Abolition

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Im Deutschen gehört das Wort Abolition - anders als im Englischen und in den romanischen Sprachen, wo es auch im allgemeinen Sprachgebrauch benutzt wird, wenn die Abschaffung der Folter, der Todesstrafe oder eines anderen rechtlich institutionalisierten Zwangs wie etwa der Sklaverei gemeint ist - nicht zur Umgangssprache. Was zum Beispiel im alltäglichen Englisch als Abolition of Slavery bezeichnet wird, wird im deutschen Sprachraum normalerweise nicht Abolition, sondern Abschaffung der Sklaverei genannt. Insofern ist das Wort im Deutschen ausgesprochen selten anzutreffen, und zwar meist nur dann, wenn

  • von der britischen und/oder amerikanischen Abolitionsbewegung (im Hinblick auf das Ende der Sklaverei) die Rede ist - oder
  • in der juristischen Terminologie die Abolition im Sinne der Einstellung eines Strafverfahrens seitens der Exekutive oder Legislative vor seinem rechtskräftigen Abschluss gemeint ist.

In der Kriminologie befasst sich der Diskurs des Abolitionismus kritisch mit der Legitimation des staatlichen Strafsystems und mit Forderungen nach Abschaffung des Gefängnisses oder des Strafrechts und seiner Institutionen insgesamt.

Herkunft

Der Begriff geht auf das lateinische Verb abolere (-evi, -itum) zurück, das soviel heißt wie "vollständig abschaffen, beseitigen".

Das Substantiv Abolitio war Teil der römischen Rechtssprache und bedeutete zunächst nur die Streichung eines Namens aus der Liste der Angeklagten; erheblichere Bedeutung hatte ab dem späten ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die abolitio publica als Anweisung des Senats (oder im Ausnahmefall: des Kaisers) an die Strafgerichte, alle anhängigen Verfahren als gegenstandslos zu betrachten (Ausnahme: Kapitalverbrechen und Verfahren gegen Sklaven). Anlass für solche Großzügigkeit konnte der Geburtstag des Herrschers oder später (im christlichen Rom des vierten Jahrhunderts) auch das Osterfest sein.

Die abolitio publica setzt das Recht des Herrschers voraus, schwebende Verfahren einstellen zu lassen (= Abolitionsrecht). Das Abolitionsrecht gehörte in vordemokratischer Zeit zum selbstverständlichen Teil des herrschaftlichen Gnadenrechts. Im Ancien Régime konnte der König mit den lettres d'abolition zum Beispiel seine Günstlinge vor dem Zugriff der Strafjustiz bewahren oder auch jederzeit aus den Mühlen der Strafjustiz befreien. Nachdem das Abolitionsrecht des Königs von den Aufklärern schon als Ausdruck absolutistischer Willkür kritisiert worden war, wurde es gleich zu Beginn der Französischen Revolution restlos abgeschafft.


In Preußen, wo das Abolitionsrecht dem "Oberhaupte des Staates unmittelbar" schon 1717 ausdrücklich zugesprochen worden war, hielt sich das Abolitionsrecht bis in das 19. Jahrhundert und überdauerte sogar die Reichsgründung von 1871, obwohl zum Beispiel die bayerische Verfassung dem König schon 1808 ausdrücklich untersagt hatte, anhängige Verfahren zu behindern oder zu beenden oder gar eine Partei ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. Da sich der Machthaber im NS-Staat ebenfalls wieder jede Intervention in laufende Verfahren vorbehielt, fand das exekutive Abolitionsrecht in Deutschland erst in der Bundesrepublik sein Ende.

  • Die Einzelabolition als Freistellung eines Angeklagten von Strafverfolgung mitten in einem laufenden Verfahren ist seither unzulässig.
  • Für die Niederschlagung einer unbestimmten Vielzahl schwebender Verfahren (Generalabolition) bedarf es seither wie für Amnestien jeweils eines förmlichen Gesetzes. Zu dieser Art gnadenweiser Einstellung laufender Verfahren kommt es etwa zur Erleichterung des Übergangs, wenn ein bis dato strafbedrohtes Verhalten durch ein Reformgesetz von einem bestimmten Zeitpunkt an entkriminalisiert wird. In einem solchen Fall können die nach dem noch geltenden Gesetz bereits Verurteilten von einem Amnestiegesetz profitieren und diejenigen, deren Verfahren noch laufen, von einem Abolitionsgesetz. Ein Beispiel dafür ist das Straffreiheitsgesetz von 1970.

Der Übergang vom meist willkürlich einzelfallbezogenen exekutiven Abolitionsrecht zum abstrakt-generellen Gesetz, das von einem demokratisch legitimierten Parlament verabschiedet wird, bedeutet in gewisser Weise zugleich den Übergang vom Abolitionsrecht zur Abolitionsgesetzgebung. Wo die Lehren und Bestrebungen des Abolitionismus Erfolge zeitigen, tun sie dies deshalb auf dem Wege über die Gesetzgebung: wo es gelang, bestimmte Sanktionsformen wie z.B. die Todesstrafe, das Zuchthaus oder das Arbeitshaus abzuschaffen, erfolgte das jeweils auf der Grundlage eines entpsrechenden Gesetzes.

Weblinks