Im deutschen Recht wird eine in Freiheitsstrafe umgewandelte Geldstrafe als Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) bezeichnet.

Wie viele Menschen pro Jahr bundesweit eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, ist nicht bekannt. 2002 waren es im Jahresverlauf 65.000. Seither hat eine Umstellung der Strafvollzugsstatistik im Jahre 2003 dazu geführt, dass diese Zahlen nicht mehr erhoben werden. "Damit ist ein kriminalpolitisch wichtiges Problem ins Dunkelfeld verschoben", schrieb das Bundesinnenministerium 2006.

Erhoben wird nur die Zahl der bundesweit Inhaftierten an einem Stichtag, da machen Ersatzfreiheitsstrafler aktuell 8,4 Prozent der 63.000 Häftlinge aus. Diese Zahl ist so niedrig ist, weil sie nur erfasst, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt im Gefängnis sitzt, nicht alle in einem Jahr Aufgenommenen und Entlassenen. Der Kriminologe Heinz Cornel schätzt, dass 30 bis 40 Prozent aller Aufnahmen und Entlassungen in einem Jahr in deutschen Gefängnissen Ersatzfreiheitsstrafler betreffen.

Wer aber besitzt die Macht, eine Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln - und unter welchen Umständen und mit welchen Folgen geschieht das? Was machen andere Staaten in Europa und in der Welt? Was läst sich aus den Verfassungen verschiedener Staaten herauslesen und was sagen Parteien und außerparlamentarische Initiativen?

Die EFS im deutschen Recht

Die Ersatzfreiheitsstrafe ist in § 43 des Strafgesetzbuchs geregelt. Dieser besagt:

An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.

Da Geldstrafen in Deutschland in der Form von Tagessätzen verhängt werden, stellt die Umrechnung kein Problem dar: Wer zu 60 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt wurde, dessen EFS beläuft sich dann auf 60 Tage Gefängnis.

Verarmung, Ersatzfreiheitsstrafen und Kosten

In Zeiten der Verarmung größerer Bevölkerungsteile steigt die Zahl der EFS. Gegenwärtig sind fast zehn Prozent aller Strafgefangenen, die an einem Tag einsitzen, EFSler. Zugleich ist die Umwandlung von Geld- in EFS für den Staat eine kostspielige Angelegenheit. Ein Tag Vollzug kostet pro Person rund 100 Euro. "Etwa 100 Millionen Euro sind bundesweit pro Jahr nötig, um Menschen, die eigentlich zu Geldstrafen verurteilt wurden, vorübergehend einzusperren. Zehn deutsche Knäste könnten sofort geschlossen werden, wenn EFS durch andere Sanktionen ersetzt würden"[1].Die Kostenproblematik und die häufig ausgesprochen negativen Auswirkungen des Gefängnisaufenthalts auf die Betroffenen ("kriminelle Ansteckung", Mobbing, Schikanen, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung durch Mitgefangene) führen immer wieder zu Überlegungen, ob und wie sich der Vollzug von EFS vermeiden lassen könnte.

Rechtspolitik

Die Ersatzfreiheitsstrafe in Deutschland folgt grundsätzlich dem schwedischen Vorbild. Allerdings war in Schweden vorgeschrieben, dass bei Nichtzahlung der Geldstrafe ein Richter darüber entscheiden musste, ob der/die Verurteilte die Geldstrafe nicht zahlen kann oder dies nicht will. Nur in letzterem Fall kam eine Ersatzfreiheitsstrafe in Frage. In Deutschland hat man stattdessen eine Automatik eingeführt: sobald der zuständige Rechtspfleger meldet, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist, tritt Ersatzfreiheitsstrafe an die Stelle der Geldstrafe. Dies führt zu den bereits dargestellten Problemen. Deshalb erscheint es zwingend über weitergehende Vorschläge nachzudenken.

Tilgung der EFS durch freie Arbeit

Zunächst behalfen sich sämtliche Bundesländer mit Art. 293 EGStGB, worin die Landesregierungen ermächtigt werden, die Vollstreckung der EFS durch Tilgungsverordnungen abzuwenden: "Soweit der Verurteilte die freie Arbeit geleistet hat, ist die Ersatzfreiheitstrafe erledigt". Zumeist waren dabei sechs Stunden gemeinnützige Arbeit zur Tilgung eines Tages EFS erforderlich. In einzelnen Bundesländern wurde dieser Umrechnungsmaßstab auf bis zu drei Stunden herabgesetzt. In allen Bundesländern gibt es Organsiationen der freien Straffälligenhilfe, welche sich bemühen, geeignete Arbeitsplätze aufzutreiben. Die Ergebnisse sind desilusionierend: ein Rückgang der Zahl der EFS ist bundesweit nicht zu verzeichnen.

Ersatzstrafe

Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionsrecht vom 17.03.2004 (BT Drs. 15/2725) wollte die Ersatzfreiheitsstrafe des § 43 StGB durch eine "Ersatzstrafe" ersetzen. Diese sollte, mit Zustimmung des Verurteilten, in der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit bestehen. Nur wenn der Verurteilte die Zustimmung nicht erteilte oder "die gemeinnützige Arbeit nicht in angemessener Zeit oder nicht in ordnungsgemäßer Weise" erbrachte sollte an die Stelle der Geldstrafe Ersatzfreiheitsstrafe treten. Im übrigen sollte der Umrechnungsmaßstab verändert werden: "zwei Tagesssätze entsprechen einem Tag Freiheitsstrafe". Das Gesetz ist jedoch nie in Kraft getreten.

Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe

Zunehmend wird daher die Forderung erhoben, die EFS insgesamt abzuschaffen (vgl. zuletzt Guthke/Kitlikoglu 2015). Dem wird entgegengehalten, die EFS sei ein "notwendiges Strukturteil einer in der Praxis gut funktionierenden Geldstrafenverhängung - und Vollstreckung". Das gelte insbesondere für ein Land mit einem so hohen Anteil an Geldstrafe (OStA Olaf Boll als Berichterstatter der vom BMJ eingesetzten Kommission zu Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems (Abschlußbericht der Kommission, 2000, 3.1.1). Inzwischen hat jedoch Schweden, das einen ähnlich hohen Geldstrafenanteil an allen Sanktionen aufweist, die EFS ersatzlos abgeschafft. Ebenso Dänemark[2]

Literatur

  • Dünkel, Frieder & Jens Scheel (2006) Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit: das Projekt "Ausweg" in Mecklenburg-Vorpommern: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Godesberg: Forum.
  • Geld oder Knast von Guido Kleinhubbert, Spiegel-Online, 07.06.2008
  • Guthke, Kai & Lefter Kitlikoglu (2015) Die Ersatzfreiheitsstrafe muss weg! In: FREISPRUCH Nr. 6 (Februar 2015).

Einzelnachweise

  1. Kleinhubbert, Spiegel 07.06.2008
  2. Frieder Dünkel: Ersatzfreiheitsstrafen und ihre Vermeidung. Aktuelle statistische Entwicklung, gute Praxismodelle und rechtspolitische Überlegungen. In: Forum Strafvollzug. Heft 3, 60. Jg., Mai 2011, S. 144.