Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Entkriminalisierung als Perspektive ===
=== Entkriminalisierung als Perspektive ===
"Wenn Politik dahin tendiert, sich auszuweiten und sich dabei aller (im Rahmen der Verfassung zulässiger) Mittel, also auch des Strafrechts, zur Verfolgung ihrer Zwecke zu bedienen, so sollte Strafrechtswissenschaft sich als Strafbegrenzungswissenschaft verstehen. Sie sollte mit jedem ihrer drei Elemente der tendenziell unbegrenzten Strafwilligkeit der Politik rechtliche Grenzen signalisieren. In der Sache bedeutet dies eine abolitionistische Perspektive, also eine Perspektive der Entkriminalisierung - wohlgemerkt eine Perspektive, d.h. weder ein geschlossenes System noch ein kurzfristig umzusetzendes Aktionsprogramm, sondern einen Fluchtpunkt kriminalpolitischen und strafrechtswissenschaftlichen Denkens und Argumentierens
"Wenn Politik dahin tendiert, sich auszuweiten und sich dabei aller (im Rahmen der Verfassung zulässiger) Mittel, also auch des Strafrechts, zur Verfolgung ihrer Zwecke zu bedienen, so sollte Strafrechtswissenschaft sich als Strafbegrenzungswissenschaft verstehen. Sie sollte mit jedem ihrer drei Elemente der tendenziell unbegrenzten Strafwilligkeit der Politik rechtliche Grenzen signalisieren. In der Sache bedeutet dies eine abolitionistische Perspektive, also eine Perspektive der Entkriminalisierung - wohlgemerkt eine Perspektive, d.h. weder ein geschlossenes System noch ein kurzfristig umzusetzendes Aktionsprogramm, sondern einen Fluchtpunkt kriminalpolitischen und strafrechtswissenschaftlichen Denkens und Argumentierens.


Natürlich kann Strafrechtswissenschaft auch anders betrieben werden, nämlich als Strafverfolgungs- und Kriminalitätsbekämpfungswissenschaft. (...). Für ein solches abolitionistisches - oder besser: reduktionistisches - Verständnis von Strafrechtswissenschaft spricht (...) vor allem die Notwendigkeit eines restriktiven Kontrapunktes gegenüber einer extensiven Politik. Von weiteren wichtigen Gründen kann ich hier nur drei andeuten:
#Für die mit staatlichem Strafen verbundenen Bedrängnisse, Beschränkungen und Leiden eine allseits anerkannte Begründung zu finden, ist bislang noch nicht gelungen. Ganz im Gegenteil: Die gegen staatliches Strafen erhobenen Einwände werden vielfältiger.
#Es entspricht dem Menschenbild eines demokratischen Rechtsstaates , mit sozialethischen Vorwürfen verbundene Eingriffe in die Freiheitssphäre der Bürger so gering wie möglich zu halten.
#Eine expandierende Strafgesetzgebung belastet das Strafjustizsstem mit einem 'Input', den es - wie sich gezeigt hat - auf die Dauer nur bewältigen kann, indem es kommunikative Standards des Strafprozesses herabsetzt, schützende Formen aufweicht, die Gesetzesbindung der Strafverfolgungsorgane lockert und Beschuldigtenrechte verkürzt.
Daher nochmals: Strafrechtswissenschaft sollte gegenüber staatlicher Dispositionsfreiheit über das Strafrecht einen Gegenpol bilden. Sie sollte den Kriminalisierungswünschen der Politik den Grundsatz 'in dubio contra delictum' als eine Ausprägung des Grundsatzes 'in dubio pro libertate' entgegenhalten" (Vormbaum 1995: 41 f.).


=== Reduktion auf das Kernstrafrecht ===
=== Reduktion auf das Kernstrafrecht ===
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