz und die Bukowina. Geschichte - Literatur - Verfolgung - Exil. Wien.
    * Florence Heymann: Le Crépuscule des Lieux. Identités Juives de Czernowitz. Paris 2003.
* Heppner, Harald (2000) Czernowitz. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt. Böhlau Verlag, Köln.
    * Kurt Scharr: Städtische Transformationsprozesse in der Westukraine seit der Unabhängigkeit 1991 am Beispiel der Entwicklung von Czernowitz. Eine Bestandsaufnahme. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft. 146. 2004, S. 125–146.
* Heymann,Florence (2004) Le Crépuscule des Lieux. Identités Juives de Czernowitz. Paris 2003.
* Marciano, Francesca (2005) Czernowitz.
* Martens, Michael (2009) Der letzte Zeuge. Zum Todes des jiddischen Dichters Josef Burg. FAZ 12.08.09: 29.
*Rotter, Verena (2005) Mythos Czernowitz.
* Scharr, Kurt (2004): Städtische Transformationsprozesse in der Westukraine seit der Unabhängigkeit 1991 am Beispiel der Entwicklung von Czernowitz. Eine Bestandsaufnahme. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft. 146: 125–146.
* Sommerfeld, Edith Elefant (2006) Too Small to Matter.
* Yavetz, Zvi (2007) Erinnerungen an Czernowitz.


== Filme ==
== Filme ==
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== Links ==  
== Links ==  
Commons Commons: Czernowitz – Bilder, Videos und Audiodateien
siehe: „http://de.wikipedia.org/wiki/Czernowitz“
 
* Internetpräsenz der Stadt Czernowitz
* www.czernowitz.de, Czernowitz Bukowina - Wo Menschen und Bücher lebten
* Czernowitzer Straßenreferenz in vier Sprachen
* City of Five Languages - Bilder aus Czernowitz
* Sergij Osatschuk: Czernowitz heute und der Umgang mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe
* Private Internetseite Mythos-Czernowitz.de
* „Eislaken auf Feldern. Eine Lange Nacht über die jüdische Kulturmetropole Czernowitz“, Deutschlandfunk, 19. Februar 2000
 
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Czernowitz“

Aktuelle Version vom 14. September 2010, 21:52 Uhr

Die heute zur Ukraine gehörende Stadt Czernowitz (bzw. Tschernowitz; ukrainisch Чернівці/Tscherniwzi; russisch Черновцы/Tschernowzy, rumänisch Cernăuţi, polnisch Czerniowce) war bis zum Zweiten Weltkrieg ein vielsprachiges und multiethnisches Zentrum geistigen Lebens mit einer reichhaltigen jiddischen Kultur, vergleichbar dem damaligen Sarajevo oder auch Thessaloniki. Der Kriminologe Franz Exner lehrte an der seinerzeit deutschsprachigen Franz-Josephs-Universität von 1912-1916 und verfasste während dieser Zeit seine "Theorie der Sicherungsmittel" (1914).


Kriminologische Forschung in Czernowitz

Kultureller Kontext

Seine kulturelle Blüte erlebte Czernowitz als Vielvölkerstadt mit Ukrainern, Polen, Rumänen, Ruthenen, Juden, Roma und Deutschen während seiner Zugehörigkeit zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie und Hauptstadt des "Kronlandes" Bukowina. Aus Czernowitz stammten u.a. der Rechtssoziologe Eugen Ehrlich (1862-1922), der Biochemiker Erwin Chargaff (1905–2002), der Schriftsteller Gregor von Rezzori (1914-1998), die Kunsthistorikerin (und Ehefrau von Hermann Hesse) Ninon Ausländer (1895–1966), die Lyrikerin Rose Ausländer (1901–1988), die deutschsprachige jüdische und chinesische Schriftstellerin Klara Blum (1904-1971) und der Dichter Paul Celan (1920-1970). Wilhelm Reich und Wilhelm Stekel gingen in Czernowitz aufs Gymnasium. Der letzte jiddischsprachige Dichter aus und in Czernowitz war Josef Burg (1912-2009).

Durch die Ermordung der Juden und die Umsiedlung und Vertreibung ganzer Volksgruppen, vor allem der Deutschen und der Rumänen, ging diese Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren. Die jüdische Gemeinde von Czernowitz in der Diaspora hält heute noch durch die Zeitung «Die Stimme» weltweit Kontakt untereinander.

Universität

ehemalige Franz-Josephs-Universität in Czernowitz

Die Franz-Josephs-Universität Czernowitz war 1875 anlässlich der 100jährigen Zugehörigkeit zu Österreich von Constantin Tomaszczuk gegründet worden. Sie befand sich teilweise im Pädagogium in der Bischofsgasse, teilweise (Naturwissenschaften und verschiedene Sammlungen) im Priesterhaus bei der erzbischöflichen Residenz. Bis zum Ende der deutschen Universität im Jahre 1918 lehrten dort u.a. Joseph Schumpeter (1909-1911), Friedrich von Kleinwächter, Eugen Ehrlich und Franz Exner. Als die Monarchie zerfiel, hörte auch "Cisleithanien", der Teil der Monarchie, zu dem die Bukowina gehört hatte, zu bestehen auf. Czernowitz gehörte kurz zu Polen (Oktober/November 1918) und dann als Cernăuţi - unterbrochen durch eine kurze erste sowjetische Besatzung (1940) zu Rumänien (November 1918-1944), gefolgt von einer erneuten sowjetischen Herrschaft (1944-1991), die u.a. den Sitz der Universität in die ehemalige erzbischöfliche Residenz verlegte. Seit 1991 ist Tscherniwzi Teil der Ukraine und die Universität heißt Yuri Fedkovych National University Tscherniwzi.

Franz Exner

Der Strafrechtler und Kriminologe Franz Exner lehrte von 1912-1916 an der Universität Czernowitz. Er verfaßte während dieser Zeit seine kriminalpolitische Schrift "Die Theorie der Sicherungsmittel" (1914), in der er sich für ein zweispuriges, aus Strafen und Maßnahmen bestehendes Strafrecht stark machte.

Literatur

  • Adorján, Johanna (2008) Es gibt keinen Hass. Es ist ein Wunder. Josef Burg lebt in Czernowitz und schreibt Jiddisch. Besuch bei einem Dichter, dessen Sprache fast verschwunden ist. FAZ 14.12.2008: 25.
  • Braun, Helmut, Hg. (2005) Czernowitz: Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole, Ch. Links Verlag, Berlin.
  • Brzinka, Wolfgang, Hg. (2008) Pädagogik in Osterreich: Die Geschichte des Faches an den Universitaten vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Band 3: Padagogik an den Universitaten Czernowitz, Salzburg und Linz (German Edition).
  • Coldewey, Gaby, Hg. (2003) Zwischen Pruth und Jordan, Lebenserinnerungen Czernowitzer Juden, Köln.
  • Corbea-Hoisie, Andrei (2003) Czernowitzer Geschichten. Über eine städtische Kultur in Mittel(Ost)-Europa. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar.
  • Corbea-Hoisie, Andrei, Hg. (1998) Jüdisches Städtebild Czernowitz. Frankfurt/Main.
  • Cordon, Cecile & Kusdat, Helmut, Hg. (2002) An der Zeiten Ränder. Czernowitz und die Bukowina. Geschichte - Literatur - Verfolgung - Exil. Wien.
  • Heppner, Harald (2000) Czernowitz. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt. Böhlau Verlag, Köln.
  • Heymann,Florence (2004) Le Crépuscule des Lieux. Identités Juives de Czernowitz. Paris 2003.
  • Marciano, Francesca (2005) Czernowitz.
  • Martens, Michael (2009) Der letzte Zeuge. Zum Todes des jiddischen Dichters Josef Burg. FAZ 12.08.09: 29.
  • Rotter, Verena (2005) Mythos Czernowitz.
  • Scharr, Kurt (2004): Städtische Transformationsprozesse in der Westukraine seit der Unabhängigkeit 1991 am Beispiel der Entwicklung von Czernowitz. Eine Bestandsaufnahme. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft. 146: 125–146.
  • Sommerfeld, Edith Elefant (2006) Too Small to Matter.
  • Yavetz, Zvi (2007) Erinnerungen an Czernowitz.

Filme

  • „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“, Deutschland 1998/1999, Dokumentarfilm, 132 Min., Regie: Volker Koepp
  • „Dieses Jahr in Czernowitz“, Deutschland 2003/2004, Dokumentarfilm, 134 Min., Regie: Volker Koepp
  • „Czernowitz, einstige Kronstadt der K.K. Österreich-Ungarischen Monarchie“, Deutschland 2006, Doku-film, 80 Min., Produzenten: Oksana Czarny, geb. Nakonechna und Reinhold Czarny - RCP -;
  • "Bukovina Style - Czernowitz, Gestern und Heute" Deutschland 2008; medienpädagogisches Dokumentarfilmprojekt 36 Min. Regie: Stefan Koeck, Drehbuch und Redaktion: Michael Petrowitz

Links

siehe: „http://de.wikipedia.org/wiki/Czernowitz“