Bindungstheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Bindungstheorie ist durch verschiedene, speziell zu ihrer Überprüfung entwickelte Diagnosemethoden ("Fremde Situation", Geschichtenergänzungsverfahren, Bindungsinterview für Zehnjährige, Child Attachment Interview, Adult Attachment Interview u.a.) in verschiedenen Kulturen und zum Teil in Längsschnittstudien (eine der längsten die noch laufende Bielefelder Längsschnittstudie von Grossmann & Grossmann) untersucht worden. Es haben sich fast überall ähnliche Verteilungen gefunden:  
Die Bindungstheorie ist durch verschiedene, speziell zu ihrer Überprüfung entwickelte Diagnosemethoden ("Fremde Situation", Geschichtenergänzungsverfahren, Bindungsinterview für Zehnjährige, Child Attachment Interview, Adult Attachment Interview u.a.) in verschiedenen Kulturen und zum Teil in Längsschnittstudien (eine der längsten die noch laufende Bielefelder Längsschnittstudie von Grossmann & Grossmann) untersucht worden. Es haben sich fast überall ähnliche Verteilungen gefunden:  
50-60% aller untersuchten Kinder weisen eine Repräsentation sicherer Bindung auf, etwa 30-40% sind unsicher-vermeidend und etwa 10-20% unsicher-ambivalent (das Desorganisationsmuster wurde ggf. jeweils zusätzlich codiert). Die festgestellten Bindungsmuster erwiesen sich in den Längsschnittstudien als sehr stabil, sobald sie sich ab dem Alter von etwa zwei Jahren festigten und als Bindungsrepräsentation angesehen werden konnten.
50-60% aller untersuchten Kinder weisen eine Repräsentation sicherer Bindung auf, etwa 30-40% sind unsicher-vermeidend und etwa 10-20% unsicher-ambivalent (das Desorganisationsmuster wurde ggf. jeweils zusätzlich codiert). Die festgestellten Bindungsmuster erwiesen sich in den Längsschnittstudien als sehr stabil, sobald sie sich ab dem Alter von etwa zwei Jahren festigen und als Bindungsrepräsentation angesehen werden können.
Die Erforschung von Bindungsrepräsentationen ist relativ aufwändig: die genannten Verfahren müssen alle individuell mit Probanden durchgeführt werden und erfordern zudem ein ausgiebiges Training der Testdurchführenden, da alle Verfahren auch die Auswertung von Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen erfordern. Es dürfte damit zusammen hängen, dass außerhalb der großen Längsschnittstudien zu Einzelfragen je eher kleine und wenig repräsentative Samples untersucht wurden.
Die Erforschung von Bindungsrepräsentationen ist relativ aufwändig: die genannten Verfahren müssen alle individuell mit Probanden durchgeführt werden und erfordern zudem ein ausgiebiges Training der Testdurchführenden, da alle Verfahren auch die Auswertung von Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen erfordern. Es dürfte damit zusammen hängen, dass außerhalb der großen Längsschnittstudien zu Einzelfragen je eher kleine und wenig repräsentative Samples untersucht wurden.


Es gibt sowohl aus Richtung der Bindungstheorie empirische Befunde, die auf die Kriminologie verweisen können, als auch umgekehrt aus der Kriminologie Theorien, die auf die Bindungstheorie verweisen:
Es gibt sowohl aus Richtung der Bindungstheorie empirische Befunde, die auf die Kriminologie verweisen können, als auch umgekehrt aus der Kriminologie Theorien, die auf die Bindungstheorie verweisen:


Auf Seiten der Bindungstheorie sind es Ergebnisse der Längsschnittstudien und hier besonders die Ergebnisse zu den Bindungsstörungen: Kinder mit Bindungsstörungen haben u.a. ein erhöhtes Risiko (weiterer) behandlungsbedürftiger Verhaltensauffälligkeiten (auch: erhöhte Aggressivität), eine schlechtere Altersgruppeneinbindung und geringere Chancen auf einen erfolgreichen Schulabschluss als Altersgleiche mit sicherer Bindung. Sie weisen eine Reihe auch körperlich nachweisbarer Besonderheiten auf (z.B. veränderte Stresshormonausschüttungen); ihre Copingstrategien in belastenden Situationen sind weniger flexibel und weniger angepasst. Die Hypothese liegt nahe, dass diese Kinder in kritischen Lebenssituationen leichter Verhalten entwickeln könnten, das als kriminell bezeichnet wird.  
Auf Seiten der Bindungstheorie sind es Ergebnisse der Längsschnittstudien und hier besonders die Ergebnisse zu den Bindungsstörungen: Kinder mit Bindungsstörungen haben u.a. ein erhöhtes Risiko (weiterer) behandlungsbedürftiger Verhaltensauffälligkeiten (auch: erhöhte Aggressivität), eine schlechtere Altersgruppeneinbindung und geringere Chancen auf einen erfolgreichen Schulabschluss als Altersgleiche mit sicherer Bindung. Sie weisen eine Reihe auch körperlich nachweisbarer Besonderheiten auf (z.B. veränderte Stresshormonausschüttungen); ihre Copingstrategien in belastenden Situationen sind weniger flexibel und weniger angepasst. Die Hypothese liegt nahe, dass diese Kinder in kritischen Lebenssituationen auch leichter zu Verhalten neigen könnten, das als kriminell gesehen wird.  
Während demgegenüber die sichere Bindung jedenfalls als Ressource eines Kindes bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse gewertet werden kann, ist das Risikopotential der unsicheren Bindungsrepräsentationen nicht eindeutig.  
Während die sichere Bindung jedenfalls als Ressource eines Kindes bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse gewertet werden kann, ist das Risikopotential der unsicheren Bindungsrepräsentationen nicht eindeutig.  


Auf Seiten der Kriminologie arbeiten Theorien mit der Annahme, dass Bindung in der Lage sei, ein Individuum von kriminellem Handeln abzuhalten (Hirschis "social bonds", zu denen er auch "attachment" rechnet). Hirschi und Gottfredson gehen in ihrer General Theory of Crime davon aus, dass vor allem "parenting" geeignet sei, die "criminology" des Kindes so einzudämmen, dass es zu keinem kriminellen Verhalten kommt. Auch hier lässt sich annehmen, dass Operationalisierungen des "parenting"-Begriffs nicht ohne Aspekte elterlichen Bindungsverhaltens auskommen können.   
Auf Seiten der Kriminologie arbeiten Theorien mit der Annahme, dass Bindung in der Lage sei, ein Individuum von kriminellem Handeln abzuhalten (Hirschis "social bonds", zu denen er auch "attachment" rechnet). Hirschi und Gottfredson gehen in ihrer General Theory of Crime davon aus, dass vor allem "parenting" geeignet sei, die "criminology" des Kindes so einzudämmen, dass es zu keinem kriminellen Verhalten kommt. Auch hier lässt sich annehmen, dass Operationalisierungen des "parenting"-Begriffs nicht ohne Aspekte elterlichen Bindungsverhaltens auskommen können.   
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Literatur:
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Brisch, Karl-Heinz: Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart 1999
Brisch, Karl-Heinz: Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart 1999
Brisch, Karl-Heinz / Hellbrügge, Theodor (Hrsg.): Bindung und Trauma. Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern. Stuttgart 2003
Brisch, Karl-Heinz / Hellbrügge, Theodor (Hrsg.): Bindung und Trauma. Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern. Stuttgart 2003
Gloger-Tippelt, Gabriele: Bindung im Erwachsenenalter. Ein Handbuch für Forschung und Praxis. Bern 2001
Gloger-Tippelt, Gabriele: Bindung im Erwachsenenalter. Ein Handbuch für Forschung und Praxis. Bern 2001


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