Überwachen und Strafen (Zusammenfassung): Unterschied zwischen den Versionen

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Dieses Kapitel wird im Hauptteil dieser Hausarbeit eingehend dargestellt. Totale und Asketische Institutionen In diesem ersten Teil geht es hauptsächlich um Gefängnistypen, Arten von Bestrafungen und den Sinn und Zweck von Gefängnis und Zuchthäusern. Zunächst erläutert Foucault das Gefängnis an sich. So ist es eine Apparatur des Gefügig- und Nützlich-Machens der Individuen, indem man an und mit den eingesperrten Körpern arbeitet. Durch den Einsatz von Gefängnissen wurde die Strafjustiz an sich menschlicher, im Vergleich zu früheren Strafen, wie bspw. die Marter. Die Geburt des Gefängnisses findet statt, weil man eine Strafform sucht, die für die zivilisierte Gesellschaft angemessen sein soll. Und da die Freiheit nun mal ein Gut dieser Gesellschaft ist beschreibt Foucault die Gefängnisstrafe auch als eine Strafe par exellence. Die Selbstverständlichkeit des Gefängnisses beruht dabei auf seiner Rolle als Apparat zur Umformung der Individuen (technisch-disziplinäre Begründung). Des Weiteren gibt es die juristisch-ökonomische Begründung, die besagt, dass zwischen Vergehen und Dauer quantitative Äquivalenzen etabliert werden. Diese beiden Begründungen zusammen lassen das Gefängnis die zivilisierteste Strafform sein. Foucault stellt auch klar, dass das Gefängnis nicht erst bloße Freiheitsberaubung war, sondern immer schon eine Haft mit dem Zweck der Besserung der Individuen, von Anfang an. Das Gefängnis ist zugleich auch ein differenzierter und zweckgerichteter Mechanismus, differenziert, weil er davon abhängig ist, ob es sich um einen Angeklagten, einen Verurteilten, um einen Bestrafungshäftling oder um einen Kriminellen handelt, da je nachdem entweder Arrestlokal, Besserungshaus oder Hauptgefängnis gewählt wird. Zweckgerichtet, da das Gefängnis einen Zweck verfolgt: die gesetzliche Strafe hat nicht nur Wiedergutmachung, sondern auch Besserung des Schuldigen zum Ziel. Im Vergleich zum Gefängnis, wie bisher beschrieben, werden in so genannten Zuchthäusern Regeln gesunder Moral verwirklicht, indem Verurteilte zu einer Arbeit gezwungen werden, die sie schließlich lieben, wenn sie deren Resultat sehen. So gewöhnen sich an diese Beschäftigung, machen sie sich zum Bedürfnis, geben sich so gegenseitig ein Beispiel eines arbeitsamen Lebens und bedauern ihre Vergangenheit. Die Reformen des Gefängnisses sind an sich so alt wie das Gefängnis selbst. In der Zeit von 1801 bis 1844 gab es zahlreiche Untersuchungen und Reformvorschläge, Programme für die Behandlung der Häftlinge beispielsweise und Modelle für die materielle Ausstattung und einige mehr. Allerdings war dann klar, was das Gefängnis sein muss und was es auszeichnen muss. Es muss erschöpfender Disziplinarapparat sein, es muss sämtliche Aspekte des Individuums erfassen: physische Dressur, Arbeitseignung, alltägliches Verhalten, moralische Einstellung, seine Anlagen. Noch mehr als Schule, Werkstatt oder Armee, die immer eine bestimmte Spezialisierung aufweisen, ist das Gefängnis eine Gesamtdisziplin, hat weder ein Außen, noch Lücken und kommt erst zum Stillstand, wenn seine Besserungsaufgabe ganz erledigt ist. Das Einwirken auf das Individuum darf keine Unterbrechung beinhalten. Weiter beschreibt Foucault die Charakteristik des Gefängnisses. Das Vorgehen innerhalb muss dem Zwang einer totalen Erziehung nahe kommen. Das verkommene Individuum muss in eine neue Form geprägt werden, es soll ein Umcodieren der Existenz vollzogen werden; mit folgenden Maßnahmen: Erstens das Prinzip der Isolierung von der äußeren Welt, dem, was die Gesetzesübertretung motiviert hat und den Komplizen, die sie erleichtert haben. Außerdem einer Isolierung der Häftlinge untereinander, damit sich die Häftlinge untereinander nicht gegenseitig anstiften und weil die Einsamkeit als positives Umformungsinstrument dienen soll. Durch Nachdenken soll man zur Einsicht kommen und außerdem wird dadurch eine maximale Machtausübung gegen die Häftlinge möglich. Dazu gibt Foucault die Beispiele der Anstalten von Auburn und Philadelphia. Auburn sah die Einzelzelle bei Nacht und Arbeit und Mahlzeiten in Gemeinschaft bei Tag, aber unter Stillschweigen, vor. Philadelphia hingegen bedeutete absolute Isolierung. Die Besserung sollte durch die Beziehung des Individuums zu seinem eigenen Gewissen geschehen. Nicht der äußere Respekt vor dem Gesetz oder die bloße Furcht vor der Bestrafung, sondern die Arbeit des Gewissens selbst wirken auf den Gefangenen ein. Hauptziel beider Anstalten war die Gefangennahme mit Folge zwanghaften Individualisierung durch den Abbruch „Im pennsylvanischen Gefängnis sind die einzigen Besserungsfaktoren das Gewissen und die stumme Architektur, an die jenes stößt. In Cherry Hill sind „die Mauern die Bestrafung des Verbrechens; die Zelle macht den Gefangenen sich selber gegenwärtig; er ist gezwungen, auf sein Gewissen zu hören.““ (S.306) jeder Beziehung, die nicht von der Macht kontrollierbar war. Der zweite Punkt zum Umcodieren der Existenz ist die Arbeit in Verbindung mit der Isolierung. Dabei ist die Arbeit weder Zugabe zur Haft, noch eine Korrektur, sie wird vom Gesetzgeber als Notwendigkeit vorgesehen. Ihr Nutzen besteht nicht in der Produktivität, sondern im Eingriff in die menschliche Mechanik, als Prinzip der Ordnung und Regelmäßigkeit. Die Zwangsarbeit soll aus dem Gefangenen jemanden machen, der eine Rolle mit Regelmäßigkeit spielt. Außerdem müssen sie von der Arbeit der anderen leben, wenn sie sich nicht durch eigene Arbeit erhalten. Dadurch entsteht kein Müßiggang und eine Entlohnung gibt es wegen der Bedingung zur Existenz. Doch dadurch entstanden auch Diskussionen, da die Häftlinge Lohn erhalten, bezahlte Arbeit eigentlich keine Strafe ist und der Verdienst die Geschicklichkeit fördert und nicht die Besserung. In den 1840er Jahren entstehen durch diese Diskussion Streiks gegen die Regierung, die die Gefängnisarbeit begünstigen um die „freien“ Löhne niedrig zu halten, gegen die Arbeitslosigkeit, die die Frauen in die Prostitution und dann ins Gefängnis treibt, wo sie dann mit der Arbeit denen Konkurrenz machen, die draußen noch arbeiten können und gegen die Tatsache, dass die Häftlinge die sichersten Arbeiten machen dürfen. Die Regierung reagierte mit der Meinung, dass die Gefängnisarbeit aufgrund ihres geringen Ertrages für die Wirtschaft kaum ins Gewicht falle.² Der dritte Punkt im Zuge der Umcodierung ist die Möglichkeit zum Revidieren des Urteils, der Kürzung der Haftstrafe wegen guter Führung und schneller Besserung. Dabei ist diese Möglichkeit auch eine Bedingung für das gute Funktionieren des Gefängnisses im Hinblick auf die Besserungsaufgabe. Die Strafdauer droht den Besserungswert zu verlieren, wenn sie im Urteil unwiderruflich festgelegt wird. Dabei ist die Zeit nicht Tauschwert des Vergehens, sondern gilt als Zeit zur nützlichen Umformung des Individuums.³ Wenn vollständige Besserung erreicht ist, soll die Haft zu Ende sein. Wichtig ist, — Anmerkung — 2 „Was bezweckt die Arbeit im Gefängnis? Nicht Gewinn und auch nicht die Formierung einer nützlichen Fähigkeit, sondern die Bildung eines Machtverhältnisses, einer leeren ökonomischen Form, eines Schemas der individuellen Unterwerfung und ihrer Anpassung an einen Produktionsapparat.“ (S.312) 3 „Aus der Schwere eines Verbrechens lässt sich keineswegs auf die Besserungsfähigkeit des Verurteilten schließen. Vor allem läßt sich die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen, der das Gesetzbuch den Unterschied zwischen Gefängnis und Zuchthaus oder Zwangsarbeit zugeordnet hat, nicht im Hinblick auf Besserung optionalisieren.“ (S.314) — dass Art, Inhalt und Strenge der Strafe nicht durch die Natur des Vergehens bestimmt sind, da Besserungshäftlinge lasterhafter sind und sich Kriminelle bspw. besser Verhalten. Das Gefängnis wird dazu in drei Abteilungen geteilt, der Probeabteilung für die Allgemeinheit der Häftlinge, der Strafabteilung und der Belohnungs-Abteilung, für die auf dem Wege der Besserung. Des Weiteren gibt es vier Perioden im Verlauf der Strafe: Die Ernüchterungsperiode (Verhinderung von Arbeit und jeder inneren und äußeren Beziehung), Arbeitsperiode (Isolierung mit Arbeit, die nach erzwungenem Müßiggang als Wohltat empfunden wird), Phase der Moralisierungsmaßnahmen („Aussprachen“ mit den Direktoren und den offiziellen Besuchern) und Periode der gemeinschaftlichen Arbeit. Die Strafe ist im Prinzip Sache der Justiz, aber die Eigenschaften des Vollzugs und die Strenge gehören zu autonomem Mechanismus, der die Wirkungen der Bestrafung innerhalb des sie produzierenden Apparates kontrolliert. Dabei soll die Möglichkeit Belohnung zu erlangen, im Geist der Häftlinge die Begriffe Gut und Böse wecken. Ein weiterer Faktor spielt die Autonomie des Personals, das die individualisierende Strafhaft verwaltet, da sie den Ablauf der Strafe korrigieren und nicht die Gerichtsinstanzen, da diese Aufseher, Gefängnisdirektor, Gefängnis-geistliche oder Lehrer zur Wahrnehmung der Besserungsfunktion besser geeignet sind. So erhalten die mehr Gewalt über Abstufung der Strafe, etc., die die Bestrafung auch organisiert und kontrolliert und sie gehört nicht mehr der Willkür der Richter. Diese von Charles Lucas erstellten Prinzipien fasst Foucault in der, wie er es nennt, Unabhängigkeitserklärung des Gefängnisses zusammen, die folgendes geltend macht4: das Strafurteil ist eine willkürliche Einheit, die zerlegt werden muss, die Verfasser der Strafgesetze haben mit Recht bereits die Ebene der Gesetzgebung (welche die Taten klassifiziert und ihnen Strafen zuordnet) und die Ebene des Gerichts (das Urteile fällt) unterschieden, dem Strafvollzugsurteil muss seine Autonomie gegeben werden, Kontrolle der Schätzungen des Richters durch das Straf- und Besserungsgefängnis. Es galt Transformationen an den Individuen vorzunehmen, wofür es drei große Modelle gab: ein politisch-moralisches Modell der Isolierung und der Hierarchie (Zelle), ein ökonomisches Modell der zur Zwangsarbeit eingesetzten Kraft (Werkstatt) und ein technisch-medizinisches — Anmerkung — 4 „Nennen wir es die Unabhängigkeitserklärung des Gefängnisses, das darin das Recht beansprucht, ein Gewalt zu sein, die nicht nur ihre Verwaltungsautonomie hat, sondern auch einen Teil der Strafsouveränität.“ (S.317) — Modell der Heilung und der Normalisierung (Spital). Darüber hinaus gab es die Disziplinarzugabe „Besserungsstrafe“ oder „Strafvollzug“, die der Spielraum zwischen der rechtlichen Freiheitsberaubung und der über sie hinaus gehenden Gefängnishaft war. Eine ganz problemlose Zustimmung fand dieser Strafzuschlag allerdings nicht, da das Prinzip galt, dass die Strafe nichts weiter sein dürfe, als Freiheitsberaubung. Seit jener Zeit hat der Strafvollzug ein solches Eigengewicht gewonnen, das sich alle um ihn reißen. Das Gefängnis ist Ort des Vollzugs der Strafe und Ort der Beobachtung der bestraften Individuen. Es geht um Überwachung und um die Erkennung jedes Häftlings, seines Verhaltens, seiner tiefen Anlagen und seiner fortschreitenden Besserung. Der Häftling muss dafür unter ständigem Blick gehalten werden, alle Aufzeichnungen, die man von ihm macht, müssen registriert und verbucht werden. Es entstand dafür das so genannte Panopticon von Jeremy Bentham, welches zugleich Überwachung und Beobachtung, Sicherheit und Wissen, Individualisierung und Totalisierung, Isolierung und Transparenz ermöglichte. 1830 bis 1840 wurde es zum architektonischen Programm der meisten Gefängnisprojekte. Das Panopticon ist eine Gefängnismaschine mit einer Sichtzelle, in der sich der Häftling gefangen findet und mit einem Zentralpunkt, von dem aus ein ständiger Blick sowohl die Häftlinge wie das Personal kontrollieren kann.5 Wegen der dadurch kreisförmig angelegten Gefängnisse ist es möglich, von einem einzigen Zentrum aus alle Häftlinge in ihren Zellen, sowie die Wächter in den Überwachungsgalerien zu sehen. Gleichzeitig entstand mit dem Panopticon auch ein lückenloses Dokumentationssystem mit Buchführung, wobei ständig Wissen über den Häftling erhoben wurde, das zur Besserung beitrug. Mit dieser Buchführung wird jeder Gefangene zu einer Kapitalanlage, die Besserungszinsen bringen soll, wie Foucault es beschreibt. So wird das in das Strafsystem und die Errichtung der Gefängnisse investierte Kapital gewinnbringend. 6 Nun geht Foucault näher auf die Person des Delinquenten ein. Der Delinquent ist die — Anmerkung — 5 „Als Ort des Vollzugs der Strafe ist das Gefängnis zugleich Ort der Beobachtung der bestraften Individuen. Und dies in zweierlei Sinne. Gewiß geht es um die Überwachung. Es geht aber auch um die Erkennung jedes Häftlings, seines Verhaltens, seiner tiefen Anlagen, seiner fortschreitenden Besserung. Das Gefängnis ist der Ort, an dem sich ein klinisches Wissen über die Sträflinge formiert.“ (S.319) 6 „In jedem Fall handelt es sich darum, aus dem Gefängnis den Konstitutionsort eines Wissens zu machen, das als regulatives Prinzip für die Durchführung des Besserungsvollzugs dienen muß.“ (S.322) andere Person, die der Straf- und Besserungsapparat dem Verurteilten unterschiebt, es ist weniger seine Tat, als vielmehr sein Leben für seine Charakterisierung entscheidend. Der Besserungsapparat beschäftigt sich mit dem Delinquenten, nicht mit dem Rechtsbruch oder dem Rechtsbrecher. Die Existenz muss völlig neu inszeniert werden, deswegen bezieht sich die Besserung auf das Leben, während die gesetzliche Strafe nur auf die begangene Tat abzielt. Dabei müssen seine Anlagen, die Folgen seiner gesellschaftlichen Stellung und die schlimmen Vorfälle in seiner Erziehung erkennen und feststellen. Dem Rechtsbrecher wird Verantwortung für ein Vergehen zugeschrieben, der Delinquent zeichnet sich dahinter ab und dessen Charakter will man nun bearbeiten. Wichtig dafür ist die Biografie des Kriminellen, da sie ihn vor dem Verbrechen und unabhängig davon schafft. Je mehr die Biografie des Kriminellen in der Gerichtspraxis die Analyse der Umstände der Tat ergänzt, desto mehr verwischen sich die Grenzen zwischen dem Diskurs des Richters und des Psychiaters. Wo sich beide vermischen, bildet sich der Begriff des „gefährlichen Individuums“. Dadurch ist es möglich, über die gesamte Biografie des Delinquenten ein Kausalitätsnetz zu ziehen und ein Besserungs-Strafurteil zu fällen. Es gibt aber noch weitere Unterschiede zwischen dem Delinquenten und dem Rechtsbrecher. Der Delinquent ist nicht nur Urheber einer Tat, sondern durch Instinkte, Tendenzen, seinen Charakter und Triebe an sein Verbrechen geknüpft. Er weicht vielmehr von der Norm ab, als vom Gesetz.7 Foucault unterscheidet folglich drei Typen von Verurteilten: erstens diejenigen mit höheren intellektuellen Fähigkeiten, als der Durchschnitt, die aber durch Anlagen, Tendenzen, etc. pervers geworden sind. Zweitens lasterhafte, beschränkte Verurteilte, mit Gleichgültigkeit gegenüber Ehre und Gut, die durch mangelnden Widerstand gegen schlechte Anreize ins Verbrechen hineingezogen wurden und drittens arbeitsunfähige oder unzurechnungsfähige Verurteilte, die nicht arbeitsfähig sind, weil sie Arbeitskonkurrenz mit intelligenten Arbeitern nicht bestehen können, da das überlegte Anstrengung und Willenskraft 7 „Die Besserungsstrafe und der Delinquente sind zusammen und sich gegenseitig verlängernd als ein technologisches Ensemble zutage getreten – ein technologisches Ensemble, das den Gegenstand, auf den es seine Instrumente ansetzt, formiert und definiert. […] Die Delinquenz ist die Rache des Gefängnisses an der Justiz. Die Rache ist so unheimlich, daß sie dem Richter die Rede verschlägt. […] Der Gedanke einer Straf-Gesellschaft und einer allgemeinen Zeichentechnik der Bestrafung, der von der „Ideologie“ Beccarias und Benthams inspiriert war, verlangte nicht unbedingt den universellen Einsatz des Gefängnisses.“ (S.328) fordert. Foucault beschreibt es so, dass es die Strafjustiz mit dem Verbrecher zu tun hat und der Vollzugsapparat mit dem Delinquenten. Der gemarterte Körper ist verschwunden, stattdessen ist der Körper des Häftlings in den Mittelpunkt getreten, zusammen mit der Identität des Delinquenten. Das Gefängnis produziert den Delinquenten und bietet so „ein einheitliches und von Wissenschaften autorisiertes Gegenstandsfeld und damit einen allgemeinen Horizont von Wahrheit […]“ (S.329).
Dieses Kapitel wird im Hauptteil dieser Hausarbeit eingehend dargestellt. Totale und Asketische Institutionen In diesem ersten Teil geht es hauptsächlich um Gefängnistypen, Arten von Bestrafungen und den Sinn und Zweck von Gefängnis und Zuchthäusern. Zunächst erläutert Foucault das Gefängnis an sich. So ist es eine Apparatur des Gefügig- und Nützlich-Machens der Individuen, indem man an und mit den eingesperrten Körpern arbeitet. Durch den Einsatz von Gefängnissen wurde die Strafjustiz an sich menschlicher, im Vergleich zu früheren Strafen, wie bspw. die Marter. Die Geburt des Gefängnisses findet statt, weil man eine Strafform sucht, die für die zivilisierte Gesellschaft angemessen sein soll. Und da die Freiheit nun mal ein Gut dieser Gesellschaft ist beschreibt Foucault die Gefängnisstrafe auch als eine Strafe par exellence. Die Selbstverständlichkeit des Gefängnisses beruht dabei auf seiner Rolle als Apparat zur Umformung der Individuen (technisch-disziplinäre Begründung). Des Weiteren gibt es die juristisch-ökonomische Begründung, die besagt, dass zwischen Vergehen und Dauer quantitative Äquivalenzen etabliert werden. Diese beiden Begründungen zusammen lassen das Gefängnis die zivilisierteste Strafform sein. Foucault stellt auch klar, dass das Gefängnis nicht erst bloße Freiheitsberaubung war, sondern immer schon eine Haft mit dem Zweck der Besserung der Individuen, von Anfang an. Das Gefängnis ist zugleich auch ein differenzierter und zweckgerichteter Mechanismus, differenziert, weil er davon abhängig ist, ob es sich um einen Angeklagten, einen Verurteilten, um einen Bestrafungshäftling oder um einen Kriminellen handelt, da je nachdem entweder Arrestlokal, Besserungshaus oder Hauptgefängnis gewählt wird. Zweckgerichtet, da das Gefängnis einen Zweck verfolgt: die gesetzliche Strafe hat nicht nur Wiedergutmachung, sondern auch Besserung des Schuldigen zum Ziel. Im Vergleich zum Gefängnis, wie bisher beschrieben, werden in so genannten Zuchthäusern Regeln gesunder Moral verwirklicht, indem Verurteilte zu einer Arbeit gezwungen werden, die sie schließlich lieben, wenn sie deren Resultat sehen. So gewöhnen sich an diese Beschäftigung, machen sie sich zum Bedürfnis, geben sich so gegenseitig ein Beispiel eines arbeitsamen Lebens und bedauern ihre Vergangenheit. Die Reformen des Gefängnisses sind an sich so alt wie das Gefängnis selbst. In der Zeit von 1801 bis 1844 gab es zahlreiche Untersuchungen und Reformvorschläge, Programme für die Behandlung der Häftlinge beispielsweise und Modelle für die materielle Ausstattung und einige mehr. Allerdings war dann klar, was das Gefängnis sein muss und was es auszeichnen muss. Es muss erschöpfender Disziplinarapparat sein, es muss sämtliche Aspekte des Individuums erfassen: physische Dressur, Arbeitseignung, alltägliches Verhalten, moralische Einstellung, seine Anlagen. Noch mehr als Schule, Werkstatt oder Armee, die immer eine bestimmte Spezialisierung aufweisen, ist das Gefängnis eine Gesamtdisziplin, hat weder ein Außen, noch Lücken und kommt erst zum Stillstand, wenn seine Besserungsaufgabe ganz erledigt ist. Das Einwirken auf das Individuum darf keine Unterbrechung beinhalten. Weiter beschreibt Foucault die Charakteristik des Gefängnisses. Das Vorgehen innerhalb muss dem Zwang einer totalen Erziehung nahe kommen. Das verkommene Individuum muss in eine neue Form geprägt werden, es soll ein Umcodieren der Existenz vollzogen werden; mit folgenden Maßnahmen: Erstens das Prinzip der Isolierung von der äußeren Welt, dem, was die Gesetzesübertretung motiviert hat und den Komplizen, die sie erleichtert haben. Außerdem einer Isolierung der Häftlinge untereinander, damit sich die Häftlinge untereinander nicht gegenseitig anstiften und weil die Einsamkeit als positives Umformungsinstrument dienen soll. Durch Nachdenken soll man zur Einsicht kommen und außerdem wird dadurch eine maximale Machtausübung gegen die Häftlinge möglich. Dazu gibt Foucault die Beispiele der Anstalten von Auburn und Philadelphia. Auburn sah die Einzelzelle bei Nacht und Arbeit und Mahlzeiten in Gemeinschaft bei Tag, aber unter Stillschweigen, vor. Philadelphia hingegen bedeutete absolute Isolierung. Die Besserung sollte durch die Beziehung des Individuums zu seinem eigenen Gewissen geschehen. Nicht der äußere Respekt vor dem Gesetz oder die bloße Furcht vor der Bestrafung, sondern die Arbeit des Gewissens selbst wirken auf den Gefangenen ein. Hauptziel beider Anstalten war die Gefangennahme mit Folge zwanghaften Individualisierung durch den Abbruch „Im pennsylvanischen Gefängnis sind die einzigen Besserungsfaktoren das Gewissen und die stumme Architektur, an die jenes stößt. In Cherry Hill sind „die Mauern die Bestrafung des Verbrechens; die Zelle macht den Gefangenen sich selber gegenwärtig; er ist gezwungen, auf sein Gewissen zu hören.““ (S.306) jeder Beziehung, die nicht von der Macht kontrollierbar war. Der zweite Punkt zum Umcodieren der Existenz ist die Arbeit in Verbindung mit der Isolierung. Dabei ist die Arbeit weder Zugabe zur Haft, noch eine Korrektur, sie wird vom Gesetzgeber als Notwendigkeit vorgesehen. Ihr Nutzen besteht nicht in der Produktivität, sondern im Eingriff in die menschliche Mechanik, als Prinzip der Ordnung und Regelmäßigkeit. Die Zwangsarbeit soll aus dem Gefangenen jemanden machen, der eine Rolle mit Regelmäßigkeit spielt. Außerdem müssen sie von der Arbeit der anderen leben, wenn sie sich nicht durch eigene Arbeit erhalten. Dadurch entsteht kein Müßiggang und eine Entlohnung gibt es wegen der Bedingung zur Existenz. Doch dadurch entstanden auch Diskussionen, da die Häftlinge Lohn erhalten, bezahlte Arbeit eigentlich keine Strafe ist und der Verdienst die Geschicklichkeit fördert und nicht die Besserung. In den 1840er Jahren entstehen durch diese Diskussion Streiks gegen die Regierung, die die Gefängnisarbeit begünstigen um die „freien“ Löhne niedrig zu halten, gegen die Arbeitslosigkeit, die die Frauen in die Prostitution und dann ins Gefängnis treibt, wo sie dann mit der Arbeit denen Konkurrenz machen, die draußen noch arbeiten können und gegen die Tatsache, dass die Häftlinge die sichersten Arbeiten machen dürfen. Die Regierung reagierte mit der Meinung, dass die Gefängnisarbeit aufgrund ihres geringen Ertrages für die Wirtschaft kaum ins Gewicht falle.² Der dritte Punkt im Zuge der Umcodierung ist die Möglichkeit zum Revidieren des Urteils, der Kürzung der Haftstrafe wegen guter Führung und schneller Besserung. Dabei ist diese Möglichkeit auch eine Bedingung für das gute Funktionieren des Gefängnisses im Hinblick auf die Besserungsaufgabe. Die Strafdauer droht den Besserungswert zu verlieren, wenn sie im Urteil unwiderruflich festgelegt wird. Dabei ist die Zeit nicht Tauschwert des Vergehens, sondern gilt als Zeit zur nützlichen Umformung des Individuums.³ Wenn vollständige Besserung erreicht ist, soll die Haft zu Ende sein. Wichtig ist, — Anmerkung — 2 „Was bezweckt die Arbeit im Gefängnis? Nicht Gewinn und auch nicht die Formierung einer nützlichen Fähigkeit, sondern die Bildung eines Machtverhältnisses, einer leeren ökonomischen Form, eines Schemas der individuellen Unterwerfung und ihrer Anpassung an einen Produktionsapparat.“ (S.312) 3 „Aus der Schwere eines Verbrechens lässt sich keineswegs auf die Besserungsfähigkeit des Verurteilten schließen. Vor allem läßt sich die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen, der das Gesetzbuch den Unterschied zwischen Gefängnis und Zuchthaus oder Zwangsarbeit zugeordnet hat, nicht im Hinblick auf Besserung optionalisieren.“ (S.314) — dass Art, Inhalt und Strenge der Strafe nicht durch die Natur des Vergehens bestimmt sind, da Besserungshäftlinge lasterhafter sind und sich Kriminelle bspw. besser Verhalten. Das Gefängnis wird dazu in drei Abteilungen geteilt, der Probeabteilung für die Allgemeinheit der Häftlinge, der Strafabteilung und der Belohnungs-Abteilung, für die auf dem Wege der Besserung. Des Weiteren gibt es vier Perioden im Verlauf der Strafe: Die Ernüchterungsperiode (Verhinderung von Arbeit und jeder inneren und äußeren Beziehung), Arbeitsperiode (Isolierung mit Arbeit, die nach erzwungenem Müßiggang als Wohltat empfunden wird), Phase der Moralisierungsmaßnahmen („Aussprachen“ mit den Direktoren und den offiziellen Besuchern) und Periode der gemeinschaftlichen Arbeit. Die Strafe ist im Prinzip Sache der Justiz, aber die Eigenschaften des Vollzugs und die Strenge gehören zu autonomem Mechanismus, der die Wirkungen der Bestrafung innerhalb des sie produzierenden Apparates kontrolliert. Dabei soll die Möglichkeit Belohnung zu erlangen, im Geist der Häftlinge die Begriffe Gut und Böse wecken. Ein weiterer Faktor spielt die Autonomie des Personals, das die individualisierende Strafhaft verwaltet, da sie den Ablauf der Strafe korrigieren und nicht die Gerichtsinstanzen, da diese Aufseher, Gefängnisdirektor, Gefängnis-geistliche oder Lehrer zur Wahrnehmung der Besserungsfunktion besser geeignet sind. So erhalten die mehr Gewalt über Abstufung der Strafe, etc., die die Bestrafung auch organisiert und kontrolliert und sie gehört nicht mehr der Willkür der Richter. Diese von Charles Lucas erstellten Prinzipien fasst Foucault in der, wie er es nennt, Unabhängigkeitserklärung des Gefängnisses zusammen, die folgendes geltend macht4: das Strafurteil ist eine willkürliche Einheit, die zerlegt werden muss, die Verfasser der Strafgesetze haben mit Recht bereits die Ebene der Gesetzgebung (welche die Taten klassifiziert und ihnen Strafen zuordnet) und die Ebene des Gerichts (das Urteile fällt) unterschieden, dem Strafvollzugsurteil muss seine Autonomie gegeben werden, Kontrolle der Schätzungen des Richters durch das Straf- und Besserungsgefängnis. Es galt Transformationen an den Individuen vorzunehmen, wofür es drei große Modelle gab: ein politisch-moralisches Modell der Isolierung und der Hierarchie (Zelle), ein ökonomisches Modell der zur Zwangsarbeit eingesetzten Kraft (Werkstatt) und ein technisch-medizinisches — Anmerkung — 4 „Nennen wir es die Unabhängigkeitserklärung des Gefängnisses, das darin das Recht beansprucht, ein Gewalt zu sein, die nicht nur ihre Verwaltungsautonomie hat, sondern auch einen Teil der Strafsouveränität.“ (S.317) — Modell der Heilung und der Normalisierung (Spital). Darüber hinaus gab es die Disziplinarzugabe „Besserungsstrafe“ oder „Strafvollzug“, die der Spielraum zwischen der rechtlichen Freiheitsberaubung und der über sie hinaus gehenden Gefängnishaft war. Eine ganz problemlose Zustimmung fand dieser Strafzuschlag allerdings nicht, da das Prinzip galt, dass die Strafe nichts weiter sein dürfe, als Freiheitsberaubung. Seit jener Zeit hat der Strafvollzug ein solches Eigengewicht gewonnen, das sich alle um ihn reißen. Das Gefängnis ist Ort des Vollzugs der Strafe und Ort der Beobachtung der bestraften Individuen. Es geht um Überwachung und um die Erkennung jedes Häftlings, seines Verhaltens, seiner tiefen Anlagen und seiner fortschreitenden Besserung. Der Häftling muss dafür unter ständigem Blick gehalten werden, alle Aufzeichnungen, die man von ihm macht, müssen registriert und verbucht werden. Es entstand dafür das so genannte Panopticon von Jeremy Bentham, welches zugleich Überwachung und Beobachtung, Sicherheit und Wissen, Individualisierung und Totalisierung, Isolierung und Transparenz ermöglichte. 1830 bis 1840 wurde es zum architektonischen Programm der meisten Gefängnisprojekte. Das Panopticon ist eine Gefängnismaschine mit einer Sichtzelle, in der sich der Häftling gefangen findet und mit einem Zentralpunkt, von dem aus ein ständiger Blick sowohl die Häftlinge wie das Personal kontrollieren kann.5 Wegen der dadurch kreisförmig angelegten Gefängnisse ist es möglich, von einem einzigen Zentrum aus alle Häftlinge in ihren Zellen, sowie die Wächter in den Überwachungsgalerien zu sehen. Gleichzeitig entstand mit dem Panopticon auch ein lückenloses Dokumentationssystem mit Buchführung, wobei ständig Wissen über den Häftling erhoben wurde, das zur Besserung beitrug. Mit dieser Buchführung wird jeder Gefangene zu einer Kapitalanlage, die Besserungszinsen bringen soll, wie Foucault es beschreibt. So wird das in das Strafsystem und die Errichtung der Gefängnisse investierte Kapital gewinnbringend. 6 Nun geht Foucault näher auf die Person des Delinquenten ein. Der Delinquent ist die — Anmerkung — 5 „Als Ort des Vollzugs der Strafe ist das Gefängnis zugleich Ort der Beobachtung der bestraften Individuen. Und dies in zweierlei Sinne. Gewiß geht es um die Überwachung. Es geht aber auch um die Erkennung jedes Häftlings, seines Verhaltens, seiner tiefen Anlagen, seiner fortschreitenden Besserung. Das Gefängnis ist der Ort, an dem sich ein klinisches Wissen über die Sträflinge formiert.“ (S.319) 6 „In jedem Fall handelt es sich darum, aus dem Gefängnis den Konstitutionsort eines Wissens zu machen, das als regulatives Prinzip für die Durchführung des Besserungsvollzugs dienen muß.“ (S.322) andere Person, die der Straf- und Besserungsapparat dem Verurteilten unterschiebt, es ist weniger seine Tat, als vielmehr sein Leben für seine Charakterisierung entscheidend. Der Besserungsapparat beschäftigt sich mit dem Delinquenten, nicht mit dem Rechtsbruch oder dem Rechtsbrecher. Die Existenz muss völlig neu inszeniert werden, deswegen bezieht sich die Besserung auf das Leben, während die gesetzliche Strafe nur auf die begangene Tat abzielt. Dabei müssen seine Anlagen, die Folgen seiner gesellschaftlichen Stellung und die schlimmen Vorfälle in seiner Erziehung erkennen und feststellen. Dem Rechtsbrecher wird Verantwortung für ein Vergehen zugeschrieben, der Delinquent zeichnet sich dahinter ab und dessen Charakter will man nun bearbeiten. Wichtig dafür ist die Biografie des Kriminellen, da sie ihn vor dem Verbrechen und unabhängig davon schafft. Je mehr die Biografie des Kriminellen in der Gerichtspraxis die Analyse der Umstände der Tat ergänzt, desto mehr verwischen sich die Grenzen zwischen dem Diskurs des Richters und des Psychiaters. Wo sich beide vermischen, bildet sich der Begriff des „gefährlichen Individuums“. Dadurch ist es möglich, über die gesamte Biografie des Delinquenten ein Kausalitätsnetz zu ziehen und ein Besserungs-Strafurteil zu fällen. Es gibt aber noch weitere Unterschiede zwischen dem Delinquenten und dem Rechtsbrecher. Der Delinquent ist nicht nur Urheber einer Tat, sondern durch Instinkte, Tendenzen, seinen Charakter und Triebe an sein Verbrechen geknüpft. Er weicht vielmehr von der Norm ab, als vom Gesetz.7 Foucault unterscheidet folglich drei Typen von Verurteilten: erstens diejenigen mit höheren intellektuellen Fähigkeiten, als der Durchschnitt, die aber durch Anlagen, Tendenzen, etc. pervers geworden sind. Zweitens lasterhafte, beschränkte Verurteilte, mit Gleichgültigkeit gegenüber Ehre und Gut, die durch mangelnden Widerstand gegen schlechte Anreize ins Verbrechen hineingezogen wurden und drittens arbeitsunfähige oder unzurechnungsfähige Verurteilte, die nicht arbeitsfähig sind, weil sie Arbeitskonkurrenz mit intelligenten Arbeitern nicht bestehen können, da das überlegte Anstrengung und Willenskraft 7 „Die Besserungsstrafe und der Delinquente sind zusammen und sich gegenseitig verlängernd als ein technologisches Ensemble zutage getreten – ein technologisches Ensemble, das den Gegenstand, auf den es seine Instrumente ansetzt, formiert und definiert. […] Die Delinquenz ist die Rache des Gefängnisses an der Justiz. Die Rache ist so unheimlich, daß sie dem Richter die Rede verschlägt. […] Der Gedanke einer Straf-Gesellschaft und einer allgemeinen Zeichentechnik der Bestrafung, der von der „Ideologie“ Beccarias und Benthams inspiriert war, verlangte nicht unbedingt den universellen Einsatz des Gefängnisses.“ (S.328) fordert. Foucault beschreibt es so, dass es die Strafjustiz mit dem Verbrecher zu tun hat und der Vollzugsapparat mit dem Delinquenten. Der gemarterte Körper ist verschwunden, stattdessen ist der Körper des Häftlings in den Mittelpunkt getreten, zusammen mit der Identität des Delinquenten. Das Gefängnis produziert den Delinquenten und bietet so „ein einheitliches und von Wissenschaften autorisiertes Gegenstandsfeld und damit einen allgemeinen Horizont von Wahrheit […]“ (S.329).


==Gesetzwidrigkeiten und Delinquenz==
===Gesetzwidrigkeiten und Delinquenz===
Der zweite Teil des Gefängniskapitels beschäftigt sich mit Gesetzwidrigkeiten und weiter mit der Delinquenz. Zunächst geht Foucault aber noch einmal auf das Ende der Martern ein (die Marter wurde eingehend im ersten Kapitel des Buches beschrieben) und hier vor allem auf die Ablösung der Sträflingskette durch den Zellenwagen im Jahr 1837. Für den Autor ist der Übergang von der Marter zum Gefängnis der Übergang von einer Bestrafungskunst zur Anderen.8 Die Sträflingskette (bei der die Häftlinge an eisernen Halsringen in einer Kette zusammengeschlossen werden) als Weg in die Haft war ein Teil der Marterzeremonie, die dabei beide Bestrafungsarten vereinte. Das Volk verhielt sich dabei wie bei öffentlichen Hinrichtungen, es lästerte, drohte, schlug,…, außerdem erhob es Zorn gegen zu strenge oder zu nachsichtige Justiz. Die Verbrecher in der Kette antworteten darauf, indem sie ihr Verbrechen zur Schau stellten, als Heldentat oder sich auch über die Polizei lustig machten, aufgrund eventuell unentdeckter Verbrechen. Sie zeigten auf jeden Fall keine Reue, eher Freude und verneinte so die Bestrafung. Sie sangen Marschlieder und huldigt seinem Verbrechen, zeigt keine Angst vor der Marter und lässt das Publikum denken, das Zuchthausleben biete Freude und ließe Freundschaften entstehen.9 Die damals zur Ermahnung der Bevölkerung gedachten „Fliegenden Blätter“, auf denen der Verbrecher die Menge — Anmerkung — 8 „Es handelt sich um eine technische Mutation. Ein Symptom und ein Resultat dieses Übergangs bildet die 1837 vorgenommene Ablösung der Sträflingskette durch den Zellenwagen.“ (S.330) 9 „In diesem Fest des Aufbruchs der Sträflinge ist etwas von den Riten des Sündenbocks, den man schlägt, um ihn zu verjagen; etwas von dem Wahnsinnigen, auf dem sich die Rollen vertauschen; etwas von den alten Schafott-Zeremonien, wo die Wahrheit auflodern muss; und auch etwas von den Volksspektakeln, auf denen man berühmte Persönlichkeiten oder altbekannte Gestalten wieder erkennt: Spiel der Wahrheit und der Verruchtheit, Vorbeimarsch der Bekanntheit und der Schande; Schmähungen gegen entlarvte Schuldige und fröhliches Eingeständnis von Verbrechen. Man sucht nach dem Gesicht der Verbrecher, die ihren Ruhm hatten; […].“ (S.332f) nicht zur Nachahmung aufrufen sollte, wurden nun dazu benutzt, das Publikum anzustacheln, entweder die Barbarei der Henker und die Ungerechtigkeit der Richter oder das Unglück der irgendwann wieder triumphierenden Verurteilten zu wählen. — Dadurch entstanden Unruhen in der Bevölkerung und man änderte die Verlegung der Gefangenen, allerdings auch die Strafen und durch das Gefängnis wurde sie auch unter das Zeichen der administrativen Scham gestellt. Im Juni 1837 wurde der Zellenwagen eingeführt, als ein mobiles Panopticon, bei dem die Besserung schon innerhalb des Wagens beginnt. Wie bei Benthams Panopticon gibt es äußere Auswirkungen (nur Wasser und Brot, Daumenschrauben, kein Schlafkissen, Zusammenkettung der Arme), sowie innere Auswirkungen (da man nicht schlafen, sondern nur denken kann). Weiter beschäftigt sich Foucault mit der Kritik am Gefängnis. Diese meldete sich 1820 bis 1848. Die Geschichte des Gefängniswesens verlief nicht chronologisch, mit Einführung der Haftstrafe, Registrierung des Misserfolgs und anschließenden Reformprojekten, sondern war eher eine Verteilung dieser Elemente. Die Kritik sagte, die Gefängnisse würden nicht zur Minderung der Kriminalität beitragen; die Zahl der Verbrechen nehme ab, aber die Zahl der Rückfälle steige eher, als das sie sinke. Daraus folgerten die Kritiker und auch Foucault, dass die Haft den Rückfall fördere. Anstatt gebesserte Individuen in Freiheit zu schicken, produziert das Gefängnis Delinquenten, durch aufgezwungene Existenzweise des Häftlings, durch Isolation in Zelle oder unnütze Arbeit, für die es in Freiheit keine Anstellung gibt. Dem Häftling werden außerdem gewaltsame Zwänge auferlegt, er fühlt sich ungerecht behandelt und wird so unkontrollierbar und lässt sich nicht bessern. Das Gefängnis ermöglicht und begünstigt die Organisation eines solidarischen und hierarchisierten Milieus von Delinquenten die zu allen Komplizenschaften bereit sind. So gibt es überall in Frankreich solche antisozialen Klubs, wo es Gefängnisse gibt. Für den Autor sind auch die Bedingungen unter denen die Häftlinge nach ihrer Freilassung stehen, ausschlaggebend, da sie sie zum Rückfall verleiten, weil sie unter Polizeiüberwachung stehen, ihnen ein Wohnsitz zugewiesen wird und sie nur mit einem Pass entlassen werden, auf dem Verurteilung vermerkt ist. Die häufigsten Ursachen für Rückfall sind das Aufenthaltsverbot, die Landstreicherei und die Unmöglichkeit, eine Arbeit zu finden. Außerdem produziert das Gefängnis auf indirektem Wege Delinquenten, weil es die Familie des Häftlings ins Unglück stürzt. Es überlässt die Mutter in Not, die die Kinder kaum ernähren kann, welche verlassen von ihrem Vater sind. So muss die Familie betteln oder flüchtet in die Landstreicherei und das Verbrechen droht sich fortzupflanzen. Die Kritik am Gefängnis geht in zwei Richtungen; einerseits, dass es nicht bessernd genug wirke und andererseits, dass es vor lautern Bessernwollen seine Bestrafungsgewalt verliere. Als Antwort darauf wurden die Strafvollzugstechniken wiederbelebt, um den Misserfolg zu überwinden und die Besserungstechniken mussten realisiert werden, „um die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung zu übersteigen.“ (S.346). Darauf folgend erläutert Foucault die sieben Universalmaxime des „angemessenen Strafvollzugs“: 1. Haftstrafe muss vor allem zur Änderung des Verhaltens des Individuums führen (Prinzip der Besserung), 2. Gefangene müssen isoliert oder nach der Schwere ihres Verbrechens voneinander getrennt werden; vor allem aber nach Alter, Anlagen, den bei ihnen angewendeten Besserungstechniken und den Phasen ihrer Umgestaltung (Prinzip der Klassifikation), 3. Ablauf der Strafen muss in Abhängigkeit von der Individualität der Gefangenen, von den erzielten Resultaten, von den Fortschritten oder Rückfällen modifizierbar sein (Prinzip der Flexibilität der Strafen), 4. Arbeit muss eines der wesentlichsten Elemente der Umformung und der fort-schreitenden Sozialisierung der Gefangenen sein. Die Zwangsarbeit darf nicht als zusätzliche Erschwernis der Strafe betrachtet werden, sondern als eine nicht wegzudenkende Humanisierung (Prinzip der Arbeit als Pflicht und Recht), 5. Erziehung des Gefangenen ist von Seiten der öffentlichen Gewalt sowohl eine unverzichtbare Vorsichtsmaßnahme, als auch eine Verpflichtung gegenüber dem Gefangenen (Prinzip der Besserungsstrafe als Erziehung), 6. Das Gefängnisleben muss zumindest teilweise unter der Kontrolle und Leitung eines spezialisierten Personals stehen, das die moralischen und technischen Fähigkeiten besitzt, über die gute Entwicklung der Individuen zu wachen. In jeder Strafanstalt fungieren ein Sozialdienst, sowie ein medizinisch-psychologischer Dienst (Prinzip der technischen Kontrolle der Haft), 7. Auf Gefängnishaft müssen Kontroll- und Fürsorgemaßnahmen folgen, bis der ehemalige Häftling endgültig wiederangepasst ist (Prinzip der Anschluss-Institutionen). Die Einführung des Gefängnisses, seine Niederlage und seine Reformen waren keine drei aufeinander folgenden Phasen, sondern ein gleichzeitiges System, dass sich historisch über die bloße Freiheitsberaubung gelegt hat. Vier Elemente beinhaltet dieses System: Den Disziplinarzuschlag des Gefängnisses als Element der Übermacht, die Herstellung einer Gegenständlichkeit, einer Technik und einer Rationalität des Strafvollzug, als Element des angeschlossenen Wissens, die Aufrechterhaltung oder Verstärkung einer Kriminalität die beseitigt werden sollte als Element der verkehrten Wirkung, sowie die ständige Wiederholung einer Reform, die trotz ihrer Idealität mit dem Disziplinarbetrieb identisch ist als Element der utopischen Verdopplung. Dieses komplette Ganze bildet das Kerkersystem. Mit diesem Kerkersystem beschäftigt sich der Autor auch noch einmal eingehend im dritten Teil des Gefängniskapitels. Hier erläutert schon einmal Foucault, was das Kerkersystem zu einem einzigen Komplex zusammenschließt, nämlich „Diskurse und Architekturen, Zwangsregelungen und wissenschaftliche Thesen, wirkliche gesellschaftliche Effekte und nicht aus der Welt zu schaffende Utopien, Programme zur Besserung der Delinquenten und Mechanismen zur Verfestigung der Delinquenz.“ (S.349). Das Gefängnis an sich ist das Instrument für die Strafjustiz, die die vom Gesetz festgelegten Vergehen reduzieren soll. Doch es führte zu Misserfolg und dennoch hielt man 15 Jahre lang daran fest. Foucault stellt sich die Frage, warum man dies tat (Alternative wären nur Deportationen gewesen) und erläutert, wozu dieser Misserfolg des Gefängnisses gut gewesen ist. Er war Fortbestand der Delinquenz, Rückfälligkeit, Umwandlung eines Gelegenheitstäters in einen Gewohnheitsdelinquenten und Organisation eines geschlossenen Delin-quentenmilieus. Strafmittel sollen eben nicht dazu bestimmt sein, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, ordnen und nutzbar zu machen. So wäre die Strafjustiz dann Verwaltung der Gesetzwidrigkeiten und würde ihre allgemeine Ökonomie sicherstellen.
Der zweite Teil des Gefängniskapitels beschäftigt sich mit Gesetzwidrigkeiten und weiter mit der Delinquenz. Zunächst geht Foucault aber noch einmal auf das Ende der Martern ein (die Marter wurde eingehend im ersten Kapitel des Buches beschrieben) und hier vor allem auf die Ablösung der Sträflingskette durch den Zellenwagen im Jahr 1837. Für den Autor ist der Übergang von der Marter zum Gefängnis der Übergang von einer Bestrafungskunst zur Anderen.8 Die Sträflingskette (bei der die Häftlinge an eisernen Halsringen in einer Kette zusammengeschlossen werden) als Weg in die Haft war ein Teil der Marterzeremonie, die dabei beide Bestrafungsarten vereinte. Das Volk verhielt sich dabei wie bei öffentlichen Hinrichtungen, es lästerte, drohte, schlug,…, außerdem erhob es Zorn gegen zu strenge oder zu nachsichtige Justiz. Die Verbrecher in der Kette antworteten darauf, indem sie ihr Verbrechen zur Schau stellten, als Heldentat oder sich auch über die Polizei lustig machten, aufgrund eventuell unentdeckter Verbrechen. Sie zeigten auf jeden Fall keine Reue, eher Freude und verneinte so die Bestrafung. Sie sangen Marschlieder und huldigt seinem Verbrechen, zeigt keine Angst vor der Marter und lässt das Publikum denken, das Zuchthausleben biete Freude und ließe Freundschaften entstehen.9 Die damals zur Ermahnung der Bevölkerung gedachten „Fliegenden Blätter“, auf denen der Verbrecher die Menge — Anmerkung — 8 „Es handelt sich um eine technische Mutation. Ein Symptom und ein Resultat dieses Übergangs bildet die 1837 vorgenommene Ablösung der Sträflingskette durch den Zellenwagen.“ (S.330) 9 „In diesem Fest des Aufbruchs der Sträflinge ist etwas von den Riten des Sündenbocks, den man schlägt, um ihn zu verjagen; etwas von dem Wahnsinnigen, auf dem sich die Rollen vertauschen; etwas von den alten Schafott-Zeremonien, wo die Wahrheit auflodern muss; und auch etwas von den Volksspektakeln, auf denen man berühmte Persönlichkeiten oder altbekannte Gestalten wieder erkennt: Spiel der Wahrheit und der Verruchtheit, Vorbeimarsch der Bekanntheit und der Schande; Schmähungen gegen entlarvte Schuldige und fröhliches Eingeständnis von Verbrechen. Man sucht nach dem Gesicht der Verbrecher, die ihren Ruhm hatten; […].“ (S.332f) nicht zur Nachahmung aufrufen sollte, wurden nun dazu benutzt, das Publikum anzustacheln, entweder die Barbarei der Henker und die Ungerechtigkeit der Richter oder das Unglück der irgendwann wieder triumphierenden Verurteilten zu wählen. — Dadurch entstanden Unruhen in der Bevölkerung und man änderte die Verlegung der Gefangenen, allerdings auch die Strafen und durch das Gefängnis wurde sie auch unter das Zeichen der administrativen Scham gestellt. Im Juni 1837 wurde der Zellenwagen eingeführt, als ein mobiles Panopticon, bei dem die Besserung schon innerhalb des Wagens beginnt. Wie bei Benthams Panopticon gibt es äußere Auswirkungen (nur Wasser und Brot, Daumenschrauben, kein Schlafkissen, Zusammenkettung der Arme), sowie innere Auswirkungen (da man nicht schlafen, sondern nur denken kann). Weiter beschäftigt sich Foucault mit der Kritik am Gefängnis. Diese meldete sich 1820 bis 1848. Die Geschichte des Gefängniswesens verlief nicht chronologisch, mit Einführung der Haftstrafe, Registrierung des Misserfolgs und anschließenden Reformprojekten, sondern war eher eine Verteilung dieser Elemente. Die Kritik sagte, die Gefängnisse würden nicht zur Minderung der Kriminalität beitragen; die Zahl der Verbrechen nehme ab, aber die Zahl der Rückfälle steige eher, als das sie sinke. Daraus folgerten die Kritiker und auch Foucault, dass die Haft den Rückfall fördere. Anstatt gebesserte Individuen in Freiheit zu schicken, produziert das Gefängnis Delinquenten, durch aufgezwungene Existenzweise des Häftlings, durch Isolation in Zelle oder unnütze Arbeit, für die es in Freiheit keine Anstellung gibt. Dem Häftling werden außerdem gewaltsame Zwänge auferlegt, er fühlt sich ungerecht behandelt und wird so unkontrollierbar und lässt sich nicht bessern. Das Gefängnis ermöglicht und begünstigt die Organisation eines solidarischen und hierarchisierten Milieus von Delinquenten die zu allen Komplizenschaften bereit sind. So gibt es überall in Frankreich solche antisozialen Klubs, wo es Gefängnisse gibt. Für den Autor sind auch die Bedingungen unter denen die Häftlinge nach ihrer Freilassung stehen, ausschlaggebend, da sie sie zum Rückfall verleiten, weil sie unter Polizeiüberwachung stehen, ihnen ein Wohnsitz zugewiesen wird und sie nur mit einem Pass entlassen werden, auf dem Verurteilung vermerkt ist. Die häufigsten Ursachen für Rückfall sind das Aufenthaltsverbot, die Landstreicherei und die Unmöglichkeit, eine Arbeit zu finden. Außerdem produziert das Gefängnis auf indirektem Wege Delinquenten, weil es die Familie des Häftlings ins Unglück stürzt. Es überlässt die Mutter in Not, die die Kinder kaum ernähren kann, welche verlassen von ihrem Vater sind. So muss die Familie betteln oder flüchtet in die Landstreicherei und das Verbrechen droht sich fortzupflanzen. Die Kritik am Gefängnis geht in zwei Richtungen; einerseits, dass es nicht bessernd genug wirke und andererseits, dass es vor lautern Bessernwollen seine Bestrafungsgewalt verliere. Als Antwort darauf wurden die Strafvollzugstechniken wiederbelebt, um den Misserfolg zu überwinden und die Besserungstechniken mussten realisiert werden, „um die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung zu übersteigen.“ (S.346). Darauf folgend erläutert Foucault die sieben Universalmaxime des „angemessenen Strafvollzugs“: 1. Haftstrafe muss vor allem zur Änderung des Verhaltens des Individuums führen (Prinzip der Besserung), 2. Gefangene müssen isoliert oder nach der Schwere ihres Verbrechens voneinander getrennt werden; vor allem aber nach Alter, Anlagen, den bei ihnen angewendeten Besserungstechniken und den Phasen ihrer Umgestaltung (Prinzip der Klassifikation), 3. Ablauf der Strafen muss in Abhängigkeit von der Individualität der Gefangenen, von den erzielten Resultaten, von den Fortschritten oder Rückfällen modifizierbar sein (Prinzip der Flexibilität der Strafen), 4. Arbeit muss eines der wesentlichsten Elemente der Umformung und der fort-schreitenden Sozialisierung der Gefangenen sein. Die Zwangsarbeit darf nicht als zusätzliche Erschwernis der Strafe betrachtet werden, sondern als eine nicht wegzudenkende Humanisierung (Prinzip der Arbeit als Pflicht und Recht), 5. Erziehung des Gefangenen ist von Seiten der öffentlichen Gewalt sowohl eine unverzichtbare Vorsichtsmaßnahme, als auch eine Verpflichtung gegenüber dem Gefangenen (Prinzip der Besserungsstrafe als Erziehung), 6. Das Gefängnisleben muss zumindest teilweise unter der Kontrolle und Leitung eines spezialisierten Personals stehen, das die moralischen und technischen Fähigkeiten besitzt, über die gute Entwicklung der Individuen zu wachen. In jeder Strafanstalt fungieren ein Sozialdienst, sowie ein medizinisch-psychologischer Dienst (Prinzip der technischen Kontrolle der Haft), 7. Auf Gefängnishaft müssen Kontroll- und Fürsorgemaßnahmen folgen, bis der ehemalige Häftling endgültig wiederangepasst ist (Prinzip der Anschluss-Institutionen). Die Einführung des Gefängnisses, seine Niederlage und seine Reformen waren keine drei aufeinander folgenden Phasen, sondern ein gleichzeitiges System, dass sich historisch über die bloße Freiheitsberaubung gelegt hat. Vier Elemente beinhaltet dieses System: Den Disziplinarzuschlag des Gefängnisses als Element der Übermacht, die Herstellung einer Gegenständlichkeit, einer Technik und einer Rationalität des Strafvollzug, als Element des angeschlossenen Wissens, die Aufrechterhaltung oder Verstärkung einer Kriminalität die beseitigt werden sollte als Element der verkehrten Wirkung, sowie die ständige Wiederholung einer Reform, die trotz ihrer Idealität mit dem Disziplinarbetrieb identisch ist als Element der utopischen Verdopplung. Dieses komplette Ganze bildet das Kerkersystem. Mit diesem Kerkersystem beschäftigt sich der Autor auch noch einmal eingehend im dritten Teil des Gefängniskapitels. Hier erläutert schon einmal Foucault, was das Kerkersystem zu einem einzigen Komplex zusammenschließt, nämlich „Diskurse und Architekturen, Zwangsregelungen und wissenschaftliche Thesen, wirkliche gesellschaftliche Effekte und nicht aus der Welt zu schaffende Utopien, Programme zur Besserung der Delinquenten und Mechanismen zur Verfestigung der Delinquenz.“ (S.349). Das Gefängnis an sich ist das Instrument für die Strafjustiz, die die vom Gesetz festgelegten Vergehen reduzieren soll. Doch es führte zu Misserfolg und dennoch hielt man 15 Jahre lang daran fest. Foucault stellt sich die Frage, warum man dies tat (Alternative wären nur Deportationen gewesen) und erläutert, wozu dieser Misserfolg des Gefängnisses gut gewesen ist. Er war Fortbestand der Delinquenz, Rückfälligkeit, Umwandlung eines Gelegenheitstäters in einen Gewohnheitsdelinquenten und Organisation eines geschlossenen Delin-quentenmilieus. Strafmittel sollen eben nicht dazu bestimmt sein, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, ordnen und nutzbar zu machen. So wäre die Strafjustiz dann Verwaltung der Gesetzwidrigkeiten und würde ihre allgemeine Ökonomie sicherstellen.


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