Beccaria-Falle: Unterschied zwischen den Versionen

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::''"Das Argument, zu dem man Zuflucht nimmt, lautet: Die Humanisierung des [[Strafvollzug]]s diene in erster Linie nicht dem Rechtsbrecher selbst, sondern der Gesellschaft. Dadurch jedoch wird die Solidarität konditionalisiert, was bedeutet, sie wird in Wahrheit gar nicht in Anspruch genommen. Menschliche Solidarität heißt nämlich, sich auch dann noch menschlich gegenüber dem Delinquenten zu verhalten, wenn sich mit Bezug auf den Gesellschaftsschutz daraus keine Vorteile mehr ergeben."'' [1]
::''"Das Argument, zu dem man Zuflucht nimmt, lautet: Die Humanisierung des [[Strafvollzug]]s diene in erster Linie nicht dem Rechtsbrecher selbst, sondern der Gesellschaft. Dadurch jedoch wird die Solidarität konditionalisiert, was bedeutet, sie wird in Wahrheit gar nicht in Anspruch genommen. Menschliche Solidarität heißt nämlich, sich auch dann noch menschlich gegenüber dem Delinquenten zu verhalten, wenn sich mit Bezug auf den Gesellschaftsschutz daraus keine Vorteile mehr ergeben."'' [1]


So plädierte z.B. [[Cesare Beccaria]] (1764) für die Abschaffung der Todesstrafe nicht mit dem Argument von deren Inhumanität, sondern unter Hinweis darauf, dass die Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslange »Strafknechtschaft« geeignet sei, die Qualen des Täters bedeutend zu verlängern und so eine erheblich größere [[Abschreckung]]swirkung zu entfalten.  
eCesare Beccaria]] (1764) war vielleicht einer der ersten, die vehement für die Abschaffung der Todesstrafe plädierten und einerseits dafür Argumente der Humanität ins Feld führten - sicherheitshalber aber darauf hinwiesen, dass andere Formen der Bestrafung wie insbesondere die lebenslange »Strafknechtschaft« geeignet seien, die Qualen der Täters zu verlängern und die Öffentlichkeit viel mehr und nachhaltiger von Straftaten abzuschrecken. Um eine "Falle" handelt es sich, weil man das humanitäre Anliegen, das man verfolgt, durch diesen Rückbezug auf die soziale Nützlichkeit der Humanität gleichzeitig entwertet und vernichtet. Denn wenn sich Grausamkeit als sozial nützlicher erweisen sollte, hätte man kein Argument für den humanen Umgang mit Straftätern mehr. Dieser Argumentationsfalle entgingen weder der klassisch-aufklärerische Diskurs noch der sozialreformerische Diskurs der europäischen Strafrechtsreformbewegung unter Franz v. Liszt noch der psychoanalytische Diskurs von "Therapie statt Strafe". In Drogentherapien wurden Straftherapien sogar dadurch legitimiert, dass sie härtere Bedingungen beinhalteten als z.B. das Strafvollzugsgesetz für den Regelvollzug vorsah.  


Um eine "Falle" handelt es sich, weil man das humanitäre Anliegen dadurch vernichtet, dass man es übergeordneten sozialen Zwecken unterordnet, hier dem Gedanken der Generalprävention.
Für Strasser wäre der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ein selbstbewußt-wertrationales Argument des Wertes der Humanität an sich. Empirisch unterlegen ließe es sich mit dem rechtfertigt.
 
 
Man kann sagen, dass ein größer Teil des reformerischen Diskurses, ob in der [[Kriminalpolitik]] oder in der Psychiatrie, der Beccaria-Falle nicht entgeht. Schon [[Cesare Lombroso]], der als Begründer der modernen [[Kriminologie]] gilt, hatte kurzerhand festgestellt, »dass, wenn wir die Verantwortlichkeit einer Gruppe von Verbrechern mindern, wir damit ihr Schicksal keineswegs mildern, sondern erschweren wollen, indem wir auf ihre lebenslange Detention [Abschließung] dringen« (1894, S. XXV).
 
Ähnlich argumentieren dann auch die Psychoanalytiker, sobald sie unter Rechtfertigungsdruck geraten. So etwa beklagen Franz Alexander und Hugo Staub in ihrem viel beachteten Buch ''Der Verbrecher und seine Richter'', dass der Psychologe leicht in den Verdacht gerate, dem Verbrecher helfen zu wollen. Des halb wollen sie gleich eingangs beweisen, »dass das psychologische Verständnis des Kriminellen nicht in erster Reihe den Kriminellen hilft, sondern dem Interesse der Gemeinschaft dient« (1929, S. 7).
Erst viel später, nämlich Anfang der 1970er Jahre, wird Tilmann Moser mit seiner Kampfschrift Repressive Kriminalpsychiatrie versuchen, den Zuwendungsüberschuss, der in aller menschlichen Solidarität enthalten ist, unter direkter Bezugnahme auf den asozialen Menschen zu rechtfertigen. Da Moser jedoch kein christlich, sondern ein freudianisch inspirierter Autor ist, bleibt ihm nichts übrig, als das Wesen der Caritas in quasi therapeutischen Begriffen zu formulieren. Fazit: Schwere Abweichung ist Symptom einer seelischen Erkrankung, die keine Ausschließung rechtfertigt.
 
 
Meine These ist dreigliedrig und lautet:
Meine These ist dreigliedrig und lautet:
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