Celler Loch: Unterschied zwischen den Versionen

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*[http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=13518912&aref=image036/2006/06/12/cq-sp198601800240025.pdf&thumb=false PDF] SPIEGEL Nr. 18/1986
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*[http://www.ndr.de/land_leute/norddeutsche_geschichte/chronologie/siebzigerjahre/cellerloch100_page-2.html] NDR: "Celler Loch" - Beamte verüben Anschlag
*[http://www.ndr.de/land_leute/norddeutsche_geschichte/chronologie/siebzigerjahre/cellerloch100_page-2.html] NDR: "Celler Loch" - Beamte verüben Anschlag
Modifiziert übernommen aus: [http://de.wikipedia.org/wiki/Celler_Loch Celler Loch in: de.wikipedia]

Version vom 1. November 2011, 19:07 Uhr

Als Celler Loch wurde die Aktion Feuerzauberder niedersächsischen Landesbehörde für Verfassungsschutz bekannt, bei der am 25. Juli 1978 ein rund 40 Zentimeter großes Loch in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle gesprengt wurde. Damit sollte ein Anschlag zur Befreiung von Sigurd Debus vorgetäuscht werden, der als mutmaßlicher Terrorist der RAF im Celler Hochsicherheitsgefängnis einsaß. Angeblich wollte man auf diese Weise einen Informanten in die RAF einschleusen.

Als involviert und informiert gelten die GSG 9 der Bundespolizei|GSG 9]] des Bundesgrenzschutzes, die Landesregierung unter Ernst Albrecht (Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU) sowie die Anstaltsleitung. Das Bundesinnenministerium als vorgesetzte Behörde der GSG 9, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundesregierung und die Landespolizei sollen vorab nicht informiert worden sein.

Vorbereitung und Durchführung

Der Verfassungsschutz präparierte einen gestohlenen Mercedes SL mit Munition und gefälschten Pässen, darunter auch ein Pass mit dem Foto von Debus. Vordrucke und Dienstsiegel stammten aus Einbrüchen bei Behörden. Bei der Beschaffung des Autos hatte der Privatagent Werner Mauss mitgewirkt; Fahrer war ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Das Auto war im Januar 1978 bei einer Polizeikontrolle in Salzgitter sichergestellt worden, der Fahrer hatte sich dabei durch Flucht der Überprüfung entzogen.

Zur Durchführung des Anschlags hatte der Verfassungsschutz zwei Kriminelle – Klaus-Dieter Loudil und Manfred Berger – angeworben. Loudil wurde später den Medien als Tatverdächtiger präsentiert. Am 25. Juli 1978 wurde die Bombe gezündet und verursachte nur geringen Sachschaden. Zu einem Ausbruch kam es nicht.

Folgen für Debus

Der Verfassungsschutz hatte Ausbruchswerkzeug in Debus’ Zelle schmuggeln lassen, das bei der dem Anschlag folgenden Durchsuchung gefunden wurde und die Tatbeteiligung von Debus beweisen sollte.

Als weiterer „Beweis“ wurde das so genannte „Dellwo-Papier“ des RAF-Mitglieds Karl-Heinz Dellwo veröffentlicht, in dem es heißt, dass „durch Anschläge auf den äußeren Bereich von Vollzugsanstalten“ eine „Zusammenlegung einsitzender Terroristen zu Interaktionsgruppen“ erreicht werden solle.

1979 wurde Debus in die JVA Hamburg-Fuhlsbüttel verlegt. Dort beteiligte er sich, nachdem Anträge auf Hafterleichterungen mit Hinweis auf den Sprengstoffanschlag abgelehnt worden waren, im Februar 1981 an einem Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF. Ab März 1981 wurde er gegen seinen Willen zwangsernährt. Anfang April fiel er bei einem dieser Termine ins Koma und verstarb am 16. April. Eine Obduktion erbrachte eine innere Kopfblutung als Todesursache, die wohl im Zusammenhang mit der Fixierung für die Zwangsernährung steht. Nach Bekanntwerden seines Todes wurde der Hungerstreik beendet. Bereits am 11. April war sein Tod fälschlicherweise gemeldet worden, woraufhin es in einigen deutschen Städten zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten kam.

Wegen seiner Teilnahme an einem Hungerstreik der RAF sowie dem terroristischen Hintergrund seiner Inhaftierung wird Debus häufig als Mitglied der RAF geführt. Eine organisatorische Zugehörigkeit zur RAF konnte aber bislang nicht belegt werden. In der Erklärung der RAF zur Besetzung der Deutschen Botschaft in Stockholm vom 24. April 1975 wird die Freilassung von 26 politischen Gefangenen gefordert, unter denen auch Sigurd Debus genannt wird. Die RAF benannte später eines ihrer Kommandos nach ihm, was den Vermutungen über seine Zugehörigkeit Auftrieb verlieh.

Politische Folgen

1986 wurde bekannt, dass nicht linksradikale Terroristen für den Anschlag verantwortlich waren, sondern der Verfassungsschutz und die GSG 9. Die von den Medien als Täter vorgestellten Personen waren V-Mann|V-Männer des Verfassungsschutzes. Ulrich Neufert wurde für seinen Artikel über die Affäre in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung 1986 mit dem „Wächterpreis der deutschen Tagespresse“ ausgezeichnet.

Als Gerhard Schröder als damaliger SPD-Spitzenkandidat Albrecht dafür attackierte, dass dieser "zur Bekämpfung des Terrors den Einsatz terroristischer Mittel anordnet", antwortete der Ministerpräsident: "Ich bin sicher, dass unsere Bevölkerung genau das von mir verlangt." Vor einem Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags stellte die Regierung Albrecht die Aktion als mindestens achtbaren Erfolg dar (Zugang zu Terrorismus, Ausbruch vereitelt, Waffen gefunden), obwohl diese Behauptungen widerlegt werden konnten.

In diesem Zusammenhang geriet Innenminister Wilfried Hasselmann (CDU) unter Druck, bis er 1988 im Zuge der Spielbankenaffäre von seinem Regierungsamt zurücktrat. Damaliger Justizminister war Hans-Dieter Schwind (CDU), Autor eines Kriminologischen Lehrbuchs, das zuletzt im März 2011 in 21. Auflage erschien.

Am 28. Januar 1989 wurde der später mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnete Dokumentarfilm „Das Celler Loch“ von Herbert Linkesch (Regisseur) und Rudi Reinbold (Produzent) uraufgeführt.

Literatur

  • Christa Ellersiek, Wolfgang Becker: Das Celler Loch. Die Hintergründe der Aktion Feuerzauber. Verlag am Galgenberg, Hamburg 1987, ISBN 3-925387-30-7.
  • Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker: Das RAF-Phantom. Knaur, München 1992, ISBN 3-426-80010-1, S. 309 ff.
  • Rolf Cranzen: Aktion Feuerzauber. SWR2 Wissen 12. Oktober 2007, 27 min. Manuskript

Weblinks


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