Curveball

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"Curveball" war der Deckname eines irakischen Ingenieurs und Hochstaplers (Rafid Ahmed A.), der die falschen Informationen über mobile Biowaffenanlagen lieferte, die im Februar 2003 von Colin Powell im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Beweismaterial präsentierte und die von den USA als Hauptargument für den Irak-Krieg vom März 2003 benutzt wurden. "Curveball" war im November 1999 als Aslybewerber auf dem Münchner Flughafen bei der Bundespolizei vorstellig geworden und hatte sozusagen im Tausch sein "Wissen" dargeboten: mit 28 Jahren sei er von Saddam Husseins Regierung angeworben worden, um in einer angeblichen "Saatgutwaschanlage" bei Bagdad an der geheimen Entwicklung von Massenvernichtungswaffen mitzuarbeiten und insbesondere mobile Biowaffenanlagen auf Lkw-Anhängern zu konstruieren. Der Bundesnachrichtendienst schenkte dem Mann bald Vertrauen und informierte später auch den amerikanischen Militärgeheimdienst DIA, der ihm den Decknamen Curveball verlieh. Da der BND den USA erklärte, ihr Mann - der vom BND inzwischen Geld, Identität und Aufenthaltsrecht bekommen hatte - hasse Amerikaner und wolle nicht mit ihnen sprechen, blieb "Curveball" in der Zuständigkeit des BND.

Zweifel kamen dem BND ab 2000 an der Richtigkeit der Geschichten; vielleicht auch deshalb lehnte der BND in der Zeit nach dem 11. September 2001, als die USA sich der Quelle entsannen, das Ersuchen ab, dass Curveball oder sein Betreuer als Zeuge vor den Vereinten Nationen auftreten sollten (Brief des BND-Chefs August Hanning an seinen CIA-Kollegen George Tenet vom 20. Dezember 2002).

Der BND erlaubte der CIA die Nutzung der Informationen über "mobile Kampfstoffanlagen" unter der Bedingung des Verschweigens der Quelle (die der BND ausdrücklich als "unsicher" einstufte). Daraufhin präsentierte der US-Außenminister Powell am 5. Februar 2003 dem UN-Sicherheitsrat Zeichnungen von den angeblichen geheimen irakischen Waffenprogrammen und sprach von "Augenzeugen" und "Beweisen": "Es waren die Geschichten von 'Curveball'. Powell wusste nicht, dass innerhalb der CIA längst ein wüster Streit um die Glaubwürdigketi des Informanten tobte, der beispielsweise vom Chef der Europa-Abteilung, Tyler Drumheller, für einen Hochstapler gehalten wurde. Drei Tage nach Powells Rede inspizierten UN-Waffeninspektoren die von 'Curveball' bezeichneten Orte und fanden nichts, was auf Waffenproduktion schließen ließ. Ab Sommer 2003 untersuchte die CIA in Bagdad die Lebensgeschichte des Informanten und fand nichts als Lügen" (Carstens 2008: 7).


Literatur

  • Carstens, Peter (2008) Waffe der Massendesinformation. Der Märchenerzähler 'Curveball' und der Weg in den Irak-Krieg. FAZ 22.02.08: 7.
  • Drogin, Bob (2007) Curevall. Spies, Lies, and the Con Man Who Caused a War. New York: Random House.