Bagatellkriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine materielle Ausgrenzung der Bagatelle aus dem Unrechtstatbestand nimmt KRÜMPELMANN (1966) vor. Nach ihm liegt der Strafrechtsordnung eine gesetzgeberische quantitative Wert- oder Unrechtsentscheidung zugrunde. Krümpelmann unterteilt das Unrecht in drei Deliktkategorien: [[Verbrechen]], [[Vergehen]] und [[Übertretungen]]. Er beschreibt als selbständige Delikte die Delikte, die bereits per se gesetzlich mit Übertretungsstrafe geahndet werden. Als unselbständige Delikte bezeichnet er diejenigen Delikte, die dazu führen, dass Verbrechens- oder Vergehenstatbestände nicht als solche zu werten und nur mit Übertretungsstrafe zu ahnden seien. Es gelte hinsichtlich des Bagatelldeliktes herauszufinden, ob die Tat nach Handlungsunwert, Erfolgsunwert und [[Schuld]] geringfügig sei.  
Eine materielle Ausgrenzung der Bagatelle aus dem Unrechtstatbestand nimmt KRÜMPELMANN (1966) vor. Nach ihm liegt der Strafrechtsordnung eine gesetzgeberische quantitative Wert- oder Unrechtsentscheidung zugrunde. Krümpelmann unterteilt das Unrecht in drei Deliktkategorien: [[Verbrechen]], [[Vergehen]] und [[Übertretungen]]. Er beschreibt als selbständige Delikte die Delikte, die bereits per se gesetzlich mit Übertretungsstrafe geahndet werden. Als unselbständige Delikte bezeichnet er diejenigen Delikte, die dazu führen, dass Verbrechens- oder Vergehenstatbestände nicht als solche zu werten und nur mit Übertretungsstrafe zu ahnden seien. Es gelte hinsichtlich des Bagatelldeliktes herauszufinden, ob die Tat nach Handlungsunwert, Erfolgsunwert und [[Schuld]] geringfügig sei.  


Neuere Definitionen beziehen das Gesamtsystem der sozialen Kontrolle mit ein. DRIENDL (1978), HIRSCH (1980) und KUNZ (1984) formulieren die Frage, ob aufgrund des geringen strafbaren Gehaltes der Bagatelldelikte entweder keine strafrechtliche Sanktion erforderlich ist oder die üblichen Kriminalsanktionen und das zu ihnen führende Verfahren als staatliche Überreaktion empfunden werden. Nach KUNZ findet die Feststellung eines Bagatelldeliktes auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Eine Bagatelle kann sich zum einem im Unrechtstatbestand bei der materiell orientierten Strafwürdigkeitsbeurteilung im Hinblick auf den geringfügigen Handlungs- und Erfolgsunwert einer formal verübten Straftat zeigen. Zum anderen kann sie sich im Strafzumessungszusammenhang bei der umfassenden Strafbedürftigkeitswürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände ergeben. Bei der Strafwürdigkeitsbeurteilung sei das Bagatellunrecht Kriminalunrecht, das im Rahmen der Strafbedürftigkeitswürdigung aufgrund ihrer Geringfügigkeit nicht zwingend Strafe erfordere. KAISER (1978) definiert die Bagatelle als Sachverhalt, auf den in abgeschwächter und vereinfachter Form reagiert wird. Als charakteristisch für die Bagatellkriminalität beschreibt er das massenhafte Aufkommen im Eigentums- und Vermögensbereich und die geringe Unrechtsqualität der Taten. Kaiser betont die kriminalökonomische Belastung des Staates durch die Bagatellkriminalität. Es müsse aus generalpräventiver Sicht und aus Gründen des Opferinteresses eine kriminalpolitische Lösung gefunden werden, die auch dem sozialen Wandel entspricht. DRIENDL betont ebenfalls, dass der Anwendungsfall des Begriffes der Bagatellkriminalität in gewissem Umfang für neue Entwicklungen offenbleiben muss; die soziale Wertanschauung des täglichen Lebens sei stetigen Änderungen unterworfen.
Neuere Definitionen beziehen das Gesamtsystem der sozialen Kontrolle mit ein. DRIENDL (1978), HIRSCH (1980) und KUNZ (1984) formulieren die Frage, ob aufgrund des geringen strafbaren Gehaltes der Bagatelldelikte entweder keine strafrechtliche Sanktion erforderlich ist oder die üblichen Kriminalsanktionen und das zu ihnen führende Verfahren als staatliche Überreaktion empfunden werden. Nach KUNZ findet die Feststellung eines Bagatelldeliktes auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Eine Bagatelle kann sich zum einem im Unrechtstatbestand bei der materiell orientierten Strafwürdigkeitsbeurteilung im Hinblick auf den geringfügigen Handlungs- und Erfolgsunwert einer formal verübten Straftat zeigen. Zum anderen kann sie sich im Strafzumessungszusammenhang bei der umfassenden Strafbedürftigkeitswürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände ergeben. Bei der Strafwürdigkeitsbeurteilung sei das Bagatellunrecht Kriminalunrecht, das im Rahmen der Strafbedürftigkeitswürdigung aufgrund ihrer Geringfügigkeit nicht zwingend Strafe erfordere. KAISER (1978) definiert die Bagatelle als Sachverhalt, auf den in abgeschwächter und vereinfachter Form reagiert wird. Als charakteristisch für die Bagatellkriminalität beschreibt er das massenhafte Aufkommen im Eigentums- und Vermögensbereich und die geringe Unrechtsqualität der Taten. Kaiser betont die kriminalökonomische Belastung des Staates durch die Bagatellkriminalität. Es müsse aus generalpräventiver Sicht und aus Gründen des Opferinteresses eine kriminalpolitische Lösung gefunden werden, die auch dem sozialen Wandel entspricht. DRIENDL betont ebenfalls, dass der Anwendungsfall des Begriffes der Bagatellkriminalität in gewissem Umfang für neue Entwicklungen offenbleiben muss; die soziale Wertanschauung sei stetigen Änderungen unterworfen.


==Entwicklung und Handhabung im Strafrecht==  
==Entwicklung und Handhabung im Strafrecht==  
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