Bagatellkriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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==Definition==
==Definition==


Der Begriff Bagatellkriminalität wird in der Strafrechtswissenschaft, in der Kriminologie und Kriminalpolitik sowie in der Soziologie häufig benutzt, trotzdem fehlt es an einer klaren, einheitlichen wissenschaftlichen Definition. [[KAISER]] (1978) führt aus, ''„(…) der Begriff des Bagatelldeliktes ist dogmatisch, empirisch als auch rechtspolitisch unklar und vage“''. Das [[StGB]] benennt ausschließlich die formelle Unrechtsbestimmung in Tatbeständen und ignoriert die Möglichkeit mangelnder Strafwürdigkeit nach materiellen Unrechtskriterien bei Geringfügigkeit. Verschiedene Definitionsansätze, auch die Negierung einer Definitionsmöglichkeit überhaupt, sind seit Mitte der 60er Jahre des 20 Jh. diskutiert worden, ohne dass sich ein Denkansatz durchgesetzt hätte.
Der Begriff Bagatellkriminalität wird in der Strafrechtswissenschaft, in der Kriminologie und Kriminalpolitik sowie in der Soziologie häufig benutzt, trotzdem fehlt es an einer klaren, einheitlichen wissenschaftlichen Definition. KAISER (1978) führt aus, ''„(…) der Begriff des Bagatelldeliktes ist dogmatisch, empirisch als auch rechtspolitisch unklar und vage“''. Das [[StGB]] benennt ausschließlich die formelle Unrechtsbestimmung in Tatbeständen und ignoriert die Möglichkeit mangelnder Strafwürdigkeit nach materiellen Unrechtskriterien bei Geringfügigkeit. Verschiedene Definitionsansätze, auch die Negierung einer Definitionsmöglichkeit überhaupt, sind seit Mitte der 60er Jahre des 20 Jh. diskutiert worden, ohne dass sich ein Denkansatz durchgesetzt hätte.


===Verschiedene Definitionsansätze===  
===Verschiedene Definitionsansätze===  


Eine materielle Ausgrenzung der Bagatelle aus dem Unrechtstatbestand nimmt [[KRÜMPELMANN]] (1966) vor. Nach ihm liegt der Strafrechtsordnung eine gesetzgeberische quantitative Wert- oder Unrechtsentscheidung zugrunde. Krümpelmann unterteilt das Unrecht in drei Deliktkategorien: [[Verbrechen]], [[Vergehen]] und [[Übertretungen]]. Er beschreibt als selbständige Delikte die Delikte, die bereits per se gesetzlich mit Übertretungsstrafe geahndet werden. Als unselbständige Delikte bezeichnet er diejenigen Delikte, die dazu führen, dass Verbrechens- oder Vergehenstatbestände nicht als solche zu werten und nur mit Übertretungsstrafe zu ahnden seien. Es gelte hinsichtlich des Bagatelldeliktes herauszufinden, ob die Tat nach Handlungsunwert, Erfolgsunwert und [[Schuld]] geringfügig sei.  
Eine materielle Ausgrenzung der Bagatelle aus dem Unrechtstatbestand nimmt KRÜMPELMANN (1966) vor. Nach ihm liegt der Strafrechtsordnung eine gesetzgeberische quantitative Wert- oder Unrechtsentscheidung zugrunde. Krümpelmann unterteilt das Unrecht in drei Deliktkategorien: [[Verbrechen]], [[Vergehen]] und [[Übertretungen]]. Er beschreibt als selbständige Delikte die Delikte, die bereits per se gesetzlich mit Übertretungsstrafe geahndet werden. Als unselbständige Delikte bezeichnet er diejenigen Delikte, die dazu führen, dass Verbrechens- oder Vergehenstatbestände nicht als solche zu werten und nur mit Übertretungsstrafe zu ahnden seien. Es gelte hinsichtlich des Bagatelldeliktes herauszufinden, ob die Tat nach Handlungsunwert, Erfolgsunwert und [[Schuld]] geringfügig sei.  


Neuere Definitionen beziehen das Gesamtsystem der sozialen Kontrolle mit ein. [[DRIENDL]] (1978), [[HIRSCH]] (1980) und [[KUNZ]] (1984) formulieren die Frage, ob aufgrund des geringen strafbaren Gehaltes der Bagatelldelikte entweder keine strafrechtliche Sanktion erforderlich ist oder die üblichen Kriminalsanktionen und das zu ihnen führende Verfahren als staatliche Überreaktion empfunden werden. Nach KUNZ findet die Feststellung eines Bagatelldeliktes auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Eine Bagatelle kann sich zum einem im Unrechtstatbestand bei der materiell orientierten Strafwürdigkeitsbeurteilung im Hinblick auf den geringfügigen Handlungs- und Erfolgsunwert einer formal verübten Straftat zeigen. Zum anderen kann sie sich im Strafzumessungszusammenhang bei der umfassenden Strafbedürftigkeitswürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände ergeben. Bei der Strafwürdigkeitsbeurteilung sei das Bagatellunrecht Kriminalunrecht, das im Rahmen der Strafbedürftigkeitswürdigung aufgrund ihrer Geringfügigkeit nicht zwingend Strafe erfordere. KAISER (1978) definiert die Bagatelle als Sachverhalt, auf den in abgeschwächter und vereinfachter Form reagiert wird. Als charakteristisch für die Bagatellkriminalität beschreibt er das massenhafte Aufkommen im Eigentums- und Vermögensbereich und die geringe Unrechtsqualität der Taten. Kaiser betont die kriminalökonomische Belastung des Staates durch die Bagatellkriminalität. Es müsse aus generalpräventiver Sicht und aus Gründen des Opferinteresses eine kriminalpolitische Lösung gefunden werden, die auch dem sozialen Wandel entspricht. DRIENDL betont ebenfalls, dass der Anwendungsfall des Begriffes der Bagatellkriminalität in gewissem Umfang für neue Entwicklungen offenbleiben muss; die soziale Wertanschauung des täglichen Lebens sei stetigen Änderungen unterworfen.
Neuere Definitionen beziehen das Gesamtsystem der sozialen Kontrolle mit ein. DRIENDL (1978), HIRSCH (1980) und KUNZ (1984) formulieren die Frage, ob aufgrund des geringen strafbaren Gehaltes der Bagatelldelikte entweder keine strafrechtliche Sanktion erforderlich ist oder die üblichen Kriminalsanktionen und das zu ihnen führende Verfahren als staatliche Überreaktion empfunden werden. Nach KUNZ findet die Feststellung eines Bagatelldeliktes auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Eine Bagatelle kann sich zum einem im Unrechtstatbestand bei der materiell orientierten Strafwürdigkeitsbeurteilung im Hinblick auf den geringfügigen Handlungs- und Erfolgsunwert einer formal verübten Straftat zeigen. Zum anderen kann sie sich im Strafzumessungszusammenhang bei der umfassenden Strafbedürftigkeitswürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände ergeben. Bei der Strafwürdigkeitsbeurteilung sei das Bagatellunrecht Kriminalunrecht, das im Rahmen der Strafbedürftigkeitswürdigung aufgrund ihrer Geringfügigkeit nicht zwingend Strafe erfordere. KAISER (1978) definiert die Bagatelle als Sachverhalt, auf den in abgeschwächter und vereinfachter Form reagiert wird. Als charakteristisch für die Bagatellkriminalität beschreibt er das massenhafte Aufkommen im Eigentums- und Vermögensbereich und die geringe Unrechtsqualität der Taten. Kaiser betont die kriminalökonomische Belastung des Staates durch die Bagatellkriminalität. Es müsse aus generalpräventiver Sicht und aus Gründen des Opferinteresses eine kriminalpolitische Lösung gefunden werden, die auch dem sozialen Wandel entspricht. DRIENDL betont ebenfalls, dass der Anwendungsfall des Begriffes der Bagatellkriminalität in gewissem Umfang für neue Entwicklungen offenbleiben muss; die soziale Wertanschauung des täglichen Lebens sei stetigen Änderungen unterworfen.


==Entwicklung und Handhabung im Strafrecht==  
==Entwicklung und Handhabung im Strafrecht==  
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Empirische Studien beschäftigten sich mehrheitlich mit der Frage, wie die Staatsanwälte die §§ 153 f. StPO im Hinblick auf Bagatellkriminalität nutzen. Alle Studien haben gemeinsam, dass die herausgearbeiteten Kriterien gering bzw. widersprüchlich waren, aber zum Schaden eine Aussage treffen konnten. Die Studien machen deutlich, dass es nicht auf den Täter und dessen Tat, sondern auf die Zuständigkeit der jeweiligen Staatsanwaltschaft ankommt.
Empirische Studien beschäftigten sich mehrheitlich mit der Frage, wie die Staatsanwälte die §§ 153 f. StPO im Hinblick auf Bagatellkriminalität nutzen. Alle Studien haben gemeinsam, dass die herausgearbeiteten Kriterien gering bzw. widersprüchlich waren, aber zum Schaden eine Aussage treffen konnten. Die Studien machen deutlich, dass es nicht auf den Täter und dessen Tat, sondern auf die Zuständigkeit der jeweiligen Staatsanwaltschaft ankommt.


KUNZ (1977) konnte im Rahmen seiner Forschung keine Kriterien zu einer Einstellung erschließen. Er stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft ohne spezielles kriminalpolitisches Konzept agiere. Es gebe keine pauschale Schadensgrenze, sondern lediglich eine relative, deliktspezifische. Es fehle an Transparenz und Kontrolle der nichtöffentlichen Einstellungspraxis seitens der Staatsanwaltschaft. [[HERTWIG]] (1982) folgte aufgrund seiner Untersuchung von Verfahrenseinstellungen diesem Ergebnis. 58,8 % der eingestellten Eigentums- und Vermögensdelinquenz hatten einen Schadensbetrag in Höhe von bis zu 50 DM. Im Gegensatz zu Kunz benennt er allerdings einstellungsbegünstigende Faktoren: das Vermeiden einer Strafregistereintragung bei nicht vorbestraften Tätern, besonders geringe Schuld bei atypischen Tatsituationen, erhebliches Mitverschulden des Geschädigten, schwerwiegende Folgen für den Täter selbst, Beweisschwierigkeiten sowie die geringe Höhe des materiellen Schadens. [[KOTZ]] (1982) ermittelte folgende einstellungsfreundliche Kriterien: das Geständnis des Beschuldigten, keine (erfasste) Vorbelastung und einen geringen Schaden, wobei die Sanktionsintensität parallel zur Schadenshöhe ansteigt. Eine Einstellung erfolgte nahezu regelmäßig, wenn der Schaden unter 20 DM lag, bis zu 50 DM war eine Einstellung durchaus möglich, ab 50 DM kaum noch anzutreffen. [[PASCHMANNS]] (1988) untersuchte den Bereich der Opportunitätseinstellungen und betonte ebenfalls, dass es sich bei den Einstellungen um Ermessensentscheidungen der Staatsanwälte im Einzelfall handele und sich jeglicher grundsätzlicher Festlegung entziehe.
KUNZ (1977) konnte im Rahmen seiner Forschung keine Kriterien zu einer Einstellung erschließen. Er stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft ohne spezielles kriminalpolitisches Konzept agiere. Es gebe keine pauschale Schadensgrenze, sondern lediglich eine relative, deliktspezifische. Es fehle an Transparenz und Kontrolle der nichtöffentlichen Einstellungspraxis seitens der Staatsanwaltschaft. HERTWIG (1982) folgte aufgrund seiner Untersuchung von Verfahrenseinstellungen diesem Ergebnis. 58,8 % der eingestellten Eigentums- und Vermögensdelinquenz hatten einen Schadensbetrag in Höhe von bis zu 50 DM. Im Gegensatz zu Kunz benennt er allerdings einstellungsbegünstigende Faktoren: das Vermeiden einer Strafregistereintragung bei nicht vorbestraften Tätern, besonders geringe Schuld bei atypischen Tatsituationen, erhebliches Mitverschulden des Geschädigten, schwerwiegende Folgen für den Täter selbst, Beweisschwierigkeiten sowie die geringe Höhe des materiellen Schadens. KOTZ (1982) ermittelte folgende einstellungsfreundliche Kriterien: das Geständnis des Beschuldigten, keine (erfasste) Vorbelastung und einen geringen Schaden, wobei die Sanktionsintensität parallel zur Schadenshöhe ansteigt. Eine Einstellung erfolgte nahezu regelmäßig, wenn der Schaden unter 20 DM lag, bis zu 50 DM war eine Einstellung durchaus möglich, ab 50 DM kaum noch anzutreffen. PASCHMANNS (1988) untersuchte den Bereich der Opportunitätseinstellungen und betonte ebenfalls, dass es sich bei den Einstellungen um Ermessensentscheidungen der Staatsanwälte im Einzelfall handele und sich jeglicher grundsätzlicher Festlegung entziehe.


==Kriminologische Relevanz==
==Kriminologische Relevanz==
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Es werden neben den außerstrafrechtlichen Lösungsvorschlägen die prozessuale und die materiellrechtliche Lösung diskutiert. Alle Reformvorschläge sehen das strafrechtliche Verfahren als zu aufwendig an und zu diskriminierend für bagatelldelinquentes Verhalten. Sie wollen Bagatellkriminalität nicht nur sektoral, sondern allgemein umfassend lösen.
Es werden neben den außerstrafrechtlichen Lösungsvorschlägen die prozessuale und die materiellrechtliche Lösung diskutiert. Alle Reformvorschläge sehen das strafrechtliche Verfahren als zu aufwendig an und zu diskriminierend für bagatelldelinquentes Verhalten. Sie wollen Bagatellkriminalität nicht nur sektoral, sondern allgemein umfassend lösen.


Ein außerrechtlicher Lösungsansatz geht dahin, die Bagatellkriminalität aus dem Strafrecht auszugliedern und in das [[Zivilrecht]] zu verlagern (1965/66). Ein weiterer außerrechtlicher Vorschlag von BAUMANN (1972) besteht darin, die Bagatellkriminalität in das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) zu überführen. Es gibt verschiedene prozessuale Reformvorschläge zur Beibehaltung der §§ 153 f. StPO. Die ARBEITSGRUPPE „STRAFVERFAHRENSREFORM“ (1975) von Bund und Ländern empfiehlt ein vereinfachtes richterliches Strafbescheidsverfahren mit mündlicher Verhandlung für die Kleinkriminalität. FELZER (1994) stellt sich vor, bei einer zu erwartenden [[Geldstrafe]] die Tagessätze auf 30 Tage zu begrenzen und die Einstellungspraxis durch Richtlinien zu steuern. Die HESSISCHE KOMMISSION „KRIMINALPOLITIK ZUR REFORM DES STRAFRECHTS“ (1995) regt an, Bagatellgrenzen einzurichten und durch das Streichen von Zustimmungserfordernissen nach § 153 StPO eine Verfahrensvereinfachung zu erreichen. OSTENDORF (1995) will den § 153 StPO erweitern. Der Beschuldigte soll freiwillig eine Wiedergutmachung in Form des doppelten Wertersatzes leisten. WEIGEND (1997) schlägt eine Richtliniensteuerung hinsichtlich der Verfahrenseinstellung in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vor. In diesem Rahmen könnten „einstellungsfreundliche“ und „einstellungsfeindliche“ Umstände geregelt werden. Als weitere Ergänzungsvorschläge wird neben der Einführung einer Begründungspflicht die Einführung eines obligatorischen Zustimmungserfordernisses des Gerichts bei einer Verfahrenseinstellung oder die Einführung einer subsidiären Privatklage erwogen. Bei den Strafgeldmodellen (1998) soll der staatliche Strafanspruch gegenüber der prozessualen Lösung nicht nur angedroht, sondern auch realisiert werden, da eine Ahndung der Tat sofort möglich und damit spürbar für den Täter ist. NAUCKE (1965) formuliert einen materiellrechtlichen Ansatz, der von der Einführung von Bagatelltatbeständen innerhalb der jeweiligen Norm des „Besonderen Teils“ des StGB handelt. Ein weiterer materiellrechtlicher Lösungsansatz beschäftigt sich mit einer Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB. In diesem Rahmen schlägt HIRSCH (1980) die Einführung der neuen Deliktkategorie „Verfehlung“ vor. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt er die Schaffung eines vereinfachten gerichtlichen Verfahrens unterhalb der [[Kriminalgerichte]] („Friedensgerichte“) für diese Delikte an. KUNZ (1984) formuliert eine neue Deliktkategorie unterhalb des Vergehens: „geringfügiges Vergehen“. Er wünscht ebenfalls ein vereinfachtes gerichtliches Verfahren, eine mündlichen Vorverhandlung mit einzelrichterlicher Zuständigkeit. Er geht von einem Schadensausgleich und der Wiedergutmachung des begangenen Unrechts aus. HORSTMANN (2002) schließt sich Hirsch mit seiner Deliktkategorie an. Als staatliche Reaktion sieht er vor der Kriminalstrafe die [[Geldbuß]]e an erster Stelle. Zudem empfiehlt er den Ausbau des Strafbefehlsverfahrens. NAUCKE (1976) formuliert bezüglich der Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB die Überführung der §§ 153 StPO in das materielle Strafrecht des StGB. Zur Erfassung aller Bagatelldelikte empfiehlt er eine noch zu findende Methode der Abgrenzung. Zusätzlich zum Strafbescheidsverfahren regt er ebenfalls die Schaffung eines vereinfachten mündlichen richterlichen Strafverfahrens für Kleinkriminalität an.
Ein außerrechtlicher Lösungsansatz geht dahin, die Bagatellkriminalität aus dem Strafrecht auszugliedern und in das Zivilrecht zu verlagern (1965/66). Ein weiterer außerrechtlicher Vorschlag von BAUMANN (1972) besteht darin, die Bagatellkriminalität in das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) zu überführen. Es gibt verschiedene prozessuale Reformvorschläge zur Beibehaltung der §§ 153 f. StPO. Die ARBEITSGRUPPE „STRAFVERFAHRENSREFORM“ (1975) von Bund und Ländern empfiehlt ein vereinfachtes richterliches Strafbescheidsverfahren mit mündlicher Verhandlung für die Kleinkriminalität. FELZER (1994) stellt sich vor, bei einer zu erwartenden Geldstrafe die Tagessätze auf 30 Tage zu begrenzen und die Einstellungspraxis durch Richtlinien zu steuern. Die HESSISCHE KOMMISSION „KRIMINALPOLITIK ZUR REFORM DES STRAFRECHTS“ (1995) regt an, Bagatellgrenzen einzurichten und durch das Streichen von Zustimmungserfordernissen nach § 153 StPO eine Verfahrensvereinfachung zu erreichen. OSTENDORF (1995) will den § 153 StPO erweitern. Der Beschuldigte soll freiwillig eine Wiedergutmachung in Form des doppelten Wertersatzes leisten. WEIGEND (1997) schlägt eine Richtliniensteuerung hinsichtlich der Verfahrenseinstellung in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vor. In diesem Rahmen könnten „einstellungsfreundliche“ und „einstellungsfeindliche“ Umstände geregelt werden. Als weitere Ergänzungsvorschläge wird neben der Einführung einer Begründungspflicht die Einführung eines obligatorischen Zustimmungserfordernisses des Gerichts bei einer Verfahrenseinstellung oder die Einführung einer subsidiären Privatklage erwogen. Bei den Strafgeldmodellen (1998) soll der staatliche Strafanspruch gegenüber der prozessualen Lösung nicht nur angedroht, sondern auch realisiert werden, da eine Ahndung der Tat sofort möglich und damit spürbar für den Täter ist. NAUCKE (1965) formuliert einen materiellrechtlichen Ansatz, der von der Einführung von Bagatelltatbeständen innerhalb der jeweiligen Norm des „Besonderen Teils“ des StGB handelt. Ein weiterer materiellrechtlicher Lösungsansatz beschäftigt sich mit einer Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB. In diesem Rahmen schlägt HIRSCH (1980) die Einführung der neuen Deliktkategorie „Verfehlung“ vor. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt er die Schaffung eines vereinfachten gerichtlichen Verfahrens unterhalb der [[Kriminalgerichte]] („Friedensgerichte“) für diese Delikte an. KUNZ (1984) formuliert eine neue Deliktkategorie unterhalb des Vergehens: „geringfügiges Vergehen“. Er wünscht ebenfalls ein vereinfachtes gerichtliches Verfahren, eine mündlichen Vorverhandlung mit einzelrichterlicher Zuständigkeit. Er geht von einem Schadensausgleich und der Wiedergutmachung des begangenen Unrechts aus. HORSTMANN (2002) schließt sich Hirsch mit seiner Deliktkategorie an. Als staatliche Reaktion sieht er vor der Kriminalstrafe die [[Geldbuß]]e an erster Stelle. Zudem empfiehlt er den Ausbau des Strafbefehlsverfahrens. NAUCKE (1976) formuliert bezüglich der Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB die Überführung der §§ 153 StPO in das materielle Strafrecht des StGB. Zur Erfassung aller Bagatelldelikte empfiehlt er eine noch zu findende Methode der Abgrenzung. Zusätzlich zum Strafbescheidsverfahren regt er ebenfalls die Schaffung eines vereinfachten mündlichen richterlichen Strafverfahrens für Kleinkriminalität an.


==Literatur==
==Literatur==
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