Ausländerkriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Von Maren'''  
Unter '''Ausländerkriminalität''' wird ganz überwiegend die Summe von strafrechtlich mißbilligten Handlungen verstanden, die von Nichtdeutschen im Sinne von Art. 116 GG, also allen Menschen ohne deutschen Pass, in der Bundesrepublik Deutschland begangen werden. Zurückgegriffen wird hierbei auf die Tatverdächtigenbelastungszahlen ([[TVBZ]]) in der polizeilichen Kriminalstatistik ([[PKS]]).
 
====Definitionen====
 
Unter Ausländerkriminalität wird ganz überwiegend die Summe von strafrechtlich mißbilligten Handlungen verstanden, die von Nichtdeutschen im Sinne von Art. 116 GG, also allen Menschen ohne deutschen Pass, in der Bundesrepublik Deutschland begangen werden. Zurückgegriffen wird hierbei auf die Tatverdächtigenbelastungszahlen ([[TVBZ]]) in der polizeilichen Kriminalstatistik ([[PKS]]).


Nach einem anderen Ansatz ist Ausländerkriminalität ein durch Verfolgungsinstanzen, Bevölkerung, Wissenschaft und Medien erschaffenes Konstrukt, mit dem Interessen verschiedenster Art verfolgt werden (Kubink).
Nach einem anderen Ansatz ist Ausländerkriminalität ein durch Verfolgungsinstanzen, Bevölkerung, Wissenschaft und Medien erschaffenes Konstrukt, mit dem Interessen verschiedenster Art verfolgt werden (Kubink).
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Während es die Kategorie der Nichtdeutschen bereits seit Einführung der PKS im Jahre 1953 gibt, begann eine Diskussion um die hierin erfassten Daten erst seit der Anwerbung der Gastarbeiter seit Beginn der 60er Jahre.<br>
Während es die Kategorie der Nichtdeutschen bereits seit Einführung der PKS im Jahre 1953 gibt, begann eine Diskussion um die hierin erfassten Daten erst seit der Anwerbung der Gastarbeiter seit Beginn der 60er Jahre.<br>
Die kriminologische Diskussion drehte sich um Ausmaß und Struktur des Verhaltens der Gastarbeiter, so dass bis Mitte der 80er Jahre auch nicht von Ausländer-, sondern von Gastarbeiterkriminalität gesprochen wurde.<br>
Die kriminologische Diskussion drehte sich um Ausmaß und Struktur des Verhaltens der Gastarbeiter, so dass bis Mitte der 80er Jahre auch nicht von Ausländer-, sondern von Gastarbeiterkriminalität gesprochen wurde.<br>
Heute stehen in der Diskussion die Delinquenz junger Nichtdeutscher und Asylbewerber im Vordergrund (Villmow 1995, 155; Brüchert, 2). Seit den 90er Jahren wird das Schlagwort Ausländerkriminalität zunehmend zum Politikum. Die Regierungspolitik begann öffentlich auf die Kriminalität von Ausländern hinzuweisen und der Begriff fand zunehmend Eingang in die Medien (Villmow, 1999).<br>
Heute stehen in der Diskussion die Delinquenz junger Nichtdeutscher und Asylbewerber im Vordergrund ([[Villmow]] 1995, 155; Brüchert, 2). Seit den 90er Jahren wird das Schlagwort Ausländerkriminalität zunehmend zum Politikum. Die Regierungspolitik begann öffentlich auf die Kriminalität von Ausländern hinzuweisen und der Begriff fand zunehmend Eingang in die Medien ([[Villmow]], 1999).<br>
Zeitgleich wurde er in der kriminologischen Wissenschaft kritisiert und eine Erfassung der Kategorie der nichtdeutschen Taverdächtigen in Frage gestellt, da schon der Begriff an sich Überfremdungsängste hervorrufe und nationale Abwehrmechanismen hervorrufe (Prinz, 657.). Die kriminalstatistische Ausweisung von Nichtdeutschen impliziere einen Zusammenhang zwischen dem Status des nicht deutsch seins und Kriminalität (Walter 1993, 347).
Zeitgleich wurde er in der kriminologischen Wissenschaft kritisiert und eine Erfassung der Kategorie der nichtdeutschen Taverdächtigen in Frage gestellt, da schon der Begriff an sich Überfremdungsängste hervorrufe und nationale Abwehrmechanismen hervorrufe (Prinz, 657.). Die kriminalstatistische Ausweisung von Nichtdeutschen impliziere einen Zusammenhang zwischen dem Status des nicht deutsch seins und [[Kriminalität]] (Walter 1993, 347).


====Zusammenhänge mit anderen Begriffen====
====Zusammenhänge mit anderen Begriffen====
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Von tatsächlicher Relevanz ist die Diskussion um Ausländerkriminalität in mehrfacher Hinsicht.
Von tatsächlicher Relevanz ist die Diskussion um Ausländerkriminalität in mehrfacher Hinsicht.
Furcht vor Kriminalität und Furcht vor Nichtdeutschen ist in Deutschland weit verbreitet (Rebmann, 1). Der Begriff der Ausländerkriminalität ist somit in besonderer Weise geeignet, Ängste zu mobilisieren und zu instrumentalisieren.<br>
Furcht vor [[Kriminalität]] und Furcht vor Nichtdeutschen ist in Deutschland weit verbreitet (Rebmann, 1). Der Begriff der Ausländerkriminalität ist somit in besonderer Weise geeignet, Ängste zu mobilisieren und zu instrumentalisieren.<br>
Indem Nichtdeutsche in der Politik zunehmend als kriminelle Problemgruppe dargestellt werden, wird impliziert, dass Kriminalitätskontrolle ohne eben diese Gruppe leichter wäre (Herz, 22). Innere Sicherheit und Kriminalität sind ausgezeichnete Wahlkampfthemen, durch die ein Klima geschaffen wird, in welchem sich repressive Gesetzesänderungen einfacher durchsetzen lassen.
Indem Nichtdeutsche in der Politik zunehmend als kriminelle Problemgruppe dargestellt werden, wird impliziert, dass [[Kriminalitätskontrolle]] ohne eben diese Gruppe leichter wäre (Herz, 22). [[Innere Sicherheit]] und Kriminalität sind ausgezeichnete Wahlkampfthemen, durch die ein Klima geschaffen wird, in welchem sich repressive Gesetzesänderungen einfacher durchsetzen lassen.
Das Bild des kriminellen Fremden, das durch den Begriff der Ausländerkriminalität transportiert wird, wirkt sich darüber hinaus entscheidend auf die Lebensqualität von Nichtdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland aus. Hierdurch werden Vorurteile bedient, die nicht zuletzt in rassistischer Gewalt enden. (Bornewasser 1995; Niggli 1993)
Das Bild des kriminellen Fremden, das durch den Begriff der Ausländerkriminalität transportiert wird, wirkt sich darüber hinaus entscheidend auf die Lebensqualität von Nichtdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland aus. Hierdurch werden Vorurteile bedient, die nicht zuletzt in rassistischer Gewalt enden. (Bornewasser 1995; Niggli 1993)


====Kriminologische Relevanz====
====Kriminologische Relevanz====


Die kriminologische Relevanz wird durch den jeweiligen Standort bestimmt.Soweit die PKS als Maßstab für Kriminalität anerkannt und aus ihr nach Bereinigung der statistischen Verzerrungen eine spezifische Höherbelastung von Nichtdeutschen herausgelesen wird, stellt sich aus dieser Sicht die Frage nach den Ursachen und möglichen Präventionsstrategien.<br>
Die kriminologische Relevanz wird durch den jeweiligen Standort bestimmt.Soweit die [[PKS]] als Maßstab für [[Kriminalität]] anerkannt und aus ihr nach Bereinigung der statistischen Verzerrungen eine spezifische Höherbelastung von Nichtdeutschen herausgelesen wird, stellt sich aus dieser Sicht die Frage nach den Ursachen und möglichen Präventionsstrategien.<br>
Die gängigsten Erklärungsmodelle sind hierbei die Kulturkonfliktthese und der Deprivationsansatz (Pfeiffer, 1995, 13 ff). Soweit Kriminalität jedoch als das Ergebnis eines gesellschaftlichen Definitions- und Zuschreibungsprozesses begriffen wird, kann die registrierte Kriminalität von Nichtdeutschen nicht als direkte Folge ungünstiger sozio-kultureller oder ökonomischer Grundbedingungen verstanden werden.<br>
Die gängigsten Erklärungsmodelle sind hierbei die Kulturkonfliktthese und der Deprivationsansatz ([[Pfeiffer]], 1995, 13 ff). Soweit Kriminalität jedoch als das Ergebnis eines gesellschaftlichen Definitions- und Zuschreibungsprozesses begriffen wird, kann die registrierte Kriminalität von Nichtdeutschen nicht als direkte Folge ungünstiger sozio-kultureller oder ökonomischer Grundbedingungen verstanden werden.<br>
Eine Ursachenforschung muss von diesem Standpunkt aus konsequenterweise abgelehnt werden, das Ausländerkriminalität lediglich das Ergebnis eines Konstitutionsprozesses ist.
Eine Ursachenforschung muss von diesem Standpunkt aus konsequenterweise abgelehnt werden, das Ausländerkriminalität lediglich das Ergebnis eines Konstitutionsprozesses ist.


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