Bagatellkriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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Es werden neben den außerstrafrechtlichen Lösungsvorschlägen die prozessuale und die materiellrechtliche Lösung diskutiert. Alle Reformvorschläge sehen das strafrechtliche Verfahren als zu aufwendig an und zu diskriminierend für bagatelldelinquentes Verhalten. Sie wollen Bagatellkriminalität nicht nur sektoral, sondern allgemein umfassend lösen.
Es werden neben den außerstrafrechtlichen Lösungsvorschlägen die prozessuale und die materiellrechtliche Lösung diskutiert. Alle Reformvorschläge sehen das strafrechtliche Verfahren als zu aufwendig an und zu diskriminierend für bagatelldelinquentes Verhalten. Sie wollen Bagatellkriminalität nicht nur sektoral, sondern allgemein umfassend lösen.


Ein außerrechtlicher Lösungsansatz geht dahin, die Bagatellkriminalität aus dem Strafrecht auszugliedern und in das Zivilrecht zu verlagern (1965/66). Ein weiterer außerrechtlicher Vorschlag von BAUMANN (1972) besteht darin, die Bagatellkriminalität in das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) zu überführen. Es gibt verschiedene prozessuale Reformvorschläge zur Beibehaltung der §§ 153 f. StPO. Die ARBEITSGRUPPE „STRAFVERFAHRENSREFORM“ (1975) von Bund und Ländern empfiehlt ein vereinfachtes richterliches Strafbescheidsverfahren mit mündlicher Verhandlung für die Kleinkriminalität. FELZER (1994) stellt sich vor, bei einer zu erwartenden Geldstrafe die Tagessätze auf 30 Tage zu begrenzen und die Einstellungspraxis durch Richtlinien zu steuern. Die HESSISCHE KOMMISSION „KRI-MINALPOLITIK ZUR REFORM DES STRAFRECHTS“ (1995) regt an, Bagatellgrenzen einzurichten und durch das Streichen von Zustimmungserfordernissen nach § 153 StPO eine Verfahrensvereinfachung zu erreichen. OSTENDORF (1995) will den § 153 StPO erweitern. Der Beschuldigte soll freiwillig eine Wiedergutmachung in Form des doppelten Wertersatzes leisten. WEIGEND (1997) schlägt eine Richtliniensteuerung hinsichtlich der Verfahrenseinstellung in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vor. In diesem Rahmen könnten „einstellungsfreundliche“ und „einstellungsfeindliche“ Umstände geregelt werden. Als weitere Ergänzungsvorschläge wird neben der Einführung einer Begründungspflicht die Einführung eines obligatorischen Zustimmungserfordernisses des Gerichts bei einer Verfahrenseinstellung oder die Einführung einer subsidiären Privatklage erwogen. Bei den Strafgeldmodellen (1998) soll der staatliche Strafanspruch gegenüber der prozessualen Lösung nicht nur angedroht, sondern auch realisiert werden, da eine Ahndung der Tat sofort möglich und damit spürbar für den Täter ist. NAUCKE (1965) formuliert einen materiellrechtlichen Ansatz, der von der Einführung von Bagatelltatbeständen innerhalb der jeweiligen Norm des „Besonderen Teils“ des StGB handelt. Ein weiterer materiellrechtlicher Lösungsansatz beschäftigt sich mit einer Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB. In diesem Rahmen schlägt HIRSCH (1980) die Einführung der neuen Deliktkategorie „Verfehlung“ vor. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt er die Schaffung eines vereinfachten gerichtlichen Verfahrens unterhalb der Kriminalgerichte („Friedensgerichte“) für diese Delikte an. KUNZ (1984) formuliert eine neue Deliktkategorie unterhalb des Vergehens: „geringfügiges Vergehen“. Er wünscht ebenfalls ein vereinfachtes gerichtliches Verfahren, eine mündlichen Vorverhandlung mit einzelrichterlicher Zuständigkeit. Er geht von einem Schadensausgleich und der Wiedergutmachung des begangenen Unrechts aus. HORSTMANN (2002) schließt sich Hirsch mit seiner Deliktkategorie an. Als staatliche Reaktion sieht er vor der Kriminalstrafe die Geldbuße an erster Stelle. Zudem empfiehlt er den Ausbau des Strafbefehlsverfah-rens. NAUCKE (1976) formuliert bezüglich der Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB die Überführung der §§ 153 StPO in das materielle Strafrecht des StGB. Zur Erfassung aller Bagatelldelikte empfiehlt er eine noch zu findende Methode der Abgrenzung. Zusätzlich zum Strafbescheidsverfahren regt er ebenfalls die Schaffung eines vereinfachten mündlichen richterlichen Strafverfahrens für Kleinkriminalität an.
Ein außerrechtlicher Lösungsansatz geht dahin, die Bagatellkriminalität aus dem Strafrecht auszugliedern und in das [[Zivilrecht]] zu verlagern (1965/66). Ein weiterer außerrechtlicher Vorschlag von BAUMANN (1972) besteht darin, die Bagatellkriminalität in das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) zu überführen. Es gibt verschiedene prozessuale Reformvorschläge zur Beibehaltung der §§ 153 f. StPO. Die ARBEITSGRUPPE „STRAFVERFAHRENSREFORM“ (1975) von Bund und Ländern empfiehlt ein vereinfachtes richterliches Strafbescheidsverfahren mit mündlicher Verhandlung für die Kleinkriminalität. FELZER (1994) stellt sich vor, bei einer zu erwartenden [[Geldstrafe]] die Tagessätze auf 30 Tage zu begrenzen und die Einstellungspraxis durch Richtlinien zu steuern. Die HESSISCHE KOMMISSION „KRIMINALPOLITIK ZUR REFORM DES STRAFRECHTS“ (1995) regt an, Bagatellgrenzen einzurichten und durch das Streichen von Zustimmungserfordernissen nach § 153 StPO eine Verfahrensvereinfachung zu erreichen. OSTENDORF (1995) will den § 153 StPO erweitern. Der Beschuldigte soll freiwillig eine Wiedergutmachung in Form des doppelten Wertersatzes leisten. WEIGEND (1997) schlägt eine Richtliniensteuerung hinsichtlich der Verfahrenseinstellung in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vor. In diesem Rahmen könnten „einstellungsfreundliche“ und „einstellungsfeindliche“ Umstände geregelt werden. Als weitere Ergänzungsvorschläge wird neben der Einführung einer Begründungspflicht die Einführung eines obligatorischen Zustimmungserfordernisses des Gerichts bei einer Verfahrenseinstellung oder die Einführung einer subsidiären Privatklage erwogen. Bei den Strafgeldmodellen (1998) soll der staatliche Strafanspruch gegenüber der prozessualen Lösung nicht nur angedroht, sondern auch realisiert werden, da eine Ahndung der Tat sofort möglich und damit spürbar für den Täter ist. NAUCKE (1965) formuliert einen materiellrechtlichen Ansatz, der von der Einführung von Bagatelltatbeständen innerhalb der jeweiligen Norm des „Besonderen Teils“ des StGB handelt. Ein weiterer materiellrechtlicher Lösungsansatz beschäftigt sich mit einer Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB. In diesem Rahmen schlägt HIRSCH (1980) die Einführung der neuen Deliktkategorie „Verfehlung“ vor. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt er die Schaffung eines vereinfachten gerichtlichen Verfahrens unterhalb der [[Kriminalgerichte]] („Friedensgerichte“) für diese Delikte an. KUNZ (1984) formuliert eine neue Deliktkategorie unterhalb des Vergehens: „geringfügiges Vergehen“. Er wünscht ebenfalls ein vereinfachtes gerichtliches Verfahren, eine mündlichen Vorverhandlung mit einzelrichterlicher Zuständigkeit. Er geht von einem Schadensausgleich und der Wiedergutmachung des begangenen Unrechts aus. HORSTMANN (2002) schließt sich Hirsch mit seiner Deliktkategorie an. Als staatliche Reaktion sieht er vor der Kriminalstrafe die [[Geldbuß]]e an erster Stelle. Zudem empfiehlt er den Ausbau des Strafbefehlsverfahrens. NAUCKE (1976) formuliert bezüglich der Generalnorm im „Allgemeinen Teil“ des StGB die Überführung der §§ 153 StPO in das materielle Strafrecht des StGB. Zur Erfassung aller Bagatelldelikte empfiehlt er eine noch zu findende Methode der Abgrenzung. Zusätzlich zum Strafbescheidsverfahren regt er ebenfalls die Schaffung eines vereinfachten mündlichen richterlichen Strafverfahrens für Kleinkriminalität an.


==Literatur==
==Literatur==
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