Beccaria-Schema: Unterschied zwischen den Versionen

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Zum Beccaria-Schema gehört schließlich auch, dass der Marchese als einer der großen Bewirker der neueren Strafrechtsgeschichte gilt - und dass man in der Bewunderung verharrt.
Zum Beccaria-Schema gehört schließlich auch, dass der Marchese als einer der großen Bewirker der neueren Strafrechtsgeschichte gilt - und dass man in der Bewunderung verharrt.


Beccaria wird für die Begründung des säkularen humanen rechtsstaatlichen Strafrechts und als Vorkämpfer der Abschaffung von Folter und Todesstrafe gepriesen. Kriminalpolitik wird als ewige Aufgabe einer vollständigen Realisierung seiner Forderungen verstanden. So schreibt Wilhelm Alff (1966: 40): "Beccaria ist der Begründer der modernen Rechtszivilisation genanntworden. Mögen indessen die meisten seiner Forderungen erfüllt sein: losgelöst von der Gesinnung, der einst sie entsprachen, bleiben sie noch als erfüllte diesseits der Schranke, die zwischen den Menschen und der Menschlichkeit errichtet wurde."
Beccaria wird für die Begründung des säkularen humanen rechtsstaatlichen Strafrechts und als Vorkämpfer der Abschaffung von Folter und Todesstrafe gepriesen. Kriminalpolitik wird als ewige Aufgabe einer vollständigen Realisierung seiner Forderungen verstanden. So schreibt Wilhelm Alff (1966: 40): "Beccaria ist der Begründer der modernen Rechtszivilisation genannt worden. Mögen indessen die meisten seiner Forderungen erfüllt sein: losgelöst von der Gesinnung, der einst sie entsprachen, bleiben sie noch als erfüllte diesseits der Schranke, die zwischen den Menschen und der Menschlichkeit errichtet wurde."
 
 
== Kritik ==
Die heutige Realität stellt - anders als vom Beccaria-Schema unterstellt - nicht die Realisierung der Ideale des Aufklärers dar. Die Todesstrafe ist ebenso wenig verschwunden wie die Folter. In vielen Fällen zeigt das Strafrecht "eine ungebremste, säkulare, rationale Grausamkeit, als hätte es Beccaria nie gegeben" (Naucke 2005: XVII).
Das Beccaria-Schema ist nicht vollkommen falsch, verabsolutiert aber gewisse Züge des Reformers, "verdinglicht" sie gewissermaßen und verdeckt vor allem entscheidende Widersprüche und Schwächen in der Begründung für "humane" Reformen des Strafrechts, die das Bild des Reformers deutlich verdunkeln. Letztlich nämlich wird die Humanisierung des Strafens als Königsweg der Effektivierung des Strafens legitimiert - Humanität ist also deshalb wünschenswert, weil sie auch nützlicher für die Gesellschaft ist. Das Problem dieser Begründung (von Peter Strasser als [[Beccaria-Falle]] bezeichnet) ist das unglückliche Verhältnis von Wert- und Zweckrationalität: der Wert der Humanität ist nur dann durchsetzungsfähig, wenn das Humane auch zugleich das Nützliche ist. Wo das aber nicht der Fall ist, geht dann (selbstverständlich) die Zweckmäßigkeit vor. Wenn der Verzicht auf die Todesstrafe zu einem rasanten Anstieg der Kriminalität führt - muss man dann die Todesstrafe nicht schleunigst wieder einführen? Das Beccaria-Schema vermeidet die Thematisierung dieses Problems zugunsten einer "monumentalischen" Historie, die das Vorbild verehrt, aber nicht analysiert.


Das Beccaria-Schema ist einerseits nicht vollkommen falsch, es verabsolutiert aber andererseits gewisse Züge des Reformers, "verdinglicht" sie gewissermaßen und verdeckt vor allem entscheidende Widersprüche und Schwächen in der Begründung für "humane" Reformen des Strafrechts, die das Bild des Reformers deutlich verdunkeln. Letztlich nämlich wird die Humanisierung des Strafens als Königsweg der Effektivierung des Strafens legitimiert - Humanität ist also deshalb wünschenswert, weil sie auch nützlicher für die Gesellschaft ist. Das Problem dieser Begründung (von Peter Strasser als [[Beccaria-Falle]] bezeichnet) ist das unglückliche Verhältnis von Wert- und Zweckrationalität: der Wert der Humanität ist nur dann durchsetzungsfähig, wenn das Humane auch zugleich das Nützliche ist. Wo das aber nicht der Fall ist, geht dann (selbstverständlich) die Zweckmäßigkeit vor. Wenn der Verzicht auf die Todesstrafe zu einem rasanten Anstieg der Kriminalität führt - muss man dann die Todesstrafe nicht schleunigst wieder einführen? Das Beccaria-Schema vermeidet die Thematisierung dieses Problems zugunsten einer "monumentalischen" Historie, die das Vorbild verehrt, aber nicht analysiert.


Naucke selbst zieht folgendes Fazit:
Naucke selbst zieht folgendes Fazit:
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