Affäre zum Luftschlag von Kunduz (3./4.9.2009): Unterschied zwischen den Versionen

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Im Zuge der Bombardierung zweier entführter Tanklastwagen in der Nähe des deutschen Lagers im nordafghanischen Kunduz (auch Kundus geschrieben) in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 entwickelte sich in den folgenden Monaten eine politische Affäre innerhalb Deutschlands, in deren Mittelpunkt ranghohe Offiziere der Bundeswehr, Verteidigungspolitiker, die (mangelhafte) Information der Öffentlichkeit sowie letztlich die Grundsatzdiskussion um die Legitimation deutscher Soldaten am Hindukusch und die Frage stehen, inwieweit von ihnen Gewalt angewendet werden darf. Bislang hat der Luftschlag, der bis zu 142 Menschen (die Zahl schwank je nach Quelle), darunter auch zahlreiche Zivilisten, das Leben kostete, hohe politische Wellen geschlagen, ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ermittelt in der Sache, ein Ende der '''Kunduz-Affäre''' ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand: Ende März) nicht abzusehen.
Im Zuge der Bombardierung zweier entführter Tanklastwagen in der Nähe des deutschen Lagers im nordafghanischen Kunduz (auch Kundus geschrieben) in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 entwickelte sich in den folgenden Monaten eine politische Affäre innerhalb Deutschlands, in deren Mittelpunkt ranghohe Offiziere der Bundeswehr, Verteidigungspolitiker, die (mangelhafte) Information der Öffentlichkeit sowie letztlich die Grundsatzdiskussion um die Legitimation deutscher Soldaten am Hindukusch und die Frage stehen, inwieweit von ihnen Gewalt angewendet werden darf. Bislang hat der Luftschlag, der bis zu 142 Menschen (die Zahl schwank je nach Quelle), darunter auch zahlreiche Zivilisten, das Leben kostete, hohe politische Wellen geschlagen, ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ermittelt in der Sache, ein Ende der '''Kunduz-Affäre''' ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand: Ende März) nicht abzusehen.


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== Erste Untersuchungsergebnisse ==
== Erste Untersuchungsergebnisse ==


Der Untersuchungsausschuss hat mittlerweile einige der in die Affäre verwickelten Spitzenmilitärs und -beamte angehört. So wurde am 10.2.2010 als einer der Ersten Oberst Klein zu den nächtlichen Bombardierungen vernommen. Dieser hatte im Vorfeld einer Befragung freiwillig zugestimmt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, als Beschuldigtem im laufenden Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft die Aussage zu verweigern. Vor dem Untersuchungsausschuss übernahm Klein die Gesamtverantwortung für den Luftschlag; er habe allein und ohne Anweisung von Vorgesetzten entschieden ([http://www.neue-oz.de/dpa/brennpunkte/2010/02/10/dpa-23824788.html]). Seiner Aussage nach seien die Laster und die sie unmittlebar umgebenden Aufständischen das Ziel des Angriffs gewesen - sein Fliegerleitoffizier, ebenfalls vom Untersuchungsausschuss befragt, gab im Gegensatz dazu jedoch zu verstehen, er habe lediglich die Tanklastzüge als Gefahr ausschalten wollen (SPIEGEL 9/2010). Desweiteren sei entgegen Kleins Angaben mehr als einmal auf die Möglichkeit verwiesen worden, zwecks Abschreckung Tiefflüge über der Sandbank zu unternehmen.
Der Untersuchungsausschuss hat mittlerweile einige der in die Affäre verwickelten Spitzenmilitärs und -beamte angehört. So wurde am 10.2.2010 als einer der Ersten Oberst Klein zu den nächtlichen Bombardierungen vernommen. Dieser hatte im Vorfeld einer Befragung freiwillig zugestimmt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, als Beschuldigtem eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft die Aussage zu verweigern. Vor dem Untersuchungsausschuss übernahm Klein die Gesamtverantwortung für den Luftschlag; er habe allein und ohne Anweisung von Vorgesetzten entschieden ([http://www.neue-oz.de/dpa/brennpunkte/2010/02/10/dpa-23824788.html]). Seiner Aussage nach seien die Laster und die sie unmittelbar umgebenden Aufständischen das Ziel des Angriffs gewesen - sein Fliegerleitoffizier, ebenfalls vom Untersuchungsausschuss befragt, gab im Gegensatz dazu jedoch zu verstehen, er habe lediglich die Tanklastzüge als Gefahr ausschalten wollen (SPIEGEL 9/2010). Desweiteren sei entgegen Kleins Angaben mehr als einmal auf die Möglichkeit verwiesen worden, zwecks Abschreckung Tiefflüge über der Sandbank zu unternehmen.


Auch die gechassten Schneiderhan und Wichert sind inzwischen von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen vernommen worden. Beide wiesen die Behauptung Guttenbergs, diesen im November belogen zu haben, weit von sich. Der ehemalige Generalinspekteur hatte den Eindruck, "dass der Minister auf Ballhöhe war - immer" [http://www.faz.net/s/Rub0CCA23BC3D3C4C78914F85BED3B53F3C/Doc~E1280394BDB2943A1959B82AFF3DFF77D~ATpl~Ecommon~Scontent.html] Sie bestätigten darüber hinaus, dass es innerhalb des Verteidigungsministeriums eine "Gruppe 85" unter der Leitung Wicherts gegeben habe, welche nicht der Vertuschung gedient habe, sondern der Sicherstellung, "dass die Isaf-Untersuchung nicht einseitig zu Lasten des damaligen Kommandeurs in Kundus, Oberst Klein, verlaufe" (ebd.). Beide bekundeten ihr Unverständnis über die erste eigene Bewertung Guttenbergs, der Angriff sei nicht nur militärisch angemessen gewesen, es habe sogar auch ohne Fehler zum Luftschlag kommen müssen; sie hätten keine Idee, was den Verteidigungsminister zu dieser Bewertung veranlasst haben könnte.
Auch die gechassten Spitzenleute Schneiderhan und Wichert sind inzwischen von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen vernommen worden. Beide wiesen die Behauptung Guttenbergs, diesen im November belogen zu haben, weit von sich. Der ehemalige Generalinspekteur hatte den Eindruck, "dass der Minister auf Ballhöhe war - immer" [http://www.faz.net/s/Rub0CCA23BC3D3C4C78914F85BED3B53F3C/Doc~E1280394BDB2943A1959B82AFF3DFF77D~ATpl~Ecommon~Scontent.html] Sie bestätigten darüber hinaus, dass es innerhalb des Verteidigungsministeriums eine "Gruppe 85" unter der Leitung Wicherts gegeben habe, welche nicht der Vertuschung gedient habe, sondern der Sicherstellung, "dass die Isaf-Untersuchung nicht einseitig zu Lasten des damaligen Kommandeurs in Kundus, Oberst Klein, verlaufe" (ebd.). Beide bekundeten ihr Unverständnis über die erste eigene Bewertung Guttenbergs, der Angriff sei nicht nur militärisch angemessen gewesen, es habe sogar auch ohne Fehler zum Luftschlag kommen ''müssen''; sie hätten keine Idee, was den Verteidigungsminister zu dieser Bewertung veranlasst haben könnte.


Am 25.3.2010 wird Ex-Verteidigungsminister Jung angehört werden, sein Amtsnachfolger Guttenberg soll am 22.4.2010 vor den Untersuchungsausschuss treten.
Am 25.3.2010 wird Ex-Verteidigungsminister Jung angehört werden, sein Amtsnachfolger Guttenberg soll sich am 22.4.2010 vor dem Untersuchungsausschuss erklären.


==(Vorläufiges) Fazit ==
==(Vorläufiges) Fazit ==
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Der schwerste Militärschlag in der Nachkriegsgeschichte der Bundeswehr hat eine eigentümliche Dynamik gewonnen, deren politische Folgen noch lange nicht abzusehen sind. Es sind nicht alleine Verfehlungen einzelner Soldaten, nicht einmal der Tod zahlreicher Zivilisten, die schockieren - in einem bewaffneten Konflikt, wenn nicht gar Krieg kommt es immer wieder zu sog. "Kollateralschäden", die stets bedauernswert, letztlich aber nie ganz zu vermeiden sind. Es ist vielmehr die Art und Weise, mit der die Verantwortlichen, Militärs wie (Verteidigungs-)Politiker, in dieser Affäre agieren. Die Fehler werden durchweg bei anderen gesucht, statt klarer, eindeutiger Aussagen wird um Worte, um Auslegungen gefeilscht, und wo doch einmal ein eigentlich unmissverständliches Statement gesetzt wird, folgt wenig später die Korrektur. Als Außenstehender bekommt man fast zwangsläufig den Eindruck, es würden nie alle relevanten Informationen präsentiert, nur scheibchenweise gelangen neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit, es werde allenthalben vertuscht, verwässert und versteckt.
Der schwerste Militärschlag in der Nachkriegsgeschichte der Bundeswehr hat eine eigentümliche Dynamik gewonnen, deren politische Folgen noch lange nicht abzusehen sind. Es sind nicht alleine Verfehlungen einzelner Soldaten, nicht einmal der Tod zahlreicher Zivilisten, die schockieren - in einem bewaffneten Konflikt, wenn nicht gar Krieg kommt es immer wieder zu sog. "Kollateralschäden", die stets bedauernswert, letztlich aber nie ganz zu vermeiden sind. Es ist vielmehr die Art und Weise, mit der die Verantwortlichen, Militärs wie (Verteidigungs-)Politiker, in dieser Affäre agieren. Die Fehler werden durchweg bei anderen gesucht, statt klarer, eindeutiger Aussagen wird um Worte, um Auslegungen gefeilscht, und wo doch einmal ein eigentlich unmissverständliches Statement gesetzt wird, folgt wenig später die Korrektur. Als Außenstehender bekommt man fast zwangsläufig den Eindruck, es würden nie alle relevanten Informationen präsentiert, nur scheibchenweise gelangen neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit, es werde allenthalben vertuscht, verwässert und versteckt.


Die Politik gerät über diese Affäre in eine Glaubwürdigkeitskrise, weil selbst die in Umfragen als äußerst vertrauensvoll genannten Volksvertreter mauern und schachern, und die involvierten Personen tun allzu wenig dafür, diesen Eindruck zu bereinigen, um die skandalösen Zustände schnell zu einem Abschluss zu bringen. So bleibt abzuwarten, welche überraschenden Erkenntnisse im Rahmen der Untersuchung noch zu Tage gefördert werden.
Die Politik gerät über diese Affäre in eine Glaubwürdigkeitskrise, weil selbst die in Umfragen als äußerst vertrauensvoll genannten Volksvertreter mauern und schachern, und die involvierten Personen allzu wenig dafür tun, diesen Eindruck zu bereinigen, um die skandalösen Zustände schnell zu einem Abschluss zu bringen. So bleibt abzuwarten, welche überraschenden Erkenntnisse im Rahmen der Untersuchung noch zu Tage gefördert werden.


== Quellenverzeichnis ==
== Quellenverzeichnis ==