Aktuarische Kriminalpolitik: Unterschied zwischen den Versionen

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== Kritik ==
== Kritik ==


Karl-Ludwig Kunz (2006) kritisiert die aktuarische Kriminalpolitik aufgrund ihrer negativen rechtlichen (die Grundrechte einschränkenden) und sozialen (zur Ausgrenzung tendierenden) Auswirkungen. Insbesondere nennt er die drei Aspekte der Vorbeugenden Überwachung, der Käuflichkeit von Sicherheit und Sicherheitspartnerschaften sowie der Ausgrenzung von Risikoträgern. Sein Vorschlag besteht in der Ersetzung aktuarischer Methoden durch eine gemeinsinnsorientierte Kriminalpolitik.  
Karl-Ludwig Kunz (2006) kritisiert die aktuarische Kriminalpolitik aufgrund ihrer negativen rechtlichen (die Grundrechte einschränkenden) und sozialen (zur Ausgrenzung tendierenden) Auswirkungen. Insbesondere nennt er die drei Aspekte der Vorbeugenden Überwachung, der Käuflichkeit von Sicherheit und Sicherheitspartnerschaften sowie der Ausgrenzung von Risikoträgern. Sein Vorschlag besteht in der Ersetzung aktuarischer Methoden durch eine gemeinsinnorientierte Kriminalpolitik.  


Bernard E. Harcourt (2007: 21 ff.) kritisiert erstens die Mathematik der aktuarischen Methoden (insbesondere des kriminellen Profilings), zweitens die verborgenen sozialen Kosten der Anwendung dieser Methoden in der Kriminalstrategie und drittens die dadurch verursachte Veränderung und Beschädigung der herrschenden Gerechtigkeitsauffassungen. Sein kriminalpolitischer Vorschlag besteht darin, aktuarische Methoden nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu benutzen und ansonsten Kontrollen gerade nicht nach statistischen Häufigkeiten, sondern nach dem Zufallsprinzip vorzunehmen.
Bernard E. Harcourt (2007: 21 ff.) kritisiert erstens die Mathematik der aktuarischen Methoden (insbesondere des kriminellen Profilings), zweitens die verborgenen sozialen Kosten der Anwendung dieser Methoden in der Kriminalstrategie und drittens die dadurch verursachte Veränderung und Beschädigung der herrschenden Gerechtigkeitsauffassungen. Sein kriminalpolitischer Vorschlag besteht darin, aktuarische Methoden nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu benutzen und ansonsten Kontrollen gerade nicht nach statistischen Häufigkeiten, sondern nach dem Zufallsprinzip vorzunehmen.
*Kritik der aktuarischen Mathematik
Aktuarische Kriminalpolitik konzentriert nach ihrem Selbstverständnis die Ressourcen der Strafverfolgung auf die Populationen mit der höchsten Delinquenzbelastung, bis deren Straffälligkeitsrate sich derjenigen der sonstigen Bevölkerung angeglichen hat. Auf diese Weise maximiert sie die Aufdeckung von Straftaten und die Erfolge bei der Reduzierung der Kriminalitätsbelastung in den problematischsten Populationen.
Nach Harcourt beruht diese Strategie auf der (wahrscheinlich fehlerhaften) Annahme, dass unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft auf die Schwerpunktveränderungen im policing in gleicher Weise reagieren (identische relative Elastizität der Deliktsbegehung durch unterschiedliche Gruppen gegenüber Veränderungen im policing). Wenn Leistungsträger der Wirtschaft auf Intensitätserhöhungen der Steuerfahndung elastisch reagieren, d.h. wenn ihre Deliktsneigung zurückgeht, dann wird die Gesellschaft als Ganze nur dann davon profitieren, wenn nicht andere Bevölkerungsgruppen aufgrund der wahrgenommenen Schwerpunktsetzung auf "Leistungsträger" dazu übergehen, dank ihrer Elastizität gegenüber vermindertem Fahndungsdruck in erhöhtem Maße die Steuern zu hinterziehen.


== Literatur ==
== Literatur ==
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