Cesare Beccaria

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Cesare Beccaria (15. März 1738 - 28. November 1794) war ein italienischer Gelehrter und gilt vielen als der Begründer der Kriminologie. Sein von humanistischer Rhetorik und utilitaristischem Denken bestimmtes Buch über Verbrechen und Strafen (zuerst anonym veröffentlicht in Livorno, 1764: Dei Delitte E Delle Pene), in dem er die Abschaffung der Willkür in der Kriminaljustiz, der geheimen Prozesse, der Folter und der Todesstrafe forderte, wurde in Europa und den USA begeistert aufgenommen. Von seiner andauernden Wertschätzung zeugen verschiedene Preise und Medaillen, die seinen Namen nutzen (Beccaria-Medaille, Beccaria Award, Beccaria Prize usw.).


Leben

Beccaria war der Sohn eines Mailänder Aristokraten von bescheidenem Wohlstand. Mit acht Jahren wurde er auf die Jesuitenschule in Parma geschickt - deren Stil er später als "fanatisch" beschrieb. Er galt als Mensch von unstetem Temperament, bei dem Phasen des Enthusiasmus sich mit solchen der Depression und Untätigkeit abwechselten. In seiner Beziehung zu anderen Menschen galt er als schweigsam und etwas zurückhaltend, aber er legte großen Wert auf seine Freunde und Familie. Nachdem er 1758 sein Jurastudium in Pavia beendet hatte, traf 1760 sein Vorhaben, die 16-jährige Teresa Blasco zu heiraten, auf den entschiedenen Widerstand seines Vaters. 1761 erfolgte die Heirat ohne väterlichen Segen und das junge Paar begann sein Leben unter schwierigen Verhältnissen. Nach der Versöhnung lebte das junge Paar dann im väterlichen Haus und bekam 1762 eine Tochter. In Mailand geriet Beccaria schnell in die lebhaften Diskussionen um die Aufklärung. Er schloss sich dem Grafen Pietro Verri an und half diesem dabei, eine literarische Gesellschaft zu gründen und mit Leben zu erfüllen. 1762 erschien seine erste Veröffentlichung: eine Broschüre über die Münzreform. Auch publizierte Beccaria in der Zeitschrift Il Caffè, die dem englischen The Spectator nachgebildet war. 1764 veröffentlichte er sodann (zunächst anonym) "Dei delitti e delle pene". Auch danach blieb er konstruktiv und produktiv, doch erreichten seine Arbeiten über Wirtschaftsfragen, denen er sich dann zuwandte, bei weitem nicht die Erfolge, die seiner strafreformerischen Arbeit vergönnt waren. 1768 nahm er einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Nationalökonomie in Mailand an - die Vorlesungen, die er dort über zwei Jahre hielt, machten ihn zu einem Pionier im Bereich der ökonomischen Analyse. Sie wurden postum 1804 unter dem Titel Elementi di economia pubblica (“Elements der Volkswirtschaft") erschienen. Er antizipierte einige Ideen von Adam Smith und Thomas Malthus. 1771 wurde er Mitglied des obersten Wirtschaftsrates von Mailand und blieb für den Rest seines Lebens Träger öffentlicher Ämter. Er kümmerte sich um eine große Bandbreite von Themen, von Münz- und Finanzfragen über das Arbeitsrecht bis hin zur Reform des öffentlichen Erziehungswesens. Ein Bericht Beccarias beeinflusste sogar die Entscheidung Frankreichs zugunsten des metrischen Systems.

In seinen letzten Lebensjahren litt Beccaria zunehmend unter familiären und gesundheitlichen Problemen. Seine Rolle als Prominenter genoss er überhaupt nicht. 1766 brach er einen Paris-Besuch, der ihn mit der Elite der Zeit zusammenbrachte, vorzeitig ab. Seine Frau starb 1774 nach längerem Leiden. Drei Monate nach dem Tod seiner Frau heiratete er erneut. Seine zwei Brüder und seine Schwester strengten Prozesse an, die ihn viele Jahre beschäftigten. Beccarias letzte Monate waren überschattet von der Tatsache, dass die von ihm begrüßte Französische Revolution in eine Phase des Terrors abglitt.


Reformgedanken

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In der Kriminologie werden häufig Beccarias Reformbemühungen hervorgehoben:

  • Willkürverbot für die Polizei
  • strikte Abhängigkeit des Richters vom Gesetz
  • zügige Abwicklung des Strafverfahrens
  • Gewährung ausreichender Zeit für die Verteidigung
  • Öffentlchkeit der Gerichtsverhandlungen
  • Unschuldsvermutungen zugunsten des nicht überführten Täters (in dubio pro reo)
  • Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung
  • Abschaffung grausamer Strafarten
  • Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslange Freiheitsstrafe
  • Primat vorbeugender Kriminalpolitik (lieber Prävention statt Repression)

Cesare Beccaria wird auch gerne von Gegnern der Todesstrafe zitiert. Im Kapitel 16 von "Von Verbrechen und Strafen" finden sich die meisten auch heute noch angeführten Argumente gegen die Todesstrafe. Es beginnt in der Übersetzung von Thomas Vormbaum (2005: 48) mit den Worten:

"Diese nutzlose Häufigkeit der Strafvollstreckungen, die noch niemals die Menschen besser gemacht hat, hat mich veranlaßt, zu untersuchen, ob die Todesstrafe in einer wohl organisierten Regierungsform wirklich nützlich und gerecht ist. Wie kann das Recht, Seinesgleichen zu töten, beschaffen sein, das die Menschen in Anspruch nehmen? Mit Sicherheit ist es nicht jenes Recht, aus dem Souveränität und Gesetze sich ableiten. Denn diese sind nichts anderes, als die Summe der kleinsten Anteile der persönlichen Freiheit eines jeden; diese stellen den gemeinen Willen dar, der aus den einzelnen Willen zusammengesetzt ist. Wer hätte jemals anderen Menschen die Befugnis, ihn zu töten, einräumen wollen?"


Kritik

Beccaria als Namenspatron

  • Medaille: Die Neue Kriminologische Gesellschaft (NKG) verleiht nach einem Statut vom März 1964, zur Erinnerung an Cesare Beccaria, jährlich höchstens an fünf Personen die Beccaria-Medaille. Es gibt sie in zwei Klassen: Die Goldmedaille der ersten Klasse für hervorragende Leistungen in Forschung und Lehre auf dem Gesamtgebiet der Kriminologie. Die zweite Klasse für anerkennenswerte wissenschaftliche Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlerinnen oder erfolgreichen Einzelleistungen.
  • Kriminalprävention: Der Landespräventionsrat Niedersachsen rief im Rahmen von EU-Förderprogrammen das sog. "Beccaria-Programm" ins Leben. [[1]]

Werke

  • 1764: Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen).


Deutsche Übersetzungendes Hauptwerks in absteigender Reihenfolge:

  • Thomas Vormbaum (2005) Von den Verbrechen und von den Strafen. Berlin: BWV. Nach der italienischen Werkausgabe von 1958. Cesare Beccaria, Opere. A cura di Sergio Romagnoli. 2 Bde. (hier: Band 1).
  • Wilhelm Alff (1966) Über Verbrechen und Strafen. Nach der Ausgabe von 1766 übersetzt und herausgegeben. Frankfurt: Insel.
  • 1903 (Karl Esselborn)
  • 1870 (M. Waldeck)
  • 1851 (Julius Glaser)
  • 1841 (Hermann Gareis)
  • 1817 (keine neue Übersetzung; bloß neuer Druck der Ausgabe von 1798 mit neuem Titelblatt)
  • 1798 (Johann Gottlob Beygang)
  • 1788 (Johann Friedrich Korn)
  • 1778 (Übersetzer: Philip Jacob Flade, mit Anmerkungen von Karl Ferdinand Hommel)
  • 1767 (Übersetzer: Albrecht Friedrich Bartholomäi; Anmerkungen: Johann David Bartholomaei)
  • 1766 (Übersetzer: Albert Wittenberg; Anmerkungen: Michael Christian Bock)
  • 1765 (Übersetzer: Joseph Ignaz Butschek; Erscheinungsort Prag).
  • 1804: Elementi di economica pubblica

Literatur

  • Gerhard Deimling: Die Anfänge moderner Strafrechtspflege in Europa. Ausstellung aus Anlass des 250. Geburtstages von Cesare Beccaria, 1738-1794. 27. Juni bis 8. Juli 1988. Bergische Universität, Gesamthochschule Wuppertal, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften. Katalog.
  • Helmut Jacobs (Hg.): Gegen Folter und Todesstrafe. Aufklärerischer Diskurs und europäische Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Peter Lang, Frankfurt/M. 2007.
  • Dieter Rössner (Hg.): Beccaria als Wegbereiter der Kriminologie. Verleihung der Beccaria-Medaille durch die Neue Kriminologische Gesellschaft. Forum-Verlag Godesberg, Mönchengladbach.
  • Gernot Steinhilper (Hg.): Verleihung der Beccaria-Medaille 1984. Deutsche Kriminologische Gesellschaft. Frankfurt/M. 1985.
  • Eberhard Weis: Cesare Beccaria (1738-1794). Mailänder Aufklärer und Anreger der Strafrechtsreformen in Europa. Bayerische Akademie der Wissenschaften 1992.

Weblinks