Affäre zum Luftschlag von Kunduz (3./4.9.2009): Unterschied zwischen den Versionen

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Im Zuge der Bombardierung zweier entführter Tanklastwagen in der Nähe des deutschen Lagers im nordafghanischen Kunduz (auch Kundus geschrieben) in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 entwickelte sich in den folgenden Monaten eine politische Affäre innerhalb Deutschlands, in deren Mittelpunkt ranghohe Offiziere der Bundeswehr, Verteidigungspolitiker, die (mangelhafte) Information der Öffentlichkeit sowie letztlich die Grundsatzdiskussion um die Legitimation deutscher Soldaten am Hindukusch und die Frage stehen, inwieweit von ihnen Gewalt angewendet werden darf. Bislang hat der Luftschlag, der bis zu 142 Menschen (die Zahl schwank je nach Quelle), darunter auch zahlreiche Zivilisten, das Leben kostete, hohe politische Wellen geschlagen, ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ermittelt in der Sache, ein Ende der '''Kunduz-Affäre''' ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand: Ende März) nicht abzusehen.
Im Zuge der Bombardierung zweier entführter Tanklastwagen in der Nähe des deutschen Lagers im nordafghanischen Kunduz (auch Kundus geschrieben) in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 entwickelte sich in den folgenden Monaten eine politische Affäre innerhalb Deutschlands, in deren Mittelpunkt ranghohe Offiziere der Bundeswehr, Verteidigungspolitiker, die (mangelhafte) Information der Öffentlichkeit sowie letztlich die Grundsatzdiskussion um die Legitimation deutscher Soldaten am Hindukusch und die Frage stehen, inwieweit von ihnen Gewalt angewendet werden darf. Bislang hat der Luftschlag, der bis zu 142 Menschen (die Zahl schwank je nach Quelle), darunter auch zahlreiche Zivilisten, das Leben kostete, hohe politische Wellen geschlagen, ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ermittelt in der Sache, ein Ende der '''Kunduz-Affäre''' ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand: Ende März) nicht abzusehen.


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* Wann wusste das Kanzleramt was über die Details der Bombardierung, und spielte die anstehende Bundestagswahl eine Rolle bezüglich der mangelhaften Informationspolitik der Regierung?
* Wann wusste das Kanzleramt was über die Details der Bombardierung, und spielte die anstehende Bundestagswahl eine Rolle bezüglich der mangelhaften Informationspolitik der Regierung?


Die Bundeskanzlerin und ihre engen Mitarbeiter stehen ebenfalls im Fokus der Ermittlungen, weil sie als Regierungschefin letztlich die Verantwortung für ihre Kabinettsmitglieder tragen muss, zumal sie in ihrer Regierungserklärung vom 8.9.2009 eine "lückenlose Aufklärung" der Ereignisse versprach; dieses Versprechen konnte oder wollte sie allerdings (bisher) nicht entsprechend einlösen. Ein möglicher Grund könnte die Bundestagswahl Ende September 2009 gewesen sein: Unschuldige Tote am Hindukusch hätten womöglich Anlass zur Kritik an der Bundeswehr sein und zum Rückgang der Akzeptanz des Afghanistan-Einsatzes in der Bevölkerung führen können (SPIEGEL 49/2009), was möglicherweise wichtige Wählerstimmen gekostet hätte [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,684294,00.html]. Doch auch nach der Bundestagswahl tat die wiedergewählte Kanzlerin wenig, um Licht ins Dunkel der Affäre zu bringen; stattdessen entzog sie sich bislang weitestgehend ihrer politischen Verantwortung [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,667189,00.html].
Die Bundeskanzlerin und ihre engen Mitarbeiter stehen ebenfalls im Fokus der Ermittlungen, weil Merkel als Regierungschefin letztlich die Verantwortung für ihre Kabinettsmitglieder tragen muss, zumal sie in ihrer Regierungserklärung vom 8.9.2009 eine "lückenlose Aufklärung" der Ereignisse versprach; dieses Versprechen konnte oder wollte sie allerdings (bisher) nicht entsprechend einlösen. Ein möglicher Grund könnte die Bundestagswahl Ende September 2009 gewesen sein: Unschuldige Tote am Hindukusch hätten womöglich Anlass zur Kritik an der Bundeswehr sein und zum Rückgang der Akzeptanz des Afghanistan-Einsatzes in der Bevölkerung führen können (SPIEGEL 49/2009), was möglicherweise wichtige Wählerstimmen gekostet hätte [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,684294,00.html]. Doch auch nach der Bundestagswahl tat die wiedergewählte Kanzlerin wenig, um Licht ins Dunkel der Affäre zu bringen; stattdessen entzog sie sich bislang weitestgehend ihrer politischen Verantwortung [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,667189,00.html].


Am 25.3.2010 meldete SPIEGEL ONLINE, dass am Morgen des 4.9.2009 um 8.06 Uhr an führende Beamte der Abteilung 6 im Kanzleramt von Angela Merkel eine Mail mit Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) erging, dass bei dem Angriff "zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen sind (Zahlen variieren von 50 bis 100)" [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,685582,00.html]. Damit rückt nun auch die Kanzlerin, die bisher die Vertuschungsaffäre rund um das Bombardement erfolgreich von sich fernhalten konnte, in den Fokus: Auch wenn sie die Existenz ziviler Opfer nie verneint hatte, wird sie durch die E-Mail unter Druck gesetzt, schließlich stellt sich die Frage, ob Merkel nicht früher in das schlechte Krisenmanagement ihrer Regierung hätte eingreifen müssen [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,685688,00.html].
Am 25.3.2010 meldete SPIEGEL ONLINE, dass am Morgen des 4.9.2009 um 8.06 Uhr an führende Beamte der Abteilung 6 im Kanzleramt von Angela Merkel eine Mail mit Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) erging, dass bei dem Angriff "zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen sind (Zahlen variieren von 50 bis 100)" [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,685582,00.html]. Damit rückt nun auch die Kanzlerin, die bisher die Vertuschungsaffäre rund um das Bombardement erfolgreich von sich fernhalten konnte, in den Fokus: Auch wenn sie die Existenz ziviler Opfer nie verneint hatte, wird sie durch die E-Mail unter Druck gesetzt, schließlich stellt sich die Frage, ob Merkel nicht früher in das schlechte Krisenmanagement ihrer Regierung hätte eingreifen können - und müssen [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,685688,00.html].


=== Karl-Theodor zu Guttenberg ===
=== Karl-Theodor zu Guttenberg ===
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: - wann er tatsächlich über welche Informationen verfügte bzw. verfügen konnte, und inwieweit die Vehemenz, mit der Guttenberg seine Ansichten zur Lage der Dinge äußerte, ihrerseits angemessen war;
: - wann er tatsächlich über welche Informationen verfügte bzw. verfügen konnte, und inwieweit die Vehemenz, mit der Guttenberg seine Ansichten zur Lage der Dinge äußerte, ihrerseits angemessen war;


: - ob er die mittlerweile drei Entlassungen (neben Schneiderhan und Wichert wurde Mitte März auch der Brigadegeneral Henning Hars wegen kritischer Nachfragen in den einstweiligen Ruhestand versetzt [http://www.focus.de/politik/deutschland/verteidigung-weiterer-general-wegen-kundus-affaere-entlassen_aid_489163.html]) womöglich nur veranlasste, um von eigenen Fehlern abzulenken, zumal er kurz vor der Anhörung Schneiderhans und Wicherts, die am 18.3.2010 vor dem Untersuchungsausschuss aussagen sollten, zurückruderte und bekundete, er sei "nie davon ausgegangen, dass ihm böswillig, vorsätzlich Unterlagen vorenthalten worden sind" (SPIEGEL 11/2010: 23); genau so hatte er jedoch wochenlang immer wieder die Entlassung seiner beiden Spitzenkräfte begründet.
: - ob er die mittlerweile drei Entlassungen (neben Schneiderhan und Wichert wurde Mitte März auch der Brigadegeneral Henning Hars wegen kritischer Nachfragen in den einstweiligen Ruhestand versetzt [http://www.focus.de/politik/deutschland/verteidigung-weiterer-general-wegen-kundus-affaere-entlassen_aid_489163.html]) womöglich nur veranlasste, um von eigenen Fehlern abzulenken, zumal er kurz vor der Anhörung Schneiderhans und Wicherts, die am 18.3.2010 vor dem Untersuchungsausschuss aussagen sollten, zurückruderte und bekundete, er sei "nie davon ausgegangen, dass ihm böswillig, vorsätzlich Unterlagen vorenthalten worden sind" (SPIEGEL 11/2010: 23); genau damit hatte er jedoch wochenlang immer wieder die Entlassung seiner beiden Spitzenkräfte begründet.


Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses werden wohl maßgeblich zur Klärung der Frage beitragen, inwieweit die Einschätzungen Guttenbergs von persönlichen Motiven bestimmt waren, wo bewusst Vertuschungen stattfanden und Eigeninteressen der Vorzug vor der objektiven Wahrheit gegeben wurde. Gleich nach seiner Amtsübernahme versprach er, für mehr Transparenz seines Ministeriums zu sorgen [http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-11/jung-guttenberg-kritik] - sollte sich am Ende herausstellen, dass der Verteidigungsminister höchstpersönlich wenig zur lückenlosen Aufklärung der Affäre beitrug und stattdessen möglicherweise "Bauernopfer" [http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wolfgang-schneiderhan-mr-bundeswehr-endet-als-bauernopfer;2490630] forderte, dann würde die kurze, aber steile Karriereleiter Guttenbergs möglichweise ein jähes Ende finden. Dass er für die Regierung unhaltbar würde, läge allerdings nicht an seiner anfänglichen Fehleinschätzung - diese und der spätere Kurswechsel könnten ihm angesichts der relativ kurzen Amtszeit zum Zeitpunkt der Vorfälle gewissermaßen als "Anfängerfehler" nachgesehen werden. Vielmehr die Art und Weise, mit der Guttenberg im Anschluss daran sein Missgeschick zu vertuschen suchte, offenbar unfähig, eigene Fehler öffentlich einzugestehen, würde ihn für Merkel unglaubwürdig und damit wohl untragbar machen.
Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses werden wohl maßgeblich zur Klärung der Frage beitragen, inwieweit die öffentlichen  Einschätzungen Guttenbergs von persönlichen Motiven bestimmt waren, wo bewusst Vertuschungen stattfanden und Eigeninteressen der Vorzug vor der objektiven Wahrheit gegeben wurde. Gleich nach seiner Amtsübernahme versprach der junge Verteidigungsminister, für mehr Transparenz seines Hauses zu sorgen [http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-11/jung-guttenberg-kritik]. Sollte sich nun am Ende herausstellen, dass der Minister höchstpersönlich wenig zur lückenlosen Aufklärung der Affäre beitrug und stattdessen möglicherweise "Bauernopfer" [http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wolfgang-schneiderhan-mr-bundeswehr-endet-als-bauernopfer;2490630] forderte, dann würde die kurze, aber steile Karriereleiter Guttenbergs eventuell ein jähes Ende finden. Dass er für die Regierung unhaltbar würde, läge allerdings nicht an seiner anfänglichen Fehleinschätzung - diese und der spätere Kurswechsel könnten ihm angesichts der relativ kurzen Amtszeit zum Zeitpunkt der Vorfälle gewissermaßen als "Anfängerfehler" nachgesehen werden. Vielmehr die Art und Weise, mit der Guttenberg im Anschluss daran sein Missgeschick zu vertuschen suchte, offenbar unfähig, eigene Fehler öffentlich einzugestehen, würde ihn für Merkel unglaubwürdig und damit wohl untragbar machen.


=== Bundeswehr ===
=== Bundeswehr ===
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* Inwieweit wird die Truppe in Afghanistan ihrer Funktion als "Parlamentsarmee" gerecht?
* Inwieweit wird die Truppe in Afghanistan ihrer Funktion als "Parlamentsarmee" gerecht?


Neben den oben genannten Hauptpersonen muss sich allerdings auch die Bundeswehr als Institution möglicherweise unangenehmen Fragen stellen. Im Zuge der bisherigen Affäre ist an einigen Stellen bereits deutlich geworden, dass die Informationsstränge in der Armee teilweise äußerst wirr und unüberschaubar verlaufen. An manchen Stellen werden wichtige Dokumente nicht weitergleitet, hochrangige Militärs unterrichten ihre (politischen) Vorgesetzten nicht, und v. a. haben sich offensichtlich innerhalb der Streitkräfte Strukturen gebildet, von denen ein Großteil der Parlamentarier bislang keinerlei Kenntnis hatte, was angesichts des Parlamentsbeteiligungsgesetzes [http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2008/19492439_parlamentsarmee/index.html] (wonach der Bundestag über den Verlauf der Einsätze und über die Entwicklung im Einsatzgebiet zwingend zu unterrichten ist [http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/parlamentsbeteiligung/index.html]) als illegitim bezeichnet werden muss. Das Ausmaß der Beteiligung des KSK [http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-01/afghanistan-kundus-ksk] an den Vorgängen in der besagten Nacht im Rahmen der ominösen Task Force 47 sowie die generelle Unklarheit des Parlaments bezüglich des Ausmaßes von Aktivitäten von KSK-Soldaten in Afghanistan ist in jedem Fall klärungsbedürftig. Es hat den Anschein, als hätten sich Teile der Armee verselbstständigt, so dass auch die Gründe für eine solche Loslösung von gesetzlichen Vorschriften zu erforschen sind.
Neben den oben genannten Hauptpersonen muss sich allerdings auch die Bundeswehr als Institution möglicherweise unangenehmen Fragen stellen. Im Zuge der bisherigen Affäre ist an einigen Stellen bereits deutlich geworden, dass die Informationsstränge in der Armee teilweise äußerst wirr und unüberschaubar verlaufen. An manchen Stellen werden wichtige Dokumente nicht weitergleitet, hochrangige Militärs unterrichten ihre (politischen) Vorgesetzten nicht, und v. a. haben sich offensichtlich innerhalb der Streitkräfte Strukturen gebildet, von denen ein Großteil der Parlamentarier bislang keinerlei Kenntnis hatte, was angesichts des Parlamentsbeteiligungsgesetzes [http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2008/19492439_parlamentsarmee/index.html] (wonach der Bundestag über den Verlauf der Einsätze und über die Entwicklung im Einsatzgebiet zwingend zu unterrichten ist [http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/parlamentsbeteiligung/index.html]) als illegitim bezeichnet werden muss. Das Ausmaß der Beteiligung des KSK [http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-01/afghanistan-kundus-ksk] an den Vorgängen in der besagten Nacht im Rahmen der ominösen Task Force 47 sowie die generelle Unklarheit des Parlaments bezüglich des Ausmaßes von Aktivitäten von KSK-Soldaten in Afghanistan ist in jedem Fall klärungsbedürftig. Es hat den Anschein, als hätten sich Teile der Armee verselbständigt, so dass auch die Gründe für eine solche Loslösung von gesetzlichen Vorschriften zu erforschen sind.


== Erste Untersuchungsergebnisse ==
== Erste Untersuchungsergebnisse ==


Der Untersuchungsausschuss hat mittlerweile einige der in die Affäre verwickelten Spitzenmilitärs und -beamte angehört. So wurde am 10.2.2010 als einer der Ersten Oberst Klein zu den nächtlichen Bombardierungen vernommen. Dieser hatte im Vorfeld einer Befragung freiwillig zugestimmt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, als Beschuldigtem im laufenden Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft die Aussage zu verweigern. Vor dem Untersuchungsausschuss übernahm Klein die Gesamtverantwortung für den Luftschlag; er habe allein und ohne Anweisung von Vorgesetzten entschieden ([http://www.neue-oz.de/dpa/brennpunkte/2010/02/10/dpa-23824788.html]). Seiner Aussage nach seien die Laster und die sie unmittlebar umgebenden Aufständischen das Ziel des Angriffs gewesen - sein Fliegerleitoffizier, ebenfalls vom Untersuchungsausschuss befragt, gab im Gegensatz dazu jedoch zu verstehen, er habe lediglich die Tanklastzüge als Gefahr ausschalten wollen (SPIEGEL 9/2010). Desweiteren sei entgegen Kleins Angaben mehr als einmal auf die Möglichkeit verwiesen worden, zwecks Abschreckung Tiefflüge über der Sandbank zu unternehmen.
Der Untersuchungsausschuss hat mittlerweile einige der in die Affäre verwickelten Spitzenmilitärs und -beamte angehört. So wurde am 10.2.2010 als einer der Ersten Oberst Klein zu den nächtlichen Bombardierungen vernommen. Dieser hatte im Vorfeld einer Befragung freiwillig zugestimmt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, als Beschuldigtem eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft die Aussage zu verweigern. Vor dem Untersuchungsausschuss übernahm Klein die Gesamtverantwortung für den Luftschlag; er habe allein und ohne Anweisung von Vorgesetzten entschieden ([http://www.neue-oz.de/dpa/brennpunkte/2010/02/10/dpa-23824788.html]). Seiner Aussage nach seien die Laster und die sie unmittelbar umgebenden Aufständischen das Ziel des Angriffs gewesen - sein Fliegerleitoffizier, ebenfalls vom Untersuchungsausschuss befragt, gab im Gegensatz dazu jedoch zu verstehen, er habe lediglich die Tanklastzüge als Gefahr ausschalten wollen (SPIEGEL 9/2010). Desweiteren sei entgegen Kleins Angaben mehr als einmal auf die Möglichkeit verwiesen worden, zwecks Abschreckung Tiefflüge über der Sandbank zu unternehmen.


Auch die gechassten Schneiderhan und Wichert sind inzwischen von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen vernommen worden. Beide wiesen die Behauptung Guttenbergs, diesen im November belogen zu haben, weit von sich. Der ehemalige Generalinspekteur hatte den Eindruck, "dass der Minister auf Ballhöhe war - immer" [http://www.faz.net/s/Rub0CCA23BC3D3C4C78914F85BED3B53F3C/Doc~E1280394BDB2943A1959B82AFF3DFF77D~ATpl~Ecommon~Scontent.html] Sie bestätigten darüber hinaus, dass es innerhalb des Verteidigungsministeriums eine "Gruppe 85" unter der Leitung Wicherts gegeben habe, welche nicht der Vertuschung gedient habe, sondern der Sicherstellung, "dass die Isaf-Untersuchung nicht einseitig zu Lasten des damaligen Kommandeurs in Kundus, Oberst Klein, verlaufe" (ebd.). Beide bekundeten ihr Unverständnis über die erste eigene Bewertung Guttenbergs, der Angriff sei nicht nur militärisch angemessen gewesen, es habe sogar auch ohne Fehler zum Luftschlag kommen müssen; sie hätten keine Idee, was den Verteidigungsminister zu dieser Bewertung veranlasst haben könnte.
Auch die gechassten Spitzenleute Schneiderhan und Wichert sind inzwischen von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen vernommen worden. Beide wiesen die Behauptung Guttenbergs, diesen im November belogen zu haben, weit von sich. Der ehemalige Generalinspekteur hatte den Eindruck, "dass der Minister auf Ballhöhe war - immer" [http://www.faz.net/s/Rub0CCA23BC3D3C4C78914F85BED3B53F3C/Doc~E1280394BDB2943A1959B82AFF3DFF77D~ATpl~Ecommon~Scontent.html] Sie bestätigten darüber hinaus, dass es innerhalb des Verteidigungsministeriums eine "Gruppe 85" unter der Leitung Wicherts gegeben habe, welche nicht der Vertuschung gedient habe, sondern der Sicherstellung, "dass die Isaf-Untersuchung nicht einseitig zu Lasten des damaligen Kommandeurs in Kundus, Oberst Klein, verlaufe" (ebd.). Beide bekundeten ihr Unverständnis über die erste eigene Bewertung Guttenbergs, der Angriff sei nicht nur militärisch angemessen gewesen, es habe sogar auch ohne Fehler zum Luftschlag kommen ''müssen''; sie hätten keine Idee, was den Verteidigungsminister zu dieser Bewertung veranlasst haben könnte.


Am 25.3.2010 wird Ex-Verteidigungsminister Jung angehört werden, sein Amtsnachfolger Guttenberg soll am 22.4.2010 vor den Untersuchungsausschuss treten.
Am 25.3.2010 wird Ex-Verteidigungsminister Jung angehört werden, sein Amtsnachfolger Guttenberg soll sich am 22.4.2010 vor dem Untersuchungsausschuss erklären.


==(Vorläufiges) Fazit ==
==(Vorläufiges) Fazit ==
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Der schwerste Militärschlag in der Nachkriegsgeschichte der Bundeswehr hat eine eigentümliche Dynamik gewonnen, deren politische Folgen noch lange nicht abzusehen sind. Es sind nicht alleine Verfehlungen einzelner Soldaten, nicht einmal der Tod zahlreicher Zivilisten, die schockieren - in einem bewaffneten Konflikt, wenn nicht gar Krieg kommt es immer wieder zu sog. "Kollateralschäden", die stets bedauernswert, letztlich aber nie ganz zu vermeiden sind. Es ist vielmehr die Art und Weise, mit der die Verantwortlichen, Militärs wie (Verteidigungs-)Politiker, in dieser Affäre agieren. Die Fehler werden durchweg bei anderen gesucht, statt klarer, eindeutiger Aussagen wird um Worte, um Auslegungen gefeilscht, und wo doch einmal ein eigentlich unmissverständliches Statement gesetzt wird, folgt wenig später die Korrektur. Als Außenstehender bekommt man fast zwangsläufig den Eindruck, es würden nie alle relevanten Informationen präsentiert, nur scheibchenweise gelangen neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit, es werde allenthalben vertuscht, verwässert und versteckt.
Der schwerste Militärschlag in der Nachkriegsgeschichte der Bundeswehr hat eine eigentümliche Dynamik gewonnen, deren politische Folgen noch lange nicht abzusehen sind. Es sind nicht alleine Verfehlungen einzelner Soldaten, nicht einmal der Tod zahlreicher Zivilisten, die schockieren - in einem bewaffneten Konflikt, wenn nicht gar Krieg kommt es immer wieder zu sog. "Kollateralschäden", die stets bedauernswert, letztlich aber nie ganz zu vermeiden sind. Es ist vielmehr die Art und Weise, mit der die Verantwortlichen, Militärs wie (Verteidigungs-)Politiker, in dieser Affäre agieren. Die Fehler werden durchweg bei anderen gesucht, statt klarer, eindeutiger Aussagen wird um Worte, um Auslegungen gefeilscht, und wo doch einmal ein eigentlich unmissverständliches Statement gesetzt wird, folgt wenig später die Korrektur. Als Außenstehender bekommt man fast zwangsläufig den Eindruck, es würden nie alle relevanten Informationen präsentiert, nur scheibchenweise gelangen neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit, es werde allenthalben vertuscht, verwässert und versteckt.


Die Politik gerät über diese Affäre in eine Glaubwürdigkeitskrise, weil selbst die in Umfragen als äußerst vertrauensvoll genannten Volksvertreter mauern und schachern, und die involvierten Personen tun allzu wenig dafür, diesen Eindruck zu bereinigen, um die skandalösen Zustände schnell zu einem Abschluss zu bringen. So bleibt abzuwarten, welche überraschenden Erkenntnisse im Rahmen der Untersuchung noch zu Tage gefördert werden.
Die Politik gerät über diese Affäre in eine Glaubwürdigkeitskrise, weil selbst die in Umfragen als äußerst vertrauensvoll genannten Volksvertreter mauern und schachern, und die involvierten Personen allzu wenig dafür tun, diesen Eindruck zu bereinigen, um die skandalösen Zustände schnell zu einem Abschluss zu bringen. So bleibt abzuwarten, welche überraschenden Erkenntnisse im Rahmen der Untersuchung noch zu Tage gefördert werden.


== Quellenverzeichnis ==
== Quellenverzeichnis ==