Folter

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Folter liegt dann vor, wenn Menschen anderen Menschen gezielt psychisches oder physisches Leid (Gewalt, Qualen, Schmerz) zufügen, um eine Information wie z.B. ein Geständnis oder einen Hinweis auf bestimmte Personen, Gegenstände, Orte oder Handlungen zu erhalten oder um den Willen, bzw. die Widerstandskraft des so behandelten Menschen zu brechen.

Im engeren Sinne tritt Folter als eine Tat einer bestimmten Interessengruppe (Teile der Exekutive, politisch-militärischen Organisationen oder Gruppen o. ä.) an einem Individuum auf. Beispiele sind das Foltern zum Erzwingen von Geständnissen seitens der Inquisition, der Polizei oder des Geheimdienstes.

Laut der UN-Antifolterkonvention ist jede Handlung als Folter zu werten, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person „vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden“ zufügen oder androhen, um eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder zu bestrafen. Die Folter ist international geächtet; in Deutschland ist das Foltern einer Person eine Straftat. Nach Artikel 1 des Übereinkommens gegen Folter (United Nations Convention Against Torture and Other Cruel, Inhuman, or Degrading Treatment or Punishment, CAT) ist Folter "jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeine Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind."

Etymologie

Das Wort Folter - heutzutage weitgehend als "unmenschlichste Art der Erkenntnisgewinnung" bewertet [1] - meinte ursprünglich noch das Gerät selbst, mit dessen Hilfe körperliche oder seelische Qualen zum Erreichen eines Geständnisses zugefügt werden können. Eine von den Römern verwendete Folterbank in der Gestalt eines Fohlens hieß eculeus (lat. 'Pferdchen', Diminutivum zu equus, equi, m.: 'Pferd'). Dies scheint der Ausgangspunkt für die Ableitung des Wortes 'Folter' zu sein. Die frühesten Nachweise für den Gebrauch des Wortes 'Folter' in der deutschen Sprache finden sich in Schriften aus den Jahren 1390, 1396 und 1406:

  • "ind hadde mit eme bracht eyn putzseyll, dat würpe he over eynen balken ind weulde yn upzien ind foulteren"
  • "in deme dat unser eltsten meistere eyn mit namen Gobel vanme Roede darumb gevangin, bitterligen gefoltert ind gepyngit is" [2]
  • "ain schädlichen man mit föltrit im turn gichtigen" [3]

Die Form 'Föltrit' verdankt ihre Ausbildung wohl dem Wort pullus, bzw. pullitrus {jung (von Tieren), Tierjunges}, auch in den mlat. Varianten pulletrus, poledrus, poletrus, welche jeweils ein 'Füllen' oder 'Fohlen' bezeichnen. In Anlehnung an das Wort 'Fohlen' selbst, und unter lautlichem Einfluß der bedeutungsähnlichen 'Marter' wurde dann das Wort 'Folter' gebildet. Der Ausdruck wurde später auch auf Qualen im seelischen Bereich übertragen. Ausführender der Handlung zum Nachteil des Angeklagten oder des Zeugen war/ist der Folterer bzw. Angstmann, Scharfrichter oder Henker.

Definitionen

Die Folter wird sehr unterschiedlich definiert, je nachdem, wie groß das Interesse ist, bestimmte Handlungen zu rechtfertigen oder zu verurteilen. Nach der Definition bleibt wiederum strittig, welche Handlungen als Folter oder Folterung gelten, ob und wann Folter gerechtfertigt werden kann. Die meistzitierten Definitionen in chronologischer Reihenfolge sind die folgenden:

  • ULPIAN erklärte die Folter im 3. Jahrhundert folgendermaßen:

By quaestio [torture] we are to understand the torment and suffering of the body in order to elicit the truth. Neither interrogation by itself, nor lightly inspired fear correctly pertains to this edict. Since, therefore, quaestio is to be understood as force and torment, these are the things that determine its meaning. [4]

  • In seinen Kommentaren [5] zu den Genfer Konventionen von 1949 [6] schreibt Jean PICTET, wobei er eine genauere Bestimmung der 'Leiden' leider unterläßt:

Das Wort Folter bezieht sich hier vor allem auf Leiden, die einer Person zugefügt werden, um von ihr oder einer dritten Person Geständnisse zu erlangen.

  • Amnesty International (1976 : 36) verwendet diese Folterdefinition:

Folter ist die systematische und bewusste Zufügung von akutem Schmerz in jeder Form durch eine Person gegenüber einer anderen oder einer dritten Person, um die Absichten der ersteren gegenüber den letzteren gegen ihren Willen durchzusetzen.

  • John LANGBEIN definierte 1977 die gerichtlich angeordnete Folter und grenzte sie von jedweder Art der Bestrafung ab:

When we speak of "judicial torture", we are referring to the use of physical coercion by officers of the state in order to gather evidence for judicial proceedings. […] In matters of state, torture was also used to extract information in circumstances not directly related to judicial proceedings. Torture has to be kept separate from the various painful modes of punishment used as sanctions against persons already convicted and condemned. No punishment, no matter how gruesome, should be called torture. [7]

  • Die Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment der UNO definierte 1984 die Folter folgendermaßen:

For the purposes of this Convention, the term "torture" means any act by which severe pain or suffering, whether physical or mental, is intentionally inflicted on a person for such purposes as obtaining from him or a third person information or a confession, punishing him for an act he or a third person has committed or is suspected of having committed, or intimidating or coercing him or a third person, or for any reason based on discrimination of any kind, when such pain or suffering is inflicted by or at the instigation of or with the consent or acquiescence of a public official or other person acting in an official capacity. It does not include pain or suffering arising only from, inherent in or incidental to lawful sanctions.


Benutzung des Begriffes in der Vergangenheit

Die Verwendung des Begriffes ist eng an die Anwendung der Folter selbst gebunden, deshalb folgt eine begrenzte Übersicht über die Geschichte der Folter.

Bei den Babyloniern, den Hebräern und Hindus wurden Formen des Gottesurteils praktiziert, was eine Anwendung der Folter nicht begünstigte. Bei den Ägyptern, Griechen und Römern hingegen spielte die Folter eine Rolle in der Entwicklung des öffentlichen Rechtssystems.

Im Griechenland zur Zeit des ARISTOTELES war die Folter ein Mittel der kritischen Prüfung, deren Ergebnis als Beweismaterial in einem Vor- oder Unterverfahren verwendet werden konnte. Von der Folter ausgenommen waren die Bürger, sie konnte nur bei Menschen angewendet werden, die in Ehrlosigkeit lebten, also bei Sklaven, Fremden u.a. Das beeidete Wort eines Bürgers hatte großes Gewicht; um die Aussage eines Sklaven überhaupt verwenden zu können, mußte sie durch die physische Überprüfung annehmbar gemacht werden. Der vorrangige Zweck der Folterung war also verschieden von dem heute üblichen Ziel der Informationsgewinnung oder Erniedrigung.

In der römischen Rechtsgeschichte zur Zeit des alten Rechts (bis zum 3. Jahrhundert v. Chr.) war die Unverletzbarkeit des freigeborenen Bürgers ebenfalls gewährleistet. Auch die Folterung von Sklaven ist wohl nur in strafrechtlichen Verfahren zum Einsatz gekommen, nicht - wie bei den Griechen - in allen zivilrechtlichen Prozessen. Es gab Einschränkungen, die auf die schon erkannte Unzuverlässigkeit der unter der Folter erhaltenen Informationen hindeuten: so durften Sklaven nicht vernommen/gefoltert werden, wenn im Gerichtsverfahren das Leben ihres Herren auf dem Spiel stand. In der Folge wurde der Geltungsbereich der Hochverratsgesetze ausgeweitet, die Macht der Kaiser durch die Erklärung von vielerlei Vorgängen zum crimen laesae maiestatis erweitert.

Nach der Zeit der Republik war die römische Gesellschaft in Edle (honestiores) und Bürger (humiliores) unterteilt. Dies hatte zur Folge, daß die Folter und bestimmte Strafen (Kreuzigung, wilde Tiere) nun auch auf freie Bürger angewendet werden konnten, das Bürgerrecht bot keinen umfassenden Schutz mehr, wie noch bis etwa Mitte des ersten Jahrhunderts, vgl. den Ausspruch des Apostel PAULUS: "Ist es erlaubt bei euch, einen Menschen, der römischer Bürger ist, ohne Urteil zu geißeln […]". [8]

Die germanischen Gesellschaften im frühen Mittelalter kannten ebenfalls Privilegien für Krieger, welche sie von den Fremden und Sklaven unterschieden, das römische Recht blieb aber bis zum 11. Jahrhundert n. Chr. im nördlichen Europa weitgehend unbekannt.

Unter dem Einfluß der römischen Rechtsgelehrten wurde das Strafrecht systematisiert, es wurde getrennt zwischen Gottesurteil, Folter und Strafe. Die Folter selbst gehörte später zum normalen Strafverfahren der römisch-katholischen Kirche und vieler europäischer Staaten. [9] Die Folter war in erster Linie ein Mittel, um ein Geständnis zu erlangen. Sie durfte weder barbarisch sein, noch tödlich verlaufen und keine bleibenden Schäden hinterlassen. Schwangere, Richter, Professoren und andere Personengruppen waren von der Folter ausgenommen. Das unter der Folter abgelegte Geständnis mußte fern vom Ort der Folter wiederholt werden, um gültig zu sein. Spätestens seit dem 13. Jahrhundert gebrauchten Rechtsgelehrte die Kategorie des außergewöhnlichen Verbrechens (crimen exeptum) für Fälle von Hochverrat, Häresie, Majestätsbeleidigung, Hexerei, Seeraub u.a. Wie schon zuvor wurde der Kreis derer, die gefoltert werden konnten, vergrößert, bis im 15. Jahrhundert schließlich jeder gefoltert werden konnte.

Mit Aufkommen der Inquisition war es den Inquisitoren noch nicht gestattet, Ketzer foltern zu lassen. [10] Dies wurde erst 1252 durch die Bulle Ad extirpanda von INNOZENZ IV ermöglicht [11], nach welcher Ketzer als "Diebe und Mörder von Seelen" galten. Ziel der Folterung war es, für den schwer beweisbaren Tatbestand der Häresie ein Geständnis zu erhalten. Neben dieser üblichen Form der Folter während des Verfahrens gab es z.B. in Frankreich neben der question préparatoire die question préalable, welche noch nach der Verurteilung den Verrat von Mittätern erreichen sollte. Das kirchliche Verfahren - mit anfänglich schlecht in Belangen des Rechts ausgebildeten Inquisitoren - beeinflusste bis ins 15. Jahrhundert wiederum die weltlichen Gerichte. [12] Aus Angst vor Flucht und Rache (vor allem bei Häretikern und Hexen) wurden dem Angeklagten die Namen von Zeugen und Anklägern nicht mehr mitgeteilt, Dauer und Härte der Folter lag in des Richters Hand, was Missbrauch begünstigte. So hatten die meisten kritischen Schriften nach Aufkommen des Buchdruckes mit beweglichen Lettern nicht die Abschaffung der Folter sondern die Eindämmung des Missbrauchs zum Ziel.

Der Rückgang der Folter ist aber wohl nicht so sehr ein Verdienst der menschenfreundlichen Bewegung und der Anti-Folter-Initiativen; vielmehr verlor das Geständnis, die "Königin der Beweise" an Bedeutung. Zudem wurde häufig beklagt, daß Verbrechen gestanden wurden, die nicht begangen worden waren. Die Fähigkeit eines Menschen, Schmerzen zu ertragen, wurde meist nicht richtig eingeschätzt. Strafgesetzbücher wie die Constitutio criminalis Carolina (1532) trugen zwar zur Vereinheitlichung und Vervollkommnung der Prozesse bei, die Folter wurde trotz ihrer bekannten Mängel - abgesehen von ihrer Unmenschlichkeit - beibehalten. Der eigentliche Grund für die Abschaffung der Folter scheint aber das Aufkommen anderer Möglichkeiten der Bestrafung zu sein, die nützliche Galeerenstrafe und das Arbeitshaus lösten die früher übliche Todesstrafe ab. In diesen Prozeß der Umbesinnung fielen auch die Schriften von Christian THOMASIUS [13] und BECCARIAs Buch Dei delitti e delle pene (1774). [[Michel Foucault] sieht im Laufe des 18. Jahrhunderts eine zweifache Bewegung (hier sei der Rückgriff auf die 'Strafen' erlaubt):

"in der während jener Periode die Verbrechen an Gewaltsamkeit zu verlieren scheinen, während die Intensität der Bestrafungen nachlässt und ihre Häufigkeit zunimmt. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ist tatsächlich eine beträchtliche Abnahme der Blutverbrechen und überhaupt der physischen Gewaltsamkeiten zu bemerken; die Eigentumsdelikte scheinen die Gewaltverbrechen abzulösen." [14]

Unterstützung erfahren diese Bewegungen von (nach CHAUNU):

"einer allgemeinen Erhöhung der Lebensstandards, einem starken Anwachsen der Bevölkerung, einer Vervielfältigung der Reichtümer und Güter und de[m] "daraus folgenden Sicherheitsbedürfnis[ses]" [15]

Der Prozeß der Abschaffung der Folter zog sich über einen langen Zeitraum hin. Aufgehoben wurde sie zuerst in Preußen 1754, danach beispielsweise 1770 in Braunschweig-Wolfenbüttel, in den Niederlanden 1798 und in Spanien 1808. Das Wiederauftreten der Folter in größerem Umfang ist wohl eine Folge der Kriege um 1900 (z. B. der Russisch-Japanische Krieg 1905, später der Erste Weltkrieg), während welcher in größerem Umfange Truppenteile durch Agententätigkeit gefährdet wurden. Gleichzeitig ließen sich durch das Verhören von Kriegsgefangenen ggf. ebenso Vorteile im Gefecht erzielen, weshalb die Erlangung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse Vorrang erhielt vor der Würde der Gefangenen und ihrer menschlichen Behandlung. Strafen für Verrat und Spionage wurden verschärft, 1942 gestattete HIMMLER in einem Erlass die Anwendung des "dritten Grades" (Wasser und Brot, Isolationshaft, Schlafentzug, Schläge usf.) gegen "Kommunisten, Marxisten, Zeugen Jehovas, Saboteure[n], Angehörige[n] von Widerstandsbewegungen […]" [16], um Aussagen zu erzwingen, wenn es Hinweise gäbe, der Gefangene verfüge über nützliche Erkenntnisse. [17]

Aktuell sind Foltervorwürfe erhoben worden in Zusammenhang mit den Gefängnissen der 'U.S. Naval Base Guantánamo Bay' auf Kuba und dem jetzt unter US-Führung stehenden Gefängnis Abu Ghraib bei Baghdad. Dabei wird zum einen die Behandlung, welche gegen die Genfer Abkommen verstößt, damit gerechtfertigt, daß es sich bei den Gefangenen auf Kuba nicht um Kriegsgefangene im Sinne der III. GK Art. 4 handele, sondern um "unlawful combatants", denen eine Behandlung als Kriegsgefangene nicht zustehe; zum anderen sollte die Anwendung von Foltermethoden im Irak bessere Ergebnisse bei nachfolgenden Verhören bewirken (um "aufzulockern"). Es soll(te) durch das Leiden eines Menschen mit bösen Absichten vielen Unschuldigen Leid erspart werden. [18] Gerade und auch dagegen richtet sich aber das absolute Folterverbot:

"Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden." [19]

Ein weiterer Angriff auf die menschliche Würde, welche keinerlei Beschränkung oder Abwägung ausgesetzt werden darf, hat auch im Fall der Gewaltandrohung gegen den Entführer Magnus GÄFGEN stattgefunden, angeordnet durch den Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang DASCHNER (s.u.).


Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Im Zusammenhang ergeben sich einige Begriffs-Cluster, die sich entweder aufgrund des Ursprunges der Folter oder aufgrund von Rechtfertigungsversuchen ergeben.

  • synonym: Folter - Tortur(a) - Peinigung - Peinliche Befragung - Marter - Quaestio - Tormentum - Martyrium - la question - gehine / gene (von Gehenna, nach Ge-Hinnom [20], hebr.: ehemalige Opferstätte bei Jerusalem; später Bezeichnung der Hölle)
  • Folter - Sklaverei - Zwangsarbeit (ausdrücklich verboten nach der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, geändert durch Protokoll Nr. 11 vom 11.5.1994, Art. 3 und 4.)
  • Folter - Gottesurteil - Körperstrafe - Verstümmelung - Todesstrafe
  • Folter - finaler Rettungsschuß - Rettungsfolter - Güterabwägung - Strafrecht vs. Polizeirecht

weitere (von Sebastian Scheerer)

  • Begriff weiße Folter (Isolationshaft)
  • Konforme Kriminalität
  • Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität
  • Kompetenzdschungel, keine Rechtsklarheit
  • Duldung oder Förderung durch Vorgesetzte
  • Kontrollbalance/Controll Balance (Charles Tittle)
  • Gruppendynamik

Zusammenhänge in der materiellen Realität

Hier sollte man sich die Foltermethoden vor Augen führen, um bei den verschiedenen Folterdefinitionen nicht zu vergessen, wie real für das jeweilige Opfer die Erniedrigung und der Schmerz bei der Folterung wird.

Auf die einfache Befragung (nuda interrogatio) folgte das Zeigen der Folterinstrumente und des Henkers (territio). Beim Ausbleiben des Geständnisses schloß sich im Mittelalter meist das Aufhängen an auf dem Rücken zusammengebundenen Händen an, wobei gegebenenfalls Gewichte die Füße beschwerten (corda/cola; die "Königin der Folterqualen"). Es kamen zum Einsatz die Beinklammer oder später die Beinschraube, die Daumenschrauben, das Verbrennen von Gliedmaßen durch Entzünden von brennbaren Flüssigkeiten, die Folterung mit kaltem oder heißem Wasser, das Strecken von Gliedmaßen oder des ganzen Körpers, zusammen mit dem Verbrennen der dabei gespannten Haut. Bei Frauen und Kindern konnte bei leichteren Vergehen das (sehr starke) Fesseln der Hände angewendet werden.

[…]

Kriminologische Relevanz

Relevant für die Kriminologie ist das Thema Folter unter mehreren Gesichtspunkten. Normgenese: wie kam es zur Kriminalisierung der Folter? Welche Argumente und Interessen wenden sich gegen die Kriminalisierung der Folter (unter welchen Umständen)? - Wie hängt der Diskurs über die Definition der Folter mit dem Diskurs über die Entkriminalisierung zusammen (Beispiel: Waterboarding)? - Ursprung, Funktionen und Folgen des Diskurses über Haftbedingungen als Folter (z.B. Isolationshaft; Haftbedingungen in Abu Ghraib und im Kontext der us-amerikanischen Terrorismus-Bekämpfung: Bagram; Guantanamo [21]). Auch bedürfen Themen der Aufarbeitung wie das Verbringen von Häftlingen in Staaten, in denen gefoltert wird, um später die dort erpressten Geständnisse zu verwerten [22] sowie der Einsatz privater Sicherheitsdienste in Bereichen, in welchen hoheitliche Aufgaben zu erfüllen sind. Es ist auch zu klären, welche gesellschaftlichen Strukturen die Anwendung von Folter begünstigen bzw. wie man die Anwendung von Folter durch geeignete Ausbildung oder Verbesserungen von Strukturen verhindern kann. Weiterhin ist zu untersuchen, ob, bzw. warum "hohe Repräsentanten des Rechtsstaats wie der Frankfurter Polizeipräsident und das hessische Innenministerium die Folterandrohung öffentlich zu rechtfertigen suchen". [23]

Eine Zeitungsnachricht aus der Ära George W. Bush im Wortlaut

  • Gutachten: Bush darf Folter anordnen.

rüb. SAVANNAH, 8. Juni. In einem internen Rechtsgutachten für das Weiße Haus und das Pentagon vom März 2003 wird die Ansicht vertreten, Präsident George W. Bush werde im Krieg gegen den Terrorismus weder durch internationale Verträge noch durch amerikanische Gesetze davon abgehalten, bei Verhören von mutmaßlichen Terroristen die Anwendung von Folter zu erlauben. In dem Gutachten wird laut Medienberichten die Auffassung vertreten, Regierungsbeamte und Soldaten könnten nicht wegen Folter zur Rechenschaft gezogen werden, wenn die der Auffassung seien, auf implizite Anordnung ihrer Vorgesetzten gehandelt zu haben - es sei denn, sie hätten sich 'grob gesetzwidrig verhalten'. Die Verfassungsrechte des Präsidenten im Krieg gegen den Terrorismus seien im Vergleich zum Folterverbot das höhere Rechtsgut. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, das Gutachten habe keinen Einfluss gehabt auf die von Verteidigungsminister Rumsfeld genehmigten Verhörmethoden für die gefangenen 'unrechtmäßigen feindlichen Kämpfer' auf dem amerikanischen Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba. (Quelle: FAZ 09.06.2004: 2).

Folterungen im Gefängnis

Folterungen im Kampf gegen den Terrorismus


Anordnung und Genehmigung von Folter

Nach der Bill of Rights musste der König das Parlament in regelmäßigen Abständen einberufen und benötigte dessen Zustimmung zur Erhebung von Steuern und Abgaben, zur Anwendung der Folter sowie zum Unterhalt eines stehenden Heeres in Friedenszeiten. Darüber hinaus begründete das Gesetz die Immunität der Parlamentsabgeordneten: Sie genossen völlige Redefreiheit im Unterhaus und mussten sich für Vergehen künftig nur noch vor diesem selbst, aber nicht mehr vor dem König oder seinen Gerichten verantworten.

Einzelnachweise

  1. Matthias Hühn, Hannover: "Unmenschlichste Art der Erkenntnisgewinnung". Leserbrief von Matthias Hühn zum Leitartikel "Das Für der Folter" (FAZ vom 19.Mai 2004), in: FAZ 2.Juni 2004: 10.
  2. Klage des Pelzers Arnold von Kerpen über die ihm vom Vogt Gumprecht von Alpen und dem Vogt Johann von Merheim angethane Gewalt [vom 19. April 1390]. In: ENNEN 1970 : 2. - Ebd. S. 436: Die Zunft der Goldschmiede rechtfertigt sich gegen Anschuldigungen einiger gefangenen Goldschmiede.
  3. MÜLLER 1914 : 207.
  4. Digesten, 47.10, zit. nach PETERS 1985 : 1.
  5. PICTET, Jean [Hrsg.]: Commentaire des Conventions I-IV de Genève du 12 août 1949, 4 Bände, Genf, 1952-1959. Die angegebene Passage findet sich übersetzt in: Amnesty International 1976 : 36.
  6. Für diese Arbeit relevant sind die I. GK, Art. 12 (2); die II. GK, Art. 12 (2); die III. GK, Art. 13 und die IV. GK, Art. 32.
  7. LANGBEIN 1977 : 3.
  8. Act 22,22; vgl. auch Act 16,37.
  9. Kaum eine Rolle spielte die Folter in England, wo eine Urteilsjury, andere Beweisregeln u.ä. die Folter unnütz erscheinen ließen, auf das Geständnis des Beschuldigten war man im Prozeß nicht angewiesen. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde sie jedoch aufgrund von Folterbefehlen in Fällen von Hochverrat eingesetzt.
  10. vgl. LEA 1973 : 108.
  11. Die Rechte der Inquisitoren wurden 1256 durch die Dekretale Ut negotium von ALEXANDER III noch erweitert (Erlaubnis der gegenseitigen Erteilung der Absolution).
  12. Vgl. wegen der hier nötigen Kürze z.B. die Tafel zum weltlichen und kanonischen Recht (pdf).
  13. De crimine magiae, (1701: wider die Beweisbarkeit und die Existenz des Teufelsbündnisses, für die Abschaffung der Hexenprozesse); Selecta Feudalia (1708).
  14. FOUCAULT 1994 : 95f.
  15. Pierre CHAUNU: Annales de Normandie, 1971 : 56. Zitiert nach FOUCAULT 1994 : 97.
  16. nach MELLOR 1961.
  17. Für die Folterungen in den Kolonien, Algerien, Südamerika, in Vietnam etc. sei des Platzes wegen auf die Literaturliste verwiesen.
  18. Vgl. GRIMM, Dieter: Es geht ums Prinzip. In: SZ Nr. 120 vom 26. Mai 2004.
  19. UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984, BGBl. 1990 II S. 246.
  20. II Reg 23,10.
  21. vgl. etwa zum "Kontaktsperregesetz" Sebastian Scheerer: Gesetzgebung im Belagerungszustand. In: BLANKENBURG, Erhard: Politik der inneren Sicherheit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980., S. 131ff.
  22. LUEKEN, Verena: Streckbank der Gesetze. FAZ Nr. 262 vom 10.11.2001. bzw. Belege für die erfolgte Umsetzung in: RESTLE, Georg, ENSMINGER, Petra: Kampf gegen Terror: Wie die USA in Syrien foltern lässt. TV-Dokumentation, Monitor Nr. 519 vom 3. Juni 2004.
  23. LOCHBIHLER, Barbara: Das Folterverbot gilt absolut!, Pressemitteilung von Amnesty International vom 20. Februar 2003.

Weblinks und Literatur

  • Inside the CIA's black site torture room (2017)
  • AMNESTY INTERNATIONAL: Bericht über die Folter. Frankfurt a.M.: Fischer 1976.
  • AMNESTY INTERNATIONAL: "Wer der Folter erlag…". Ein Bericht über die Anwendung der Folter in den 80er Jahren. Frankfurt a. M.: Fischer 1985.
  • BEESTERMÖLLER, Gerhard & Hauke Brunkhorst, Hg. (2006 Rückkehr der Folter: Der Rechtsstaat im Zwielicht?
  • BEHRINGER, Wolfgang: Hexen und Hexenprozesse. München: dtv 2000.
  • BRANCHE, Raphaëlle: La torture et l'armée pendant la guerre d'Algérie. 1954-1962. Paris : Gallimard 2001.
  • DERRADJI, Abder-Rahmane: The Algerian guerrilla campain strategy and tactics. Lewiston [u.a.]: The Edwin Mellen Press 1997.
  • DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM ~[Hrsg.]: Hexenwahn. Ängste der Neuzeit. Wolfratshausen: Edition Minerva Hermann Farnung 2002.
  • ENNEN, Leonard [Hrsg.]: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Band 6. Aalen: Scientia 1970. (Neudruck der Ausgabe Köln 1879).
  • FOUCAULT, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994.
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  • HELBING, Franz; BAUER, Max: Die Tortur. Geschichte der Folter im Kriminalverfahren aller Zeiten und Völker. Aalen: Scientia 1973 (= Ausgabe Berlin 1926)
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  • MANNIX, Dennis: The History of Torture. New York: Dell 1983.
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  • MELLOR, Alec: La torture. Son histoire, son abolition, sa réapparation au 20ème siècle. Tours : Mame 1961.
  • MÜLLER, Karl Otto [Bearb.]: Oberschwäbische Stadtrechte. Teil 1: Die älteren Stadtrechte von Leutkirch und Isny. Stuttgart: Kohlhammer 1914.
  • PETERS, Edward: Torture. Oxford: Blackwell 1985.
  • REEMTSMA, Jan Philipp: Folter. Zur Analyse eines Herrschaftsmittels. Hamburg: Junius 1991.
  • Sebastian Scheerer: Folter ist kein revolutionärer Kampfbegriff. Zur Geschichte des Foltervorwurfs in der Bundesrepublik Deutschland. In: REEMTSMA 1991, S. 209-237.
  • REJALI, Darius M (2008) Torture and Democracy. Princeton: Princeton University Press.
  • SANDS, Philippe (2008) Torture Team: Deception, Cruelty and teh Compromise of Law. London: Allen Lane.
  • Sebastian Scheerer: Gesetzgebung im Belagerungszustand. In: BLANKENBURG, Erhard: Politik der inneren Sicherheit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980.
  • SCHMELZ, Bernd [Hrsg.]: Hexerei, Magie und Volksmedizin. (Beiträge aus dem Hexenarchiv des Museums für Völkerkunde Hamburg). Bonn: Holos 1997.
  • SCHMELZ, Bernd [Hrsg.]: Hexenwelten. (Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde). Bonn: Holos 2001.
  • SCHROEDER, Friedrich-Christian [Hrsg.]: Die Carolina. Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. Von 1532. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1986.
  • SEIDEL, Helmut: Scholastik, Mystik und Renaissance-Philosophie. Berlin: Dietz 1990.
  • SOLSCHENIZYN, Alexander: Der Archipel GULAG. Bern [u.a.]: Scherz 1973ff.
  • STASCHEN, Heidi; HAUSCHILD, Thomas: Hexen. Krummwisch: Königsfurt 2001.
  • VOGEL, Hermann: Gewalt im Röntgenbild. Befunde zu Krieg, Folter und Verbrechen. Landsberg/Lech: ecomed 1997.

vgl. auch Wikipedia: FolterAlthough the committee identified the contractors via pseudonyms, NBC News has previously identified them as Mitchell, Jessen & Associates, a Spokane, Washington, company run by two psychologists, Dr. John "Bruce" Jessen and Dr. James Mitchell, who had both previously worked with the U.S. Air Force.



NDR Info: Streitkräfte und Strategien


"Es gibt keine Polizeifolter", 28.02.2003


Amnesty Internatonal


Globalsecurity.org


Telepolis] täglich relevante Artikel


Dahlia LITHWICK: Tortured Justice


George Bush, 24. Mai 2004
George Bush, 13. November 2001

Filme

  • Sous la cagoule - un voyage au bout de la torture", von Patricio Henriquez (2008), behandelt u.a. Guantánamo Bay
  • Taxi zur Hölle (Taxi to the Dark Side), von Alex Gibney (2007); ausgestrahlt von ARTE am 08.10.2007) behandelt Folterpraktiken der USA in Afghanistan, Irak und in Guantánamo Bay seit 2001.
  • "Torture", in: Last Week Tonight with John Oliver (2015), YouTube


Siehe auch