Alkohol und Gewalt: Unterschied zwischen den Versionen

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Zwischen '''Alkohol und Gewalt''' bestehen vielfältige Beziehungen. Alkoholkonsum kann die Begehung von Gewalt gegen sich selbst (Suizid) oder andere (Gewaltdelikte) begünstigen, er kann aber auch einer Opferwerdung vorausgehen (Wehrlosigkeit durch Alkoholisierung). Schließlich können (traumatische) Gewalterfahrungen die davon Betroffenen auch zu (exzessivem) Alkoholkonsum bewegen.
Zwischen '''Alkohol und Gewalt''' bestehen vielfältige Beziehungen. Alkoholkonsum kann die Begehung von Gewalt gegen sich selbst (Suizid) oder andere (Gewaltdelikte) begünstigen, er kann aber auch einer Opferwerdung vorausgehen (Wehrlosigkeit durch Alkoholisierung). Schließlich können (traumatische) Gewalterfahrungen die davon Betroffenen auch zu (exzessivem) Alkoholkonsum bewegen.


Häufig werden Gewalthandlungen unter Einfluss von Alkohol begangen, laut einer Kriminalstatistik von 2009 handelt es sich um mehr als 30% aller Gewaltverbrechen. Dabei lässt sich ein besonders hoher Anteil der betrunkenen Täter bei schwerer und gefährlicher Körperverletzung feststellen.
== Alkohol und Aggressionsdelikte ==
Eine Studie in Bern von 2007 hält fest, dass bei Körperverletzung, Raub und häuslicher Gewalt in bis zu zwei Drittel der Fälle Alkohol im Spiel gewesen ist. Dabei richtet sich die Gewalt Jugendlicher unter Alkoholeinfluss oft gegen Objekte, während bei älteren Tätern häufig Personen betroffen sind. Als alkoholtypisch gelten: Kindesmisshandlung, Gewalt in der Familie, Beleidigung und Sachbeschädigung sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Allgemein wird eine Triggerwirkung des Alkohols angenommen. In frustrierenden Situationen wird Alkohol getrunken, um mit der Problematik zurechtzukommen. Gleichzeitig entsteht dadurch auch eine Enthemmung. Die Wahrscheinlichkeit aggressiver Handlungen steigt an. Alkoholmissbrauch ist also eher Auslöser als Ursache. Er ist ein Faktor in einem komplexen Faktorenkomplex, der für bestimmte Tätertypen das Auftreten und auch die Schwere gewalttätiger Übergriffe wahrscheinlicher macht.
Die Studie „Alkohol und Gewalt im Jugendalter“ [6] kam zum Ergebnis, dass Jugendliche im Alter von 13-17 Jahren mit problematischem Alkoholkonsum signifikant häufiger zu Gewalttaten neigen als Jugendliche ohne (problematischen) Alkoholkonsum. Bei Jungen ist rund ein Drittel der verübten körperlichen Gewalt alkoholbedingt, bei Mädchen sind es sogar zwei Drittel. Ein Viertel der Knaben weist einen problematischen Alkoholkonsum auf. Auf dieses Viertel entfallen 50-60 % der durch Knaben verursachten Gewalttaten. Bei den Mädchen sind es 15 %, die einen problematischen Alkoholkonsum aufweisen, diese 15 % begehen 40 bis 50 % der insgesamt durch Mädchen verübten Gewalttaten. Allgemein zeigt sich ein hoher Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und erlebter Gewalt (sowohl als Opfer als auch als Täter), so weist knapp die Hälfte der Jungen und etwa 30-40 % der Mädchen, die Opfer von Gewalttaten werden, selbst einen problematischen Alkoholkonsum auf. Für Abstinente und risikoarm konsumierende besteht demnach eine geringe Wahrscheinlichkeit, sich gewalttätig zu verhalten.
 
Die Kriminalstatistiken des Jahres 2007 für Deutschland zeigen sogar, dass in manchen Bundesländern bei jeder zweiten Gewalttat, die von Jugendlichen begangen wurde, Alkohol im Spiel war[7] [8].
*Nach Polizeilichen Kriminalstatistiken in Deutschland und Österreich werden 30-50% aller Gewaltdelikte unter Einfluss von Alkohol begangen.
Eine Vielzahl von Studien zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und aggressiven, gewalttätigen Handlungen. Allerdings ist die Forschung aufgrund der Komplexität der Faktoren noch uneinig, wie genau Alkoholkonsum dazu führt, dass aggressive Verhaltensweisen zunehmen und welche Faktoren dabei zusätzlich und moderierend eine Rolle spielen.
*Eine Studie in Bern von 2007 hält fest, dass bei Körperverletzung, Raub und häuslicher Gewalt in bis zu zwei Drittel der Fälle Alkohol im Spiel gewesen ist. Jugendliche üben häufiger Gewalt gegen Sachen aus, ältere Personen eher gegen Personen. Als alkoholtypisch gelten: Kindesmisshandlung, Gewalt in der Familie, Beleidigung und Sachbeschädigung sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Rossow benennt 1996 grundlegende beeinflussende Faktoren, die Einfluss auf das Risiko haben, verletzt zu werden bzw. in eine Schlägerei verwickelt zu werden. Dazu zählen neben dem Alkoholkonsum insgesamt auch Geschlecht, Alter, Einkommen, Bildungslevel, Persönlichkeitsfaktoren, Freundeskreis, Besuch öffentlicher „Trinkplätze“ und die Frequenz der Alkoholräusche.
*Die Studie „Alkohol und Gewalt im Jugendalter“ (Kuntsche et al. 2003) kam zum Ergebnis, dass Jugendliche im Alter von 13-17 Jahren mit problematischem Alkoholkonsum signifikant häufiger zu Gewalttaten neigen als Jugendliche ohne (problematischen) Alkoholkonsum. Bei Jungen ist rund ein Drittel der verübten körperlichen Gewalt alkoholbedingt, bei Mädchen sind es sogar zwei Drittel. Ein Viertel der Jungen weist einen problematischen Alkoholkonsum auf. Auf dieses Viertel entfallen 50-60 % der durch Knaben verursachten Gewalttaten. Bei den Mädchen sind es 15 %, die einen problematischen Alkoholkonsum aufweisen - und diese 15 % begehen 40 bis 50 % der insgesamt durch Mädchen verübten Gewalttaten.
Ferner weisen verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass Konsummuster (z.B.: Vorglüher, Nicht-Vorglüher) und Trinkmuster, also die Häufigkeit des Konsums und die Menge pro Trinkgelegenheit, aufschlussreicher sind als die durchschnittliche Konsummenge.
 
== Alkohol und Viktimisierung ==
*Knapp die Hälfte der Jungen und etwa 30-40 % der Mädchen, die Opfer von Gewalttaten werden, weisen (nach Kuntsche et al. 2003) selbst einen problematischen Alkoholkonsum auf. Für Abstinente und risikoarm konsumierende besteht demnach eine geringe Wahrscheinlichkeit, sich gewalttätig zu verhalten.
 
*Eine Vielzahl von Studien zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und aggressiven, gewalttätigen Handlungen. Allerdings ist die Forschung aufgrund der Komplexität der Faktoren noch uneinig, wie genau Alkoholkonsum dazu führt, dass aggressive Verhaltensweisen zunehmen und welche Faktoren dabei zusätzlich und moderierend eine Rolle spielen.
*Rossow benennt 1996 grundlegende beeinflussende Faktoren, die Einfluss auf das Risiko haben, verletzt zu werden bzw. in eine Schlägerei verwickelt zu werden. Dazu zählen neben dem Alkoholkonsum insgesamt auch Geschlecht, Alter, Einkommen, Bildungslevel, Persönlichkeitsfaktoren, Freundeskreis, Besuch öffentlicher „Trinkplätze“ und die Frequenz der Alkoholräusche.
*Ferner weisen verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass Konsummuster (z.B.: Vorglüher, Nicht-Vorglüher) und Trinkmuster, also die Häufigkeit des Konsums und die Menge pro Trinkgelegenheit, aufschlussreicher sind als die durchschnittliche Konsummenge.
 
*Es gibt diverse Ansätze und Überlegungen aus neurobiologischer, kognitiver, psychologischer und soziologischer Sicht für den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gewaltverhalten. Dabei stößt man sowohl auf monokausale und  interaktive Modelle als auch auf Modelle mit unabhängigen Wirkfaktoren.


Es gibt diverse Ansätze und Überlegungen aus neurobiologischer, kognitiver, psychologischer und soziologischer Sicht für den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gewaltverhalten. Dabei stößt man sowohl auf monokausale und  interaktive Modelle als auch auf Modelle mit unabhängigen Wirkfaktoren.
Allgemein wird aber eine Triggerwirkung des Alkohols angenommen, der in frustrierenden Situationen Aggression enthemmt, wenn andere Antwortmöglichkeiten schwierig sind.
Allerdings wird deutlich, dass es zu einfach wäre zu behaupten, dass Alkohol auslösend für Gewalt ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass Alkoholmissbrauch als ein Faktor in einem komplexen Faktorengebäude gesehen werden muss, der für bestimmte Tätertypen das Auftreten und auch die Schwere gewalttätiger Übergriffe wahrscheinlicher macht.


==Weblinks==
==Weblinks==
Kuntsche et al., 2003 (ESPAD Sekundäranalyse): Alkohol und Gewalt im Jugendalter
*Kuntsche et al., 2003 (ESPAD Sekundäranalyse): Alkohol und Gewalt im Jugendalter [[http://www.sfa-ispa.ch/DocUpload/rr_Espad_Alkohol_Gewalt.pdf]]
Artikel auf welt.de vom 10. März 2008: Jeder zweite jugendliche Straftäter ist betrunken.
*Artikel auf welt.de vom 10. März 2008: Jeder zweite jugendliche Straftäter ist betrunken. [[http://www.welt.de/politik/article1783594/Jeder_zweite_jugendliche_Straftaeter_ist_betrunken.html]]
Polizeiliche Kriminalstatistik 2007 für Niedersachsen
*Polizeiliche Kriminalstatistik 2007 für Niedersachsen [[http://www.mi.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=14797&article_id=62176&_psmand=33]]
* [http://www.sucht-info.ch/fileadmin/user_upload/DocUpload/rr_Espad_Alkohol_Gewalt.pdf Alkohol und Gewalt im Jugendalter: Gewaltformen aus Täter- und Opferperspektive, Konsummuster und Trinkmotive – Eine Sekundäranalyse der ESPAD Schülerbefragung.]
* [http://www.sucht-info.ch/fileadmin/user_upload/DocUpload/rr_Espad_Alkohol_Gewalt.pdf Alkohol und Gewalt im Jugendalter: Gewaltformen aus Täter- und Opferperspektive, Konsummuster und Trinkmotive – Eine Sekundäranalyse der ESPAD Schülerbefragung.]
* [http://www.bgga.de/3.html BGGA: Wenn Alkohol, dann in Maßen.]
* [http://www.bgga.de/3.html BGGA: Wenn Alkohol, dann in Maßen.]
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