Corporate Compliance: Unterschied zwischen den Versionen

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Infolge veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen und gestiegenen Stakeholder-Anforderungen sehen sich Unternehmen zunehmend mit wachsenden Risiken aus Vertößen gegen Gesetze und sonstigen Regularien konfrontiert. Dieser Entwicklung wird seitens der Unternehmen durch die Einführung von Maßnahmen im Bereich Compliance begegnet. Nach einer [http://www.pwc.de/portal/pub/!ut/p/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4p3dgoFSYGYLm4W-pEQhgtEzCDeESESpO-t7-uRn5uqH6BfkBsaUe7oqAgAqOmMDA!!?siteArea=49c4e38420924a4b&content=e5443d0c39aa527&topNavNode=49c4e38420924a4b: Studie zur Wirtschaftskriminalität 2009] der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers verfügen derzeit 44% deutscher Großunternehmen über derartige Compliance-Programme.
Infolge veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen und gestiegener Anforderungen seitens der Stakeholder sehen sich Unternehmen zunehmend mit wachsenden Risiken aus Verstößen gegen Gesetze und sonstigen Regularien konfrontiert. Dieser Entwicklung begegnen Unternehmen mit der Einführung von Compliance-Maßnahmen. Nach der Studie [http://www.pwc.de/portal/pub/!ut/p/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4p3dgoFSYGYLm4W-pEQhgtEzCDeESESpO-t7-uRn5uqH6BfkBsaUe7oqAgAqOmMDA!!?siteArea=49c4e38420924a4b&content=e5443d0c39aa527&topNavNode=49c4e38420924a4b: Wirtschaftskriminalität 2009] der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers verfügen derzeit 44 % der deutschen Großunternehmen über derartige Compliance-Programme.




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==Definition und Abgrenzung==
==Definition und Abgrenzung==


Als Compliance wird das Einhalten und Befolgen von Gesetzen und Richtlinien, vertraglicher Verpflichtungen und freiwilliger Selbstverpflichtungen durch Organmitglieder, Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens bezeichnet (Hauschka 2007). Compliance kann somit aus der allgemeinen Organisationsverantwortung (Sorgfaltspflicht) für Vorstände bzw. Geschäftsführer (vgl. §§ 92 AktG, 43 GmbHG) abgeleitet werden. Erstmals kodifiziert wurde der Begriff durch die Aufnhame in den Deutschen Corporate Governance Kodex ([http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/index.html: DCGK]), der eine freiwillige Selbstverpflichtung für deutsche börsennotierte Unternehmen darstellt (s. dazu auch unter Verpflichtung / Non-Compliance).
Compliance bezeichnet das Einhalten und Befolgen von Gesetzen und Richtlinien, vertraglicher Verpflichtungen und freiwilliger Selbstverpflichtungen durch Organmitglieder, Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens (Hauschka 2007). Compliance kann somit aus der allgemeinen Organisationsverantwortung (Sorgfaltspflicht) für Vorstände bzw. Geschäftsführer (vgl. §§ 93 AktG, 43 GmbHG) abgeleitet werden. Erstmals kodifiziert wurde der Begriff durch die Aufnahme in den Deutschen Corporate Governance Kodex ([http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/index.html: DCGK]), der eine freiwillige Selbstverpflichtung für deutsche börsennotierte Unternehmen darstellt (s. dazu auch unter Verpflichtung vs. Non-Compliance).
Bereits vor seiner Kodifizierung hat der Begriff der Compliance Einzug in die Betriebswirtschaft gehalten und wurde dabei in Folge von Bilanz- und Finanzskandalen überwiegend im Zusammenhang mit den Begriffen des "Fraud and Error" (zum Begriff Fraud s. auch '''[[Fraud Tree]]''') im US-amerikanischen Raum, in Deutschland mit den Begriffen der [[Wirtschaftskriminalität]], bzw. (bewusste) Verstöße und unbewusster Unrichtigkeiten in Zusammenhang gebracht. Durch eine mangelnde Compliance können dem Unternehmen Schäden durch wirtschaftskriminelle oder rechtswidrige Handlungen entstehen. Durch seine Kontrollfunktion erfüllt ein Compliance Management System, eine im Unternehmen geschaffene Organisation, die durch verschiedene Maßnahmen bzw. Instrumente die Compliance sicherstellt, einen wesentlichen Beitrag zur Prävention.
Bereits vor seiner Kodifizierung hat der Begriff der Compliance Einzug in die betriebswirtschaftliche Terminologie gehalten. Da bei wurde er in Folge von Bilanz- und Finanzskandalen überwiegend im Zusammenhang mit den Begriffen des "Fraud and Error" (zum Begriff Fraud s. auch [[Fraud Tree]]) im US-amerikanischen Raum, in Deutschland mit dem Begriff der [[Wirtschaftskriminalität]], bzw. (bewusste) Verstöße und unbewusste Unrichtigkeiten in Zusammenhang gebracht.  
Durch eine mangelnde Compliance können dem Unternehmen Schäden durch wirtschaftskriminelle oder rechtswidrige Handlungen entstehen. Durch seine Kontrollfunktion erfüllt ein Compliance-Management-System, eine im Unternehmen geschaffene Organisation, die durch verschiedene Maßnahmen bzw. Instrumente die Compliance sicherstellt, einen wesentlichen Beitrag zur [[Prävention]] wirtschaftskrimineller Handlungen.


Da der Begriff in seiner betriebswirtschaftlichen Bedeutung ausschließlich einen Bezug zu Unternehmen aufweist, wird häufig der Begriff der Corporate (~Unternehmens) Compliance verwendet, auch um einer möglichen Verwechselung mit der Begrifflichkeit aus anderen Disziplinen (bspw. der Medizin) vorzubeugen.
Da der Begriff in seiner betriebswirtschaftlichen Bedeutung ausschließlich einen Bezug zu Unternehmen aufweist, wird häufig der Begriff der Corporate (~Unternehmens) Compliance verwendet - auch um einer möglichen Verwechselung mit der Begrifflichkeit aus anderen Disziplinen (bspw. der Medizin) vorzubeugen. Corporate Compliance ist dabei abzugrenzen von der Begrifflichkeit [[Corporate Governance]], die als weiter gefasster Begriff alle gesetzlichen Regeln und anerkannte Standards einer guten und ordnungsgemäßen Unternehmensführung beschreibt. Corporate Compliance kann daher als Teil der [[Corporate Governance]] beschrieben werden. Ebenfalls zu unterscheiden ist der Begriff von der Corporate Social Responsibility, die die sozialen und ethischen Pflichten der Geschäftsführung eines Unternehmens zusammenfasst und damit über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht.
 
 
 
Corporate Compliance und damit die Fragestellungen über Ursachen und Präventionsmöglichekeiten von [[Wirtschaftskriminalität]] haben seitdem steigende bedeutung erlangt.
 
Corporate Compliance ist dabei abzugrenzen von der Begrifflichkeit [[Corporate Governance]], die als weiter gefasster Begriff alle gesetzlichen Regeln und anerkannte Standards sorgfältiger Unternehmnesführung beschreibt. Compliance ist Teil einer guten und ordnungsgemäßen Unternehmensführung
 
Ebenfalls zu unterscheiden vom Begriff der Corporate Social Responsibility, die soziale und ethische Pflichten der Geschäftsführung zusammenfasst und damit über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht.
 
Maßnahmen sowohl gegen [[Occupational Crime]] (berufsbezogenen Betriebskriminalität) und [[Corporate Crime]] (Unternhemenskriminalität) Straftaten im wirtschaftlichen Interesse eines Unternehmens / persönliche wirtschaftliche Intereesen im Rahmen der Berufsausübung


==Etymologie==
==Etymologie==


Nach der Wortbedeutung entstammt das Nomen Compliance der englischen Sprache und wird übersetzt als das Einverständnis, das Einhalten (~with rules), die Willfährigkeit bzw. die Fügsamkeit. „In compliance with law / our wishes“ wird übersetzt als dem Gesetz / unseren Wünschen gemäß. Das Verb „to comply“ bedeutet einwilligen (einer Person), die Bedingungen erfüllen / den Bedingungen entsprechen (Objekt, System etc.) oder einer Sache entsprechen (to comply with s.th.) bzw. in Einklang mit etw. stehen. In anderen Sprachzusammenhängen wird es übersetzt mit eine Vertragsbedingung erfüllen (~with a clause), einer/m Bitte / Wunsch / Anordnung nachkommen oder entsprechen oder sich an die Regeln halten (~with rules).
Nach der Wortbedeutung entstammt das Nomen Compliance der englischen Sprache und wird übersetzt als das Einverständnis, das Einhalten (~with rules), die Willfährigkeit bzw. die Fügsamkeit. „In compliance with law / our wishes“ wird übersetzt als dem Gesetz / unseren Wünschen gemäß. Das Verb „to comply“ bedeutet einwilligen (einer Person), die Bedingungen erfüllen / den Bedingungen entsprechen (Objekt, System etc.) oder einer Sache entsprechen (to comply with s.th.) bzw. in Einklang mit etw. stehen. In anderen Sprachzusammenhängen wird es übersetzt mit "eine Vertragsbedingung erfüllen" (~with a clause), einer/m Bitte / Wunsch / Anordnung nachkommen oder entsprechen oder sich an die Regeln halten (~with rules).
 
==Verpflichtung / Non-Compliance==


Für einzelne Branchen gibt es hierzu konkrete gesetzliche Vorgaben (bspw. § 25a I KWG, § 33 I Nr. 3 WpHG; SEC-gelistete Unternehmen unterliegen den Compliance-Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Actes). Im Übrigen wird allgemeinhin aus den Haftungs- und Pflichtenregeln für Unternehmensverantwortliche (insbes. § 130 OWiG, §§ 76, 91 II, 116 AktG, § 43 GmbHG) eine Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Maßnahmen gefolgert, die den Anforderungen eines CMS entsprechen.
==Verpflichtung vs. Non-Compliance==


Abgesehen von den Bestimmungen des WpHG gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ob eine Verplichtung zur Einrichtung eines Compliance Management Systems besteht. Zumindest die herrschende Meinung bejaht diese für größere Unternehmen.  
Für einzelne Branchen gibt es konkrete gesetzliche Vorgaben zur Einrichtung eines Compliance-Programms (bspw. § 25a I KWG, § 33 I Nr. 3 WpHG für Kreditinstitute; an der US-Börse gelistete Unternehmen unterliegen den Compliance-Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Acts). Abgesehen von diesen Bestimmungen gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ob eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems besteht. Zumindest die herrschende Meinung bejaht diese für größere Unternehmen und sieht in den Haftungs- und Pflichtenregeln für Unternehmensverantwortliche (insbes. § 130 OWiG, §§ 76, 91 II, 116 AktG, § 43 GmbHG) eine Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Maßnahmen, die den Anforderungen eines Compliance-Management-Systems entsprechen.  


Die Folgen von Non-Compliance ergeben sich somit aus jeder sanktionierenden Norm eine Rechtsgrundlage für die praktische Gebotenheit eines CMS im Unternehmen darstellt. Diese lassen sich unterteilen in Sanktionen gegen das Unternehmen (sog. Business Risks) und wirtschaftliche als auch straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den einzelnen Unternehmensangehörigen, neben den Mitarbeitern auch handelnde Organe (sog. Personal Risks)(Bock 2009).
Die nachteiligen Folgen von Non-Compliance, also der mangelnden Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, führen dazu, dass im Grunde jede sanktionierende Norm eine Rechtsgrundlage für die praktische Gebotenheit eines Compliance-Management-Systems im Unternehmen darstellt. Folgen von Non-Compliance lassen sich dabei nach Bock (2009) in Sanktionen gegen das Unternehmen (sog. Business Risks) und wirtschaftliche als auch straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den einzelnen Mitarbeiter oder handelndes Organ (sog. Personal Risks) unterteilen. Hier eine nicht abschließende Aufzählung:




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*verstärkte Auftragsverluste
*verstärkte Auftragsverluste
*Vertrauensverluste bei Share-, Stakeholdern, Lieferanten und Kunden
*Vertrauensverluste bei Share-, Stakeholdern, Lieferanten und Kunden
*dauerhafter Ausschluss von öffentlichen Vergaben (sog. „blacklisting“).
*dauerhafter Ausschluss von öffentlichen Vergaben (sog. „blacklisting“)
 


Personal Risks*:
Personal Risks*:
*Geld- und in besonders schweren Fällen Haftstrafe
*Geld- und in besonders schweren Fällen Haftstrafen
*Schadensersatzforderungen
*Schadensersatzforderungen
*Abmahnung und Kündigung.
*Abmahnung und Kündigung
 
 
*nicht abschließende Aufzählung
 
==Zielsetzung und Aufbau eines Compliance Management Systems==
 
Ziel jedes Compliance Managment Systems ist das Hinwirken auf die Einhaltung gesetzlicher Normen oder unternehmensdefinierter Vorgaben, um so Haftungsansprüche oder andere Rechtsnachteile für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und Organe zu vermeiden (Hauschka 2008).
Einen Pflichtenkatalog mit konkreten Anforderungen an ein Compliance Management System gibt es aus Gründen einer mangelnden Verpflichtung zur Einrichtung nicht. Es kann daher im Folgenden auch nur von empfehlungen gesprochen werden.
 
Neben einer notwendigen Organisation gibt es verschiedene Maßnahmen / Instrumente für eine effiziente Compliance.


==Zielsetzung und Aufbau eines Compliance-Management-Systems==


 
Ziel jedes Compliance-Management-Systems ist das Hinwirken auf die Einhaltung gesetzlicher Normen oder unternehmensdefinierter Vorgaben, um so Haftungsansprüche oder andere Rechtsnachteile für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und Organe zu vermeiden (Hauschka 2008). Einen Pflichtenkatalog mit konkreten Anforderungen an den Aufbau bzw. mit geforderten (Mindest-) Elementen eines Compliance-Management-System gibt es aus Gründen einer mangelnden Verpflichtung zur Einrichtung bisher nicht. Es kann daher im Folgenden auch nur von Empfehlungen gesprochen werden.
[[Bild:CMS.jpg|thumb|230px|(möglicher) Aufbau eines Compliance Management Systems: eigene Darstellung]]
[[Bild:CMS.jpg|thumb|230px|(möglicher) Aufbau eines Compliance-Management-Systems: eigene Darstellung]]


===Organisation===
===Organisation===


Zuständigkeiten im Hinblick auf die Umsetzung und Überwachung der Compliance-Maßnahmen´werden dabei oftmals auf einen "Compliance-Officer" übertragen, der seine Tätigkeit unabhängig in Form einer Stabsstelle ausführen sollte.
Die Organisation eines Compliance-Management-Systems sollte die Zuständigkeiten sowie die Verantwortung im Hinblick auf dessen Umsetzung und Überwachung genau festlegen.  Diese Tätigkeiten werden dabei oftmals auf einen so genannten Compliance-Officer übertragen, der seine Tätigkeit unabhängig in Form einer Stabsstelle wahrnehmen sollte. Zu einer Organisation gehören dabei auch die Festlegung von Berichts- und Kommunikationswegen, um bei ermittelten Compliance-Verstößen effektiv reagieren zu können.


===Maßnahmen / Instrumente===
===Maßnahmen / Instrumente===


Maßnahmen bzw. Instrumente im Rahmen von Compliance Management Systemen können dabei verschiedene Rechtsgebiete betreffen. Kartellrecht Datenschutzrecht, aber auch zur Verhinderung von Korruption
Maßnahmen bzw. Instrumente im Rahmen von Compliance-Management-Systemen sorgen letztlich dafür, dass Verstöße gegen Gesetze oder unternehmensinterne Regularien auch ermittelt werden können. Diese können dabei gezielt einen gefährdeten Bereich abdecken (bspw. Anti-Korruptions-Schulungen der Mitarbeiter im Bereich Einkauf) oder aber auch einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen (bspw. Hinweisgebersysteme, an die jegliche Art von Verstößen gemeldet werden können).
 
wichtig hierbei immer "tone at the top"
 
====unternehmensinterne Regelwerke====


Unternehmenskultur wird durch ethische Werte geprägt
====Unternehmensinterne Regelwerke====


Unternhemensrichtlinien als eine am Strafrecht orientierte wirtschaftliche Kommunikation beschreiben dabei eine im Unternehmeninteresse ausgeübte und nach innen wirkende [[soziale Kontrolle]] (Theile 2008).
Hierunter fallen u. a. Verhaltenskodizes oder aber auch Korruptionsrichtlinien, die bspw. den Umgang mit Geschenken regeln. Diese Regelwerke enthalten meist einen Katalog von Ver- und Geboten, der auch eine arbeitsrechtlich verbindliche Grundlage für das Verhalten der Mitarbeiter darstellt. Diese Regelwerke mögen sich zwar primär an die Mitarbeiter eines Unternehmens richten, sollten aber ebenso vom Management (vor-)gelebt werden.
Unternehmensinterne Regelwerke als eine am Strafrecht orientierte wirtschaftliche Kommunikation können dabei als eine im Unternehmensinteresse ausgeübte und nach innen wirkende [[soziale Kontrolle]] beschrieben werden (Theile 2008).  


====Hinweisgebersysteme====
====Hinweisgebersysteme====


XXX
Hinweisgebersysteme, auch Whistleblowingsysteme genannt (s. hierzu auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower Whistleblower]), liefern den Mitarbeitern einen Kommunikationskanal, über den sie, auch anonym, Hinweise auf Compliance-Verstöße abgeben können. Zu diesem Zweck werden sowohl telefon- oder internetbasierte Meldesysteme als auch unternehmensin- oder externe Ombudsmänner eingesetzt.


====Mitarbeiterschulungen====
====Mitarbeiterschulungen====


sichergestellt, dass ein Mitarbeiter in der Lage ist, sich in einer kritischen Situation rechts- und richtlinienkonform zu verhalten, um so einer auf Unwissenheit gründenden Strafbarkeit zu entgehen.
Mitarbeiterschulungen stellen sicher, dass ein Mitarbeiter in der Lage ist, sich in einer kritischen Situation rechts- und richtlinienkonform zu verhalten, um so einer auf Unwissenheit gründenden Strafbarkeit zu entgehen. Hierzu werden Compliance-Workshops und praxisnahe Trainings durchgeführt.


==Kriminologische Relevanz==
====Compliance-Audits====


Auf der 11. Wissenschaftliche Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft (KrimG)
Eine regelmäßige Überprüfung des Compliance-Management-Systems ist erforderlich, um dessen Wirksamkeit sicherzustellen. Compliance-Audits decken so Schwachstellen auf und führen zu einer stetigen Verbesserung des Systems.
vom 17.-19. September 2009 wurde das Thema Compliance angesichts aktueller Entwicklungen wie der Bankenkrise erstmals in Form eines praxisorientierten Austauschs mit Unternehmensvertretern diskutiert.


Derzeit fehlt es aber noch an einer entsprechenden empirischen Evaluation der in Unternehmen eingesetzten Maßnahmen, nicht zuletzt begründet durch den nur schweren Zugang zu bestehenden Erkenntnissen seitens der Unternehmen.
==Kriminologische Relevanz==


Für eine interne Kriminalprävention muss eine Unternehmenskultur entwickelt werden, die in allen Bereichen eines Unternehmens auf ethischen Werten, Transparenz und Fairness gründet (Bussmann 2004). Corporate Compliance folgt diesem Ansatz.
Auf der 11. Wissenschaftlichen Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft (KrimG) vom 17.-19. September 2009 wurde das Thema Compliance angesichts aktueller Entwicklungen wie der Bankenkrise erstmals in Form eines praxisorientierten Austauschs mit Unternehmensvertretern diskutiert. Bussmann sprach bereits 2003 von einer "Kriminologie des Managements" und forderte deutsche Wirtschaftsunternehmen zur Unterstützung des Wirtschaftsstrafrechts auf (Bussmann 2003).  
Unternehmenskultur vermag auch die informelle [[soziale Kontrolle]] der Unternehmensangehörigen zu prägen und zwar hinsichtlich einer Kontrollfunktion durch Abschreckung. Aber nicht durch Sanktionen sondern durch soziale Missbilligung auf eine Straftat im persönliche-informellen Umfeld des Täters. Der Täter unterliegt bei steigender
Transparenz einer höheren Entdeckungswahrscheinlichkeit. Dabei steigen ebenfalls die Tathemmungen, da sie Status in der Gemeinschaft nicht gefährden wollen. Als schutzmechanismus entwickeln die Täter daraufhin Rechtfertigungs- und Neutralisationstechniken (Bussmann 2009).


Derzeit fehlt es aber in Deutschland noch an einer entsprechenden empirischen Evaluation der in Unternehmen eingesetzten Compliance-Maßnahmen, nicht zuletzt begründet durch den nur schweren Zugang zu bestehenden Erkenntnissen seitens der Unternehmen. Zur Wirksamkeit von Compliance-Management-Systemen gibt es derzeit nur US-amerikanische Studien und Untersuchungen. Diese belegen jedoch weder eindeutig dessen Wirksamkeit noch dessen Scheitern bzw. die Erfüllung einer "Alibi-Funktion". Als Fazit könne hingegen gelten, dass die Grundlage einer wirksamen Compliance in der Schaffung einer Unternehmenskultur des "do-it-right" besteht (Pape 2009).
Aus kriminologischer Sicht muss für die unternehmensinterne Kriminalprävention eine Unternehmenskultur entwickelt werden, die in allen Bereichen eines Unternehmens auf ethischen Werten, Transparenz und Fairness gründet (Bussmann 2004). Corporate Compliance folgt diesem Ansatz. So wird insbesondere über unternehmensinterne Regelwerke aber auch über deren Absicherung durch weitere Compliance-Maßnahmen [[soziale Kontrolle]] ausgeübt (Theile 2008).


Insbesondere über Unternehmensrichtlinien aber auch über deren Absicherung durch Compliance-Maßnahmen wird [[soziale Kontrolle]] ausgeübt (Theile 2008).
Unternehmenskultur vermag darüber hinaus die informelle [[soziale Kontrolle]] der Unternehmensangehörigen zu prägen. Diese informelle [[soziale Kontrolle]] erfüllt dabei eine wichtige Kontrollfunktion  durch Abschreckung. Hier stehen aber keine Sanktionen wie bspw. die Androhung einer Strafanzeige im Vordergrund, sondern vielmehr eine soziale Missbilligung der Straftat im persönlich-informellen Umfeld des Täters. Der Täter unterliegt bei steigender Transparenz in seinem Unternehmen einer höheren Entdeckungswahrscheinlichkeit. Als Resultat daraus steigen seine Tathemmungen, da er Status und Ansehen in der (Arbeits-)Gemeinschaft nicht gefährden will. Als Schutzmechanismen entwickelt der Täter daraufhin Rechtfertigungs- und [[Neutralisationstechniken]] (Bussmann 2009).


Eine Kriminologie des Managements (Bussmann 2003)
==Literaturliste==


Zur Wirksamkeit von Compliance Management Systemen gibt es derzeit nur US-amerikanische Studien und Untersuchungen. Diese belegen jedoch weder eindeutig dessen Wirksamkeit noch dessen Scheitern bzw. Alibi-Funktion. Als Fazit könne hingegen gelten, dass die Grundlage einer wirksamen Compliance in der Schaffung einer Unternehmenskultur des "do-it-right" besteht (Pape 2009).
*Bock, Dennis (2009): ''Strafrechtliche Aspekte der Compliance-Diskussion - § 130 OWiG alws zentrale Norm der Criminal Compliance'', in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2/2009, S.68-81.
 
==Literaturliste==


*Bock,Dennis (2009): ''Strafrechtliche Aspekte der Compliance-Diskussion - § 130 OWiG alws zentrale Norm der Criminal Compliance'', in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2/2009, S.68-81.
*Bussmann, Kai-D. (2003): ''Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht - Zu einer Kriminologie des Managements'', in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Heft 2, S.89-104.


*Bussmann,Kai-D. (2003): ''Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht - Zu einer Kriminologie des Managements'', in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Heft 2, S.89-104.
*Bussmann, Kai-D. (2004): ''Kriminalprävention durch Business Ethics - Ursachen von Wirtschaftskriminalität und die besondere Bedeutung von Werten'', in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (ZFWU) 5/1, S.35-50.


*Bussmann,Kai-D. (2004): ''Kriminalprävention durch Business Ethics - Ursachen von Wirtschaftskriminalität und die besondere Bedeutung von Werten'', in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (ZFWU) 5/1, S.35-50.
*Bussmann, Kai-D. (2009): ''Steinbeis-Compliance und Integrity Monitor - Nachhaltigkeit durch Mitarbeiterbefragung'', in: Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance (ZRFC) 5/2009, S.220-226.


*Bussmann,Kai-D. (2009): ''Steinbeis-Compliance und Integrity Monitor - Nachhaltigkeit durch Mitarbeiterbefragung'', in: Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance (ZRFC) 5/2009, S.220-226.
*Dieners, Peter (2007): ''Vermeidung von Korruptionsrisiken aus Unternehmenssicht'', in: Dölling, Dieter [Hrsg.]: ''Handbuch der Korruptionsprävention für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung'', 1. Aufl. München: Beck.


*Dieners,Peter (2007): ''Vermeidung von Korruptionsrisiken aus Unternehmenssicht'', in: Dölling,Dieter [Hrsg.]: ''Handbuch der Korruptionsprävention für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung'', 1. Aufl. München: Beck.
*Fecker, Jörg; Kinzl, Ulrich-Peter (2010): ''Ausgestaltung der arbeitsrechtlichen Stellung des Compliance-Officers – Schlussfolgerungen aus der BSR-Entscheidung des BGH'', in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 1/2010, S.13-20.


*Fecker,Jörg und Kinzl,Ulrich-Peter (2010): ''Ausgestaltung der arbeitsrechtlichen Stellung des Compliance-Officers – Schlussfolgerungen aus der BSR-Entscheidung des BGH'', in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 1/2010, S.13-20.
*Hauschka, Christoph [Hrsg.](2007): ''Corporate Compliance - Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen'', 1. Aufl. München, Beck.


*Hauschka,Christoph [Hrsg.](2007): ''Corporate Compliance - Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen'', 1. Aufl. München, Beck.
*Pape, Jonas (2009: ''Zur Wirksamkeit von Corporate Compliance'', in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 6/2009, S.233-236.


*Pape,Jonas (2009: ''Zur Wirksamkeit von Corporate Compliance'', in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 6/2009, S.233-236.
*Scherer, Josef [Hrsg.] (2009): ''Geschäftsführer-Compliance - Praxiswissen zu Pflichten, Haftungsrisiken und Vermeidungsstrategien'', 1. Aufl. Berlin, Schmidt (Erich).


*Scherer,Josef [Hrsg.] (2009): ''Geschäftsführer-Compliance - Praxiswissen zu Pflichten, Haftungsrisiken und Vermeidungsstrategien'', 1. Aufl. Berlin, Schmidt (Erich).
*Schubert, Marco (2008): ''Konzeption und Implementierung eines Compliance-Systems - Kernelemente und Handlungsempfehlungen'', 1. Aufl. Saarbrücken: VDM Dr. Müller.


*Schubert,Marco (2008): ''Konzeption und Implementierung eines Compliance-Systems - Kernelemente und Handlungsempfehlungen'', 1. Aufl. Saarbrücken: VDM Dr. Müller.
*Theile, Hans (2008): ''Unternehmensrichtlinien - Ein Beitrag zur Prävention von Wirtschaftskriminalität?'' in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 9/2008, S.406-418.


*Theile,Hans (2008): ''Unternehmensrichtlinien - Ein Beitrag zur Prävention von Wirtschaftskriminalität?'' in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 9/2008, S.406-418.
*Vetter, Eberhard (2008): ''Compliance in der Unternehmenspraxis'', in: Wecker, Gregor; van Laak, Hendrik [Hrsg.]: ''Compliance in der Unternehmenspraxis - Grundlagen, Organisation und Umsetzung'', 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.


*Vetter,Eberhard (2008): ''Compliance in der Unternehmenspraxis'', in: Wecker,Gregor und van Laak,Hendrik [Hrsg.]: ''Compliance in der Unternehmenspraxis - Grunddlagen, Organisation und Umsetzung'', 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
*Wecker, Gregor; Galla, Stefan (2008): ''Pflichten der Geschäftsleitung & Aufbau einer Compliance Organisation'', in: Wecker, Gregor; van Laak, Hendrik [Hrsg.]: ''Compliance in der Unternehmenspraxis - Grundlagen, Organisation und Umsetzung'', 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.


*Wecker,Gregor und Galla,Stefan (2008): ''Pflichten der Geschäftsleitung & Aufbau einer Compliance Organisation'', in: Wecker,Gregor und van Laak,Hendrik [Hrsg.]: ''Compliance in der Unternehmenspraxis - Grunddlagen, Organisation und Umsetzung'', 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
*Wieland, Josef; Steinmeyer, Roland; Grüninger, Stephan [Hrsg.] (2010): ''Handbuch Compliance-Management - Konzeptionelle Grundlagen, praktische Erfolgsfaktoren, globale Herausforderungen'', 1. Aufl. Berlin: Schmidt (Erich).


==Links==
==Links==
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*Society of Corporate Compliance and Ethics (SCCE) [http://www.corporatecompliance.org: www.corporatecompliance.org]
*Society of Corporate Compliance and Ethics (SCCE) [http://www.corporatecompliance.org: www.corporatecompliance.org]
* Transparency International Deitschland e.V. [http://www.transparency.de: www.transparency.de]
* Transparency International Deitschland e.V. [http://www.transparency.de: www.transparency.de]
WBMA Kriminologie 2009/10, Prüfungsleistung Modul 1

Aktuelle Version vom 18. März 2010, 10:50 Uhr

Infolge veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen und gestiegener Anforderungen seitens der Stakeholder sehen sich Unternehmen zunehmend mit wachsenden Risiken aus Verstößen gegen Gesetze und sonstigen Regularien konfrontiert. Dieser Entwicklung begegnen Unternehmen mit der Einführung von Compliance-Maßnahmen. Nach der Studie Wirtschaftskriminalität 2009 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers verfügen derzeit 44 % der deutschen Großunternehmen über derartige Compliance-Programme.


Definition und Abgrenzung

Compliance bezeichnet das Einhalten und Befolgen von Gesetzen und Richtlinien, vertraglicher Verpflichtungen und freiwilliger Selbstverpflichtungen durch Organmitglieder, Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens (Hauschka 2007). Compliance kann somit aus der allgemeinen Organisationsverantwortung (Sorgfaltspflicht) für Vorstände bzw. Geschäftsführer (vgl. §§ 93 AktG, 43 GmbHG) abgeleitet werden. Erstmals kodifiziert wurde der Begriff durch die Aufnahme in den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der eine freiwillige Selbstverpflichtung für deutsche börsennotierte Unternehmen darstellt (s. dazu auch unter Verpflichtung vs. Non-Compliance). Bereits vor seiner Kodifizierung hat der Begriff der Compliance Einzug in die betriebswirtschaftliche Terminologie gehalten. Da bei wurde er in Folge von Bilanz- und Finanzskandalen überwiegend im Zusammenhang mit den Begriffen des "Fraud and Error" (zum Begriff Fraud s. auch Fraud Tree) im US-amerikanischen Raum, in Deutschland mit dem Begriff der Wirtschaftskriminalität, bzw. (bewusste) Verstöße und unbewusste Unrichtigkeiten in Zusammenhang gebracht. Durch eine mangelnde Compliance können dem Unternehmen Schäden durch wirtschaftskriminelle oder rechtswidrige Handlungen entstehen. Durch seine Kontrollfunktion erfüllt ein Compliance-Management-System, eine im Unternehmen geschaffene Organisation, die durch verschiedene Maßnahmen bzw. Instrumente die Compliance sicherstellt, einen wesentlichen Beitrag zur Prävention wirtschaftskrimineller Handlungen.

Da der Begriff in seiner betriebswirtschaftlichen Bedeutung ausschließlich einen Bezug zu Unternehmen aufweist, wird häufig der Begriff der Corporate (~Unternehmens) Compliance verwendet - auch um einer möglichen Verwechselung mit der Begrifflichkeit aus anderen Disziplinen (bspw. der Medizin) vorzubeugen. Corporate Compliance ist dabei abzugrenzen von der Begrifflichkeit Corporate Governance, die als weiter gefasster Begriff alle gesetzlichen Regeln und anerkannte Standards einer guten und ordnungsgemäßen Unternehmensführung beschreibt. Corporate Compliance kann daher als Teil der Corporate Governance beschrieben werden. Ebenfalls zu unterscheiden ist der Begriff von der Corporate Social Responsibility, die die sozialen und ethischen Pflichten der Geschäftsführung eines Unternehmens zusammenfasst und damit über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht.

Etymologie

Nach der Wortbedeutung entstammt das Nomen Compliance der englischen Sprache und wird übersetzt als das Einverständnis, das Einhalten (~with rules), die Willfährigkeit bzw. die Fügsamkeit. „In compliance with law / our wishes“ wird übersetzt als dem Gesetz / unseren Wünschen gemäß. Das Verb „to comply“ bedeutet einwilligen (einer Person), die Bedingungen erfüllen / den Bedingungen entsprechen (Objekt, System etc.) oder einer Sache entsprechen (to comply with s.th.) bzw. in Einklang mit etw. stehen. In anderen Sprachzusammenhängen wird es übersetzt mit "eine Vertragsbedingung erfüllen" (~with a clause), einer/m Bitte / Wunsch / Anordnung nachkommen oder entsprechen oder sich an die Regeln halten (~with rules).

Verpflichtung vs. Non-Compliance

Für einzelne Branchen gibt es konkrete gesetzliche Vorgaben zur Einrichtung eines Compliance-Programms (bspw. § 25a I KWG, § 33 I Nr. 3 WpHG für Kreditinstitute; an der US-Börse gelistete Unternehmen unterliegen den Compliance-Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Acts). Abgesehen von diesen Bestimmungen gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ob eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems besteht. Zumindest die herrschende Meinung bejaht diese für größere Unternehmen und sieht in den Haftungs- und Pflichtenregeln für Unternehmensverantwortliche (insbes. § 130 OWiG, §§ 76, 91 II, 116 AktG, § 43 GmbHG) eine Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Maßnahmen, die den Anforderungen eines Compliance-Management-Systems entsprechen.

Die nachteiligen Folgen von Non-Compliance, also der mangelnden Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, führen dazu, dass im Grunde jede sanktionierende Norm eine Rechtsgrundlage für die praktische Gebotenheit eines Compliance-Management-Systems im Unternehmen darstellt. Folgen von Non-Compliance lassen sich dabei nach Bock (2009) in Sanktionen gegen das Unternehmen (sog. Business Risks) und wirtschaftliche als auch straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den einzelnen Mitarbeiter oder handelndes Organ (sog. Personal Risks) unterteilen. Hier eine nicht abschließende Aufzählung:


Business Risks*:

  • empfindliche Geldbußen (z.B. gemäß § 130 III OWiG Bußgelder bis zu 1 Mio. EUR)
  • Schadensersatzforderungen Dritter
  • schwerwiegende Reputationsschäden / Imageverluste
  • verstärkte Auftragsverluste
  • Vertrauensverluste bei Share-, Stakeholdern, Lieferanten und Kunden
  • dauerhafter Ausschluss von öffentlichen Vergaben (sog. „blacklisting“)


Personal Risks*:

  • Geld- und in besonders schweren Fällen Haftstrafen
  • Schadensersatzforderungen
  • Abmahnung und Kündigung

Zielsetzung und Aufbau eines Compliance-Management-Systems

Ziel jedes Compliance-Management-Systems ist das Hinwirken auf die Einhaltung gesetzlicher Normen oder unternehmensdefinierter Vorgaben, um so Haftungsansprüche oder andere Rechtsnachteile für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und Organe zu vermeiden (Hauschka 2008). Einen Pflichtenkatalog mit konkreten Anforderungen an den Aufbau bzw. mit geforderten (Mindest-) Elementen eines Compliance-Management-System gibt es aus Gründen einer mangelnden Verpflichtung zur Einrichtung bisher nicht. Es kann daher im Folgenden auch nur von Empfehlungen gesprochen werden.

Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Datei fehlt
(möglicher) Aufbau eines Compliance-Management-Systems: eigene Darstellung

Organisation

Die Organisation eines Compliance-Management-Systems sollte die Zuständigkeiten sowie die Verantwortung im Hinblick auf dessen Umsetzung und Überwachung genau festlegen. Diese Tätigkeiten werden dabei oftmals auf einen so genannten Compliance-Officer übertragen, der seine Tätigkeit unabhängig in Form einer Stabsstelle wahrnehmen sollte. Zu einer Organisation gehören dabei auch die Festlegung von Berichts- und Kommunikationswegen, um bei ermittelten Compliance-Verstößen effektiv reagieren zu können.

Maßnahmen / Instrumente

Maßnahmen bzw. Instrumente im Rahmen von Compliance-Management-Systemen sorgen letztlich dafür, dass Verstöße gegen Gesetze oder unternehmensinterne Regularien auch ermittelt werden können. Diese können dabei gezielt einen gefährdeten Bereich abdecken (bspw. Anti-Korruptions-Schulungen der Mitarbeiter im Bereich Einkauf) oder aber auch einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen (bspw. Hinweisgebersysteme, an die jegliche Art von Verstößen gemeldet werden können).

Unternehmensinterne Regelwerke

Hierunter fallen u. a. Verhaltenskodizes oder aber auch Korruptionsrichtlinien, die bspw. den Umgang mit Geschenken regeln. Diese Regelwerke enthalten meist einen Katalog von Ver- und Geboten, der auch eine arbeitsrechtlich verbindliche Grundlage für das Verhalten der Mitarbeiter darstellt. Diese Regelwerke mögen sich zwar primär an die Mitarbeiter eines Unternehmens richten, sollten aber ebenso vom Management (vor-)gelebt werden. Unternehmensinterne Regelwerke als eine am Strafrecht orientierte wirtschaftliche Kommunikation können dabei als eine im Unternehmensinteresse ausgeübte und nach innen wirkende soziale Kontrolle beschrieben werden (Theile 2008).

Hinweisgebersysteme

Hinweisgebersysteme, auch Whistleblowingsysteme genannt (s. hierzu auch Whistleblower), liefern den Mitarbeitern einen Kommunikationskanal, über den sie, auch anonym, Hinweise auf Compliance-Verstöße abgeben können. Zu diesem Zweck werden sowohl telefon- oder internetbasierte Meldesysteme als auch unternehmensin- oder externe Ombudsmänner eingesetzt.

Mitarbeiterschulungen

Mitarbeiterschulungen stellen sicher, dass ein Mitarbeiter in der Lage ist, sich in einer kritischen Situation rechts- und richtlinienkonform zu verhalten, um so einer auf Unwissenheit gründenden Strafbarkeit zu entgehen. Hierzu werden Compliance-Workshops und praxisnahe Trainings durchgeführt.

Compliance-Audits

Eine regelmäßige Überprüfung des Compliance-Management-Systems ist erforderlich, um dessen Wirksamkeit sicherzustellen. Compliance-Audits decken so Schwachstellen auf und führen zu einer stetigen Verbesserung des Systems.

Kriminologische Relevanz

Auf der 11. Wissenschaftlichen Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft (KrimG) vom 17.-19. September 2009 wurde das Thema Compliance angesichts aktueller Entwicklungen wie der Bankenkrise erstmals in Form eines praxisorientierten Austauschs mit Unternehmensvertretern diskutiert. Bussmann sprach bereits 2003 von einer "Kriminologie des Managements" und forderte deutsche Wirtschaftsunternehmen zur Unterstützung des Wirtschaftsstrafrechts auf (Bussmann 2003).

Derzeit fehlt es aber in Deutschland noch an einer entsprechenden empirischen Evaluation der in Unternehmen eingesetzten Compliance-Maßnahmen, nicht zuletzt begründet durch den nur schweren Zugang zu bestehenden Erkenntnissen seitens der Unternehmen. Zur Wirksamkeit von Compliance-Management-Systemen gibt es derzeit nur US-amerikanische Studien und Untersuchungen. Diese belegen jedoch weder eindeutig dessen Wirksamkeit noch dessen Scheitern bzw. die Erfüllung einer "Alibi-Funktion". Als Fazit könne hingegen gelten, dass die Grundlage einer wirksamen Compliance in der Schaffung einer Unternehmenskultur des "do-it-right" besteht (Pape 2009). Aus kriminologischer Sicht muss für die unternehmensinterne Kriminalprävention eine Unternehmenskultur entwickelt werden, die in allen Bereichen eines Unternehmens auf ethischen Werten, Transparenz und Fairness gründet (Bussmann 2004). Corporate Compliance folgt diesem Ansatz. So wird insbesondere über unternehmensinterne Regelwerke aber auch über deren Absicherung durch weitere Compliance-Maßnahmen soziale Kontrolle ausgeübt (Theile 2008).

Unternehmenskultur vermag darüber hinaus die informelle soziale Kontrolle der Unternehmensangehörigen zu prägen. Diese informelle soziale Kontrolle erfüllt dabei eine wichtige Kontrollfunktion durch Abschreckung. Hier stehen aber keine Sanktionen wie bspw. die Androhung einer Strafanzeige im Vordergrund, sondern vielmehr eine soziale Missbilligung der Straftat im persönlich-informellen Umfeld des Täters. Der Täter unterliegt bei steigender Transparenz in seinem Unternehmen einer höheren Entdeckungswahrscheinlichkeit. Als Resultat daraus steigen seine Tathemmungen, da er Status und Ansehen in der (Arbeits-)Gemeinschaft nicht gefährden will. Als Schutzmechanismen entwickelt der Täter daraufhin Rechtfertigungs- und Neutralisationstechniken (Bussmann 2009).

Literaturliste

  • Bock, Dennis (2009): Strafrechtliche Aspekte der Compliance-Diskussion - § 130 OWiG alws zentrale Norm der Criminal Compliance, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2/2009, S.68-81.
  • Bussmann, Kai-D. (2003): Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht - Zu einer Kriminologie des Managements, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Heft 2, S.89-104.
  • Bussmann, Kai-D. (2004): Kriminalprävention durch Business Ethics - Ursachen von Wirtschaftskriminalität und die besondere Bedeutung von Werten, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (ZFWU) 5/1, S.35-50.
  • Bussmann, Kai-D. (2009): Steinbeis-Compliance und Integrity Monitor - Nachhaltigkeit durch Mitarbeiterbefragung, in: Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance (ZRFC) 5/2009, S.220-226.
  • Dieners, Peter (2007): Vermeidung von Korruptionsrisiken aus Unternehmenssicht, in: Dölling, Dieter [Hrsg.]: Handbuch der Korruptionsprävention für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung, 1. Aufl. München: Beck.
  • Fecker, Jörg; Kinzl, Ulrich-Peter (2010): Ausgestaltung der arbeitsrechtlichen Stellung des Compliance-Officers – Schlussfolgerungen aus der BSR-Entscheidung des BGH, in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 1/2010, S.13-20.
  • Hauschka, Christoph [Hrsg.](2007): Corporate Compliance - Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, 1. Aufl. München, Beck.
  • Pape, Jonas (2009: Zur Wirksamkeit von Corporate Compliance, in: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 6/2009, S.233-236.
  • Scherer, Josef [Hrsg.] (2009): Geschäftsführer-Compliance - Praxiswissen zu Pflichten, Haftungsrisiken und Vermeidungsstrategien, 1. Aufl. Berlin, Schmidt (Erich).
  • Schubert, Marco (2008): Konzeption und Implementierung eines Compliance-Systems - Kernelemente und Handlungsempfehlungen, 1. Aufl. Saarbrücken: VDM Dr. Müller.
  • Theile, Hans (2008): Unternehmensrichtlinien - Ein Beitrag zur Prävention von Wirtschaftskriminalität? in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 9/2008, S.406-418.
  • Vetter, Eberhard (2008): Compliance in der Unternehmenspraxis, in: Wecker, Gregor; van Laak, Hendrik [Hrsg.]: Compliance in der Unternehmenspraxis - Grundlagen, Organisation und Umsetzung, 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
  • Wecker, Gregor; Galla, Stefan (2008): Pflichten der Geschäftsleitung & Aufbau einer Compliance Organisation, in: Wecker, Gregor; van Laak, Hendrik [Hrsg.]: Compliance in der Unternehmenspraxis - Grundlagen, Organisation und Umsetzung, 1. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
  • Wieland, Josef; Steinmeyer, Roland; Grüninger, Stephan [Hrsg.] (2010): Handbuch Compliance-Management - Konzeptionelle Grundlagen, praktische Erfolgsfaktoren, globale Herausforderungen, 1. Aufl. Berlin: Schmidt (Erich).

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