Abschreckung: Unterschied zwischen den Versionen

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In seinem berühmten Werk „Über Verbrechen und Strafen“ (zuerst 1764 anonym veröffentlicht; hier 1905) entwirft [[Beccaria]] (*15.03.1738; †28.11.1794) die historisch erste Fassung des Abschreckungskonzeptes. Es gehört daher zu den ‚klassischen’ kriminologischen Grundgedanken. Beccarias Überlegungen bauen auf einem rationalem Menschenbild auf, dessen ideengeschichtlicher Hintergrund in der schottischen Moralphilosophie und dem Utilitarismus liegt (vgl. Beirne 1991; vgl. Vanberg 1975): Menschen streben Lustgewinn an und versuchen Schmerz zu vermeiden. In diesem Sinne wählen sie ihre Handlungen und da kriminelle Handlungen eine hohe Gewinnchance versprechen, liegt es Nahe, sie zu wählen. Dagegen wird eine antizipierte Strafe lustmindernd und schmerz-verursachend interpretiert. Die Strafe wird mit in die Handlungsorientierung einkalkuliert, eine abschreckende Wirkung wird dann erzielt, wenn die erwarteten Kosten der Strafe den angestrebten Nutzen einer kriminellen Handlung übersteigen. Auch die Komponenten der sozialen Kontrolle, also die Forderung nach Sanktions-Sicherheit und die Forderung, dass die Strafe ohne zeitliche Verzögerung folgen soll, sind schon bei [[Beccaria]] zu finden (vgl. Eifler 2002, 14) Der Zweck einer Strafe ist ein zweifacher: erstens hindert die [[Strafe]] den Verbrecher an der Begehung neuer Strafen. Zweitens soll sie die anderen Mitglieder der Gesellschaft davon abschrecken, eine ebensolche kriminelle Tat zu begehen. „Der Zweck ist also kein anderer, als den Verbrecher daran zu hindern, seinen Mitbürgern neuen Schaden zu zufügen und die anderen von gleichen Handlungen abzuhalten.“ ([[Beccaria]] 1905, 103) Beccarias Abschreckungsgedanke ist zwar nicht direkt dem Humanismus verpflichtet, er ist aber insofern humanistisch geprägt, als dass inhumane Strafen nicht zweckmäßig und daher tyrannisch sind, wie [[Beccaria]] am Beispiel der Todesstrafe darlegt (vgl. [[Beccaria]] 1905, 103 & 105f, vgl. Naucke 1989, 47f). Auch in den Schriften des englischen Utilitaristen [[Bentham]] (*15.03.1748; †06.06.1832) spielt der [[Deterrence]]-Gedanke eine wichtige Rolle. Die Konzeption ist im Grunde dieselbe: Lustgewinn (‚pleasure’) und Schmerz (‚pain’) sind die Leitmotive des menschlichen Handelns. So gilt wieder, dass einzelne Menschen durch an ihnen vollstreckte Strafe von der Begehung weiterer Verbrechen abgehalten werden und auch, dass die Menschen ganz allgemein kriminelle Handlungen wählen, wenn keine adäquate Abschreckung (antizipierte Strafe) sie davon abhält (vgl. Geis 1972, 59f). Unzweckmäßig hohe Strafen lehnt Bentham ebenso ab wie Beccaria. Die Strafe ist ein Übel, welches nur eingesetzt werden darf, um größeres Übel zu verhindern.
In seinem berühmten Werk „Über Verbrechen und Strafen“ (zuerst 1764 anonym veröffentlicht; hier 1905) entwirft [[Cesare Beccaria]] (*15.03.1738; †28.11.1794) die historisch erste Fassung des Abschreckungskonzeptes. Es gehört daher zu den ‚klassischen’ kriminologischen Grundgedanken. Beccarias Überlegungen bauen auf einem rationalem Menschenbild auf, dessen ideengeschichtlicher Hintergrund in der schottischen Moralphilosophie und dem Utilitarismus liegt (vgl. Beirne 1991; vgl. Vanberg 1975): Menschen streben Lustgewinn an und versuchen Schmerz zu vermeiden. In diesem Sinne wählen sie ihre Handlungen und da kriminelle Handlungen eine hohe Gewinnchance versprechen, liegt es Nahe, sie zu wählen. Dagegen wird eine antizipierte Strafe lustmindernd und schmerz-verursachend interpretiert. Die Strafe wird mit in die Handlungsorientierung einkalkuliert, eine abschreckende Wirkung wird dann erzielt, wenn die erwarteten Kosten der Strafe den angestrebten Nutzen einer kriminellen Handlung übersteigen. Auch die Komponenten der sozialen Kontrolle, also die Forderung nach Sanktions-Sicherheit und die Forderung, dass die Strafe ohne zeitliche Verzögerung folgen soll, sind schon bei Beccaria zu finden (vgl. Eifler 2002, 14) Der Zweck einer Strafe ist ein zweifacher: erstens hindert die [[Strafe]] den Verbrecher an der Begehung neuer Strafen. Zweitens soll sie die anderen Mitglieder der Gesellschaft davon abschrecken, eine ebensolche kriminelle Tat zu begehen. „Der Zweck ist also kein anderer, als den Verbrecher daran zu hindern, seinen Mitbürgern neuen Schaden zu zufügen und die anderen von gleichen Handlungen abzuhalten.“ (Beccaria 1905, 103) Beccarias Abschreckungsgedanke ist zwar nicht direkt dem Humanismus verpflichtet, er ist aber insofern humanistisch geprägt, als dass inhumane Strafen nicht zweckmäßig und daher tyrannisch sind, wie Beccaria am Beispiel der Todesstrafe darlegt (vgl. Beccaria 1905, 103 & 105f, vgl. Naucke 1989, 47f). Auch in den Schriften des englischen Utilitaristen [[Jeremy Bentham]] (*15.03.1748; †06.06.1832) spielt der [[Deterrence]]-Gedanke eine wichtige Rolle. Die Konzeption ist im Grunde dieselbe: Lustgewinn (‚pleasure’) und Schmerz (‚pain’) sind die Leitmotive des menschlichen Handelns. So gilt wieder, dass einzelne Menschen durch an ihnen vollstreckte Strafe von der Begehung weiterer Verbrechen abgehalten werden und auch, dass die Menschen ganz allgemein kriminelle Handlungen wählen, wenn keine adäquate Abschreckung (antizipierte Strafe) sie davon abhält (vgl. Geis 1972, 59f). Unzweckmäßig hohe Strafen lehnt Bentham ebenso ab wie Beccaria. Die Strafe ist ein Übel, welches nur eingesetzt werden darf, um größeres Übel zu verhindern.


Franz von [[Liszt]] (*02.03.1851; †21.06.1919) legt in seinem Werk „Der Zweckgedanke im Strafrecht“ (von [[Liszt]] 2002; zuerst 1883) den Schwerpunkt auf die personenbezogene Form der Abschreckung durch angewandte Strafen als Reaktion auf ein Verbrechen. Zwar erkennt er ebenso wie [[Beccaria]] und [[Bentham]] die abschreckende Wirkung der Strafandrohung (vgl. von [[Liszt]] 2002, 41); sein inhaltliches Augenmerk liegt allerdings auf der abschreckenden Wirkung der ausgeführten Strafe, also der Abschreckung eines bestimmten, bereits straffällig gewordenen Verbrechers von weiteren Taten. Abschreckung ist dann die „durch Einpflanzung und Kräftigung der der egoistischen, aber in der Wirkung mit den altruistischen zusammenfallender Motive“, um die „künstliche Anpassung des Verbrechers an die Gesellschaft“ (von Liszt 2002, 40) herbei zu führen. Die Strafe ist nicht mehr nur Rache, welche eine angenommene Ordnung restituieren soll und dient auch nicht der Verhinderung von Taten durch eine Haftzeit, während welcher derjenige keine neuen Verbrechen begehen kann, sondern dient konkret dem Zweck der präventiven Besserung: der Bestrafte soll lernen, sich nach verbüßter Haftzeit nicht erneut kriminell zu verhalten. Nach von [[Liszt]] entfaltet die angewandte Strafe ihre abschreckend-präventive und disziplinierende Wirkung beim sogenannten ‚Gelegenheitsverbrecher’: „Hier soll die Strafe (...) die Autorität des übertretenen Gesetzes herstellen, sie soll Abschreckung sein, eine gewissermaßen handgreifliche Warnung, ein „Denkzettel“ für den egoistischen Trieb des Verbrechers“ (von Liszt 2002, 49):
[[Franz v. Liszt|Franz von Liszt]] (*02.03.1851; †21.06.1919) legt in seinem Werk „Der Zweckgedanke im Strafrecht“ (von Liszt 2002; zuerst 1883) den Schwerpunkt auf die personenbezogene Form der Abschreckung durch angewandte Strafen als Reaktion auf ein Verbrechen. Zwar erkennt er ebenso wie Beccaria und Bentham die abschreckende Wirkung der Strafandrohung (vgl. von Liszt 2002, 41); sein inhaltliches Augenmerk liegt allerdings auf der abschreckenden Wirkung der ausgeführten Strafe, also der Abschreckung eines bestimmten, bereits straffällig gewordenen Verbrechers von weiteren Taten. Abschreckung ist dann die „durch Einpflanzung und Kräftigung der der egoistischen, aber in der Wirkung mit den altruistischen zusammenfallender Motive“, um die „künstliche Anpassung des Verbrechers an die Gesellschaft“ (von Liszt 2002, 40) herbei zu führen. Die Strafe ist nicht mehr nur Rache, welche eine angenommene Ordnung restituieren soll und dient auch nicht der Verhinderung von Taten durch eine Haftzeit, während welcher derjenige keine neuen Verbrechen begehen kann, sondern dient konkret dem Zweck der präventiven Besserung: der Bestrafte soll lernen, sich nach verbüßter Haftzeit nicht erneut kriminell zu verhalten. Nach von Liszt entfaltet die angewandte Strafe ihre abschreckend-präventive und disziplinierende Wirkung beim sogenannten ‚Gelegenheitsverbrecher’: „Hier soll die Strafe (...) die Autorität des übertretenen Gesetzes herstellen, sie soll Abschreckung sein, eine gewissermaßen handgreifliche Warnung, ein „Denkzettel“ für den egoistischen Trieb des Verbrechers“ (von Liszt 2002, 49):


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