Affäre zum Luftschlag von Kunduz (3./4.9.2009): Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 12: Zeile 12:
Jahrelang waren die Rollen der einzelnen Streitmächte in Afghanistan offiziell klar umrissen: Während sich die USA und zahlreiche Bündnisstaaten am Kampf gegen die Taliban beteiligen und damit selbstverständlich Teil eines "nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes" (so der Kölner Völkerrechtler Claus Kreß im SPIEGEL 40/2009) sind, in dem entsprechend Kriegsrecht gilt, zierte sich die Bundesrepublik lange Zeit, einer Beteiligung an Kampfhandlungen zuzustimmen.  
Jahrelang waren die Rollen der einzelnen Streitmächte in Afghanistan offiziell klar umrissen: Während sich die USA und zahlreiche Bündnisstaaten am Kampf gegen die Taliban beteiligen und damit selbstverständlich Teil eines "nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes" (so der Kölner Völkerrechtler Claus Kreß im SPIEGEL 40/2009) sind, in dem entsprechend Kriegsrecht gilt, zierte sich die Bundesrepublik lange Zeit, einer Beteiligung an Kampfhandlungen zuzustimmen.  


Zwar beteiligte sich die Bundeswehr an der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzten Sicherungstruppe [[ISAF]], indem sie ab 2006 das ISAF-Kommando im Norden Afghanistans übernahm, doch legte die jeweiligen Bundesregierungen stets Wert darauf, dass die deutschen Soldaten unter der Bezeichnung [[PRT|Provincial Reconstruction Team]] firmierten, diese also beim Wiederaufbau der Region beteiligt sind und die Zivilbevölkerung unterstützt, nicht aber Jagd auf die Taliban macht. Erst im Juni 2008 wird eine schnelle Eingreiftruppe namens [[Quick Reaction Force]], bestehend zunächst aus 200 Elitesoldaten, nach Afghanistan entsandt: Ihre Aufgabe besteht tatsächlich darin, offensiv gegen die im Norden wiedererstarkten Taliban vorzugehen, wo es immer häufiger zu "sicherheitsrelevanten Vorfällen" kommt. Als dann im Mai 2009 ein lokaler Taliban-Drahtzieher von einem Team des Kommandos Spezialkräfte (KSK) gefangen genommen wird, ist die Haltungsänderung der Bundesrepublik offensichtlich: Fortan wird nicht mehr nur geholfen, nun werden auch Taliban gejagt. Zudem ist es den deutschen Soldaten jetzt nicht mehr verboten, tödliche Gewalt anzuwenden, solange nicht ein Angriff stattfindet oder unmittelbar bevorsteht. Trotzdem wollten deutsche Verteidigungpolitiker bislang Weder etwas von einem Krieg, in den die Deutschen nun möglicherwiese verwickelt waren, noch von einem bewaffneten Konflikt wissen.
Zwar beteiligte sich die Bundeswehr an der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzten Sicherungstruppe [[ISAF]], indem sie ab 2006 das ISAF-Kommando im Norden Afghanistans übernahm, doch legte die jeweiligen Bundesregierungen stets Wert darauf, dass die deutschen Soldaten unter der Bezeichnung [[PRT|Provincial Reconstruction Team]] firmierten, diese also beim Wiederaufbau der Region beteiligt sind und die Zivilbevölkerung unterstützen, nicht aber Jagd auf die Taliban machen. Erst im Juni 2008 wird eine schnelle Eingreiftruppe namens [[Quick Reaction Force]], bestehend zunächst aus 200 Elitesoldaten, nach Afghanistan entsandt: Ihre Aufgabe besteht tatsächlich darin, offensiv gegen die im Norden wiedererstarkten Taliban vorzugehen, wo es immer häufiger zu "sicherheitsrelevanten Vorfällen" kommt. Als dann im Mai 2009 ein lokaler Taliban-Drahtzieher von einem Team des Kommandos Spezialkräfte (KSK) gefangen genommen wird, ist die Haltungsänderung der Bundesrepublik offensichtlich: Fortan wird nicht mehr nur geholfen, nun werden auch Taliban bekämpft. Zudem ist es den deutschen Soldaten jetzt nicht mehr verboten, tödliche Gewalt anzuwenden, solange nicht ein Angriff stattfindet oder unmittelbar bevorsteht. Trotzdem wollten deutsche Verteidigungpolitiker bislang weder etwas von einem Krieg, in den die Deutschen nun möglicherwiese verwickelt waren, noch von einem bewaffneten Konflikt wissen.


Allerdings fand diese Neuorientierung zu einem Zeitpunkt statt, als die Amerikaner - nunmehr unter dem neuen ISAF-Kommandierenden General Stanley A. McChrystal - ihrerseits eine Kehrtwende einlegten (SPIEGEL 38/2009): Die neue Strategie sieht vor, zwecks Steigerung der Akzeptanz der Besatzer durch die Zivilbevölkerung zukünftig nicht mehr sofort aus großer Höhe mit Jagdbombern zu attackieren, was in der Vergangenheit zu massiven Kollateralschäden geführt hatte, sondern "die Bevölkerung für sich zu gewinnen", indem man "sich mit Luftschlägen zurückhält und zivile Opfer so weit wie möglich vermeidet" (SPIEGEL 39/2009). Dieses Umdenken wurde bis dato vehement von den Deutschen gefordert, in der Nacht vom 3. auf den 4.9.2009 aber offensichtlich von der Bundeswehr in verheerender Form konterkariert (ZEIT 38/2009).
Allerdings fand diese Neuorientierung zu einem Zeitpunkt statt, als die Amerikaner - nunmehr unter dem neuen ISAF-Kommandierenden General Stanley A. McChrystal - ihrerseits eine Kehrtwende einlegten (SPIEGEL 38/2009): Die neue Strategie sieht vor, zwecks Steigerung der Akzeptanz der Besatzer durch die Zivilbevölkerung zukünftig nicht mehr sofort aus großer Höhe mit Jagdbombern zu attackieren, was in der Vergangenheit zu massiven Kollateralschäden geführt hatte, sondern "die Bevölkerung für sich zu gewinnen", indem man "sich mit Luftschlägen zurückhält und zivile Opfer so weit wie möglich vermeidet" (SPIEGEL 39/2009: 26). Dieses Umdenken wurde bis dato vehement von den Deutschen gefordert, in der Nacht vom 3. auf den 4.9.2009 aber offensichtlich von der Bundeswehr in verheerender Form konterkariert (ZEIT 38/2009).


=== Hauptphase: Stunden der Entführung der Tanklaster bis zum Bombenabwurf ===
=== Hauptphase: Stunden der Entführung der Tanklaster bis zum Bombenabwurf ===
272

Bearbeitungen