Angleichungsgrundsatz: Unterschied zwischen den Versionen

 
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=='''Entwicklung des Angleichungsbegriffs'''==
=='''Entwicklung des Angleichungsbegriffs'''==
Historisch entwickelte sich der Angleichungsgrundsatz in Deutschland aus dem [[Resozialisierung]]sgedanken: Nur die Angleichung von Lebensverhältnissen im Strafvollzug an die Bedingungen in der Freiheit ist geeignet, dem der [[Resozialisierung]] entgegenstehenden, entmündigenden Charakters des Lebens in der Haftanstalt entgegenzuwirken (so nach Schäfer 2001: 45f schon [[Radbruch]]). Erste Formen praktischer Umsetzung von Angleichungsbemühungen finden sich in der Weimarer Zeit (vgl. Lesting 1988: 34f); zur ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift kommt es im Strafvollzugsgesetz 1977.  
Historisch entwickelte sich der Angleichungsgrundsatz in Deutschland aus dem [[Resozialisierung]]sgedanken: Nur die Angleichung von Lebensverhältnissen im Strafvollzug an die Bedingungen in der Freiheit ist geeignet, dem der [[Resozialisierung]] entgegenstehenden, entmündigenden Charakters des Lebens in der Haftanstalt entgegenzuwirken (so nach Schäfer 2001: 45f schon [[Gustav Radbruch]]). Erste Formen praktischer Umsetzung von Angleichungsbemühungen finden sich in der Weimarer Zeit (vgl. Lesting 1988: 34f); zur ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift kommt es im Strafvollzugsgesetz 1977.


=='''Der Angleichungsgrundsatz im Kontext der Vollzugsziele und Vollzugsgrundsätze'''==
=='''Der Angleichungsgrundsatz im Kontext der Vollzugsziele und Vollzugsgrundsätze'''==
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Als "Lockerungen des Vollzuges" bezeichnet das StrafVollzG in § 11 Außenbeschäftigungen, Freigang, Ausführungen und Ausgang. Lockerungen sollen "durch Erprobung, d.h. Inkaufnahme kleiner Vorkommnisse im laufenden Vollzug zukünftige Rückfälle verhindern können" (Fabricius 2001: 72). Lockerungen erweisen sich so als wesentliches Werkzeug der Angleichung. Die Annahme, Lockerungen seien grundsätzlich riskant, findet sich nicht belegt: [http://www.bpb.de/publikationen/JA66W0,0,0,Aufgaben_und_Ausgestaltung_des_Strafvollzugs.html]Ostendorf o.J. berichtet von einer geringen Zahl von Nicht-Rückkehrern aus dem Urlaub und auch von geringeren Rückfallzahlen aus dem offenen Vollzug (mit allerdings auch geringer belasteten Inhaftierten).  
Als "Lockerungen des Vollzuges" bezeichnet das StrafVollzG in § 11 Außenbeschäftigungen, Freigang, Ausführungen und Ausgang. Lockerungen sollen "durch Erprobung, d.h. Inkaufnahme kleiner Vorkommnisse im laufenden Vollzug zukünftige Rückfälle verhindern können" (Fabricius 2001: 72). Lockerungen erweisen sich so als wesentliches Werkzeug der Angleichung. Die Annahme, Lockerungen seien grundsätzlich riskant, findet sich nicht belegt: [http://www.bpb.de/publikationen/JA66W0,0,0,Aufgaben_und_Ausgestaltung_des_Strafvollzugs.html]Ostendorf o.J. berichtet von einer geringen Zahl von Nicht-Rückkehrern aus dem Urlaub und auch von geringeren Rückfallzahlen aus dem offenen Vollzug (mit allerdings auch geringer belasteten Inhaftierten).  


Problematisch scheint in diesem Zusammenhang, dass es der Haftpraxis und auch Konzepten etwa eines Stufenvollzugs entspricht, mit Entzug bzw. Gewähren von Lockerungen disziplinarisch zu agieren, statt ausschließlich im Sinne zunehmender Angleichung. Lockerungen erhalten so einen doppeldeutigen Charakter: Statt eines eindeutig aus Menschenwürde, Resozialisierungsanspruch und Angleichungsgrundsatz abgeleiteten Gestaltungsmerkmals der Haft werden sie zu einer durch Wohlverhalten erreichbaren Vergünstigung. Walter (2005: 133) beschreibt eine daraus abgeleitete Selbstdisziplinierung des Gefangenen im "Chancenvollzug": "(...) diszipliniert sich der Gefangene durch sein Verhalten selber, schließt sich von den Serviceangeboten selber aus (...)" - der Inhaftierte selbst weiß, was er tun muss, um den "Service" (Lockerungen, Attraktionen Freizeitgestaltung und Privatheit, Aufschluss, Kühlschrankfach...) zu erhalten bzw. zu verwirken. Eine damit verknüpfte Prognose, die "Anpassung an die Regeln der Anstalt erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines späteren normgerechten Verhaltens in der Gesellschaft" (Neuland 1988: 271), erscheint fraglich.
Problematisch scheint in diesem Zusammenhang, dass es der Haftpraxis und auch Konzepten etwa eines [[Stufenstrafvollzugvollzug|Stufenvollzugs]] entspricht, mit Entzug bzw. Gewähren von Lockerungen disziplinarisch zu agieren, statt ausschließlich im Sinne zunehmender Angleichung. Lockerungen erhalten so einen doppeldeutigen Charakter: Statt eines eindeutig aus Menschenwürde, Resozialisierungsanspruch und Angleichungsgrundsatz abgeleiteten Gestaltungsmerkmals der Haft werden sie zu einer durch Wohlverhalten erreichbaren Vergünstigung. Walter (2005: 133) beschreibt eine daraus abgeleitete Selbstdisziplinierung des Gefangenen im "Chancenvollzug": "(...) diszipliniert sich der Gefangene durch sein Verhalten selber, schließt sich von den Serviceangeboten selber aus (...)" - der Inhaftierte selbst weiß, was er tun muss, um den "Service" (Lockerungen, Attraktionen Freizeitgestaltung und Privatheit, Aufschluss, Kühlschrankfach...) zu erhalten bzw. zu verwirken. Eine damit verknüpfte Prognose, die "Anpassung an die Regeln der Anstalt erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines späteren normgerechten Verhaltens in der Gesellschaft" (Neuland 1988: 271), erscheint fraglich.


=='''Der Angleichungsgrundsatz in der Praxis: Die Problembereiche'''==
=='''Der Angleichungsgrundsatz in der Praxis: Die Problembereiche'''==
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