Arbeitshäuser sind Einrichtungen des gesetzlichen Freiheitsentzugs, in die nicht erwerbstätige Personen wie z.B. Bettler, Vagabunden, Prostituierte und entlassene Sträflinge zwecks Disziplinierung, Erziehung und Besserung für eine nach Wochen, Monaten oder Jahren bemessene Zeit eingewiesen werden. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die bis auf das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 zurückgehende Arbeitshausunterbringung - im Falle der richterlichen Zwangseinweisung von Entlassenen Sträflingen auch "korrektionelle Nachhaft" genannt - 1969 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen und damit abgeschafft.

Der Weg in das Arbeitshaus verlief grundsätzlich nach dem Schema: Armut und Abweichung (Bettelei, Landstreicherei, Prostitution, Diebstahl), Aufgreifen durch die Polizei; danach entweder direkte Einweisung durch die Polizei oder aber eine richterliche Verurteilung wegen kleiner Delinquenz zu einer verhältnismäßig geringen Sanktion (einige Wochen Haft), gefolgt von einer (u.U. Jahre andauernden) korrektionellen Nachhaft in einem Arbeitshaus.


Geschichte

Nach Wolfgang Ayass (1993) flossen in den Zucht- und Arbeitshäusern, die im 16. Jahrhundert entstanden und sich im Verlaufe des 17. Jahrhunderts über Europa verbreiteten, vier Tendenzen zusammen: 1. die Tradition der Hospitäler als Institutionen stationärer Armenpflege; 2. der erstarkende Arbeitserziehungsgedanke; 3. die Ablösung der Todes- und Körperstrafen durch die Freiheitsstrafe; 4. das Interesse an der Nutzung von Arbeitskräften (Merkantilismus). Stationäre Zwangsunterbringungen waren allerdings schon vorher nicht unüblich. Das Neue daran war im 16. und 17. Jahrhundert der umfassende Erziehungsgedanke, der diese Einrichtungen als idée directrice regierte.

Bridewell in London (1555). Die Stadt London machte das ehemalige Schloss Heinrichs VIII. zum ersten Arbeitshaus. In England bürgerte sich für Einrichtungen dieser Art seither die Bezeichnung "bridewells" ein.

Tuchthuis in Amsterdam (1595). Die Stadt Amsterdam transformierte ein ehemaliges Kloster in das erste Zucht- und Arbeitshaus des europäischen Kontinents: "Robert von Hippel (1866-1951), die große kriminalhistorische Autorität auf dem Gebiet der Arbeitshausunterbringung und des Strafvollzugs, sah in der Amsterdamer Anstalt erstmals die moderne Freiheitsstrafe verwirklicht" (Ayass).

Zucht- und Arbeitshaus in Bremen (1609). Nachdem der Bremer Senat 1604 eine Abschrift der Amsterdamer Anstaltsordnung erbeten hatte, kam es dortselbst schon wenige Jahre später zur Gründung des ersten Zucht- und Arbeitshauses in Deutschland. Über Lübeck (1613), Hamburg (1620) und Danzig (1629) verbreitete sich diese Institution in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dann schnell weiter. Diese Häuser rentierten sich allerdings nicht, und es kam zu einem Niedergang der Institution. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Institution des Arbeitshauses in Preußen wiederbelebt. Die erste Anstalt dieser neuen Welle war Straußberg in Brandenburg (1791), gefolgt von Tapiau (1793) und Prenzlau (1797) und Ueckermünde (1798).

"Das preußische „Gesetz über die Bestrafung der Landstreicher, Bettler und Arbeitsscheuen“ von 1843 ermöglichte dann auch gegen Wohnungslose gerichtlich verhängte Arbeitshaushaft: „Wer geschäfts- oder arbeitslos umherzieht, ohne sich darüber ausweisen zu können, daß er die Mittel zu seinem redlichen Unterhalt besitze oder doch eine Gelegenheit zu demselben aufsuche, hat als Landstreicher Gefängniß nicht unter sechs Wochen oder Strafarbeit bis zu sechs Monaten verwirkt. Nach ausgestandener Strafe ist der Ausländer aus dem Lande zu weisen, und der Inländer in eine Korrektionsanstalt zu bringen.“ (Gesetz über die Bestrafung der Landstreicher, Bettler und Arbeitsscheuen. Vom 6. Januar 1843,in: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1843, 19, zit.n.Ayass 1993: 189)

"Der Strafrahmen der Übertretungsdelikte des § 361 RStGB reichte, betrachtet man Haft und „korrektionelle Nachhaft“ zusammen, von einer einzigen Nacht im Polizeigefängnis bis zu sechs Wochen Haft plus zwei Jahre Arbeitshaus, also zusammen 772 Tagen Freiheitsentzug" (Ayass 1993: ).

"Jahre 1888 wurden im Deutschen Reich insgesamt 13 512 Männer und 2680 Frauen in Arbeitshäuser eingeliefert, für die beiden folgenden Jahre werden geringfügig niedrigere Ziffern genannt. Am Jahresende 1890 befanden sich 11 231 Männer und 2262 Frauen auf strafrechtlicher Grundlage in Arbeitshäusern39. Die Arbeitshäuser waren gefürchtet. Namen wie Brauweiler, Benninghausen, Kislau, Moringen, Rummelsburg hatten einen schrillen Klang weit über ihr jeweiliges Einzugsgebiet hinaus. „Du kommst nach Breitenau“, berichtet Anstaltspfarrer Hollstein über die [S. 192] Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau, war für viele „das Schlimmste, was ihnen außer der Todesstrafe widerfahren konnte“40. Als Ende der dreißiger Jahre behördenintern erwogen wurde, die Breitenauer Arbeitsanstalt zugunsten des badischen Arbeitshauses Kislau zu schließen, gab das Argument des Breitenauer Anstaltsleiters, der abschreckende Name 'Breitenau' sei in der Region unersetzbar, den Ausschlag für das Weiterführen der Arbeitsanstalt am alten Ort. Auch die Kasseler Bezirkskommunalverwaltung, der Träger der Anstalt, argumentierte damals ähnlich: „Der Name Breitenau ist im Kasseler und Frankfurter Bezirk zu einem Begriff geworden. Wenn noch etwas geeignet ist, auf die arbeitsscheuen und ähnliche Elemente abschrekkend einzuwirken, dann ist es die Anstalt Breitenau.“41 In erster Linie sollten die Arbeitshäuser abschrecken. Dem Besserungsgedanken der Arbeitshäuser kam dagegen im wesentlichen nur theoretische Bedeutung zu. Zwischen programmatischer Zielsetzung und tatsächlichen Zuständen klaffte in den Arbeitshäusern stets eine breite Lücke. Der Hauptadressat der Arbeitshauspädagogik befand sich nicht innerhalb, sondern außerhalb der Mauern der Arbeitshäuser. Der allgemein als hoch eingeschätzte Abschreckungseffekt des Arbeitshauses gegenüber unteren sozialen Schichten machte den eigentlichen gesellschaftspolitischen Wert der Korrektionsanstalten aus. "In den Arbeitshäusern, konnte man im Lehrbuch der Gefängniskunde von 1889 unverblümt lesen, sei alles Willkür, „die je nach den Umständen zwischen fast komischer Gemütlichkeit und roher Mißhandlung hin und her schwankt“43. Einmütig berichtet die zeitgenössische Fachliteratur, daß Arbeitshäuser sogar weit gefürchteter als Gefängnisse waren" (Ayass 1993).

Literatur

  • Spierenburg, Pieter: Prisoners and Beggars. Quantitative Data on Imprisonment in Holland and Hamburg, 1597-1752, in: Historical Social Research 15, 1990, Nr. 4, 33-56.