Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 59: Zeile 59:
[https://netzpolitik.org/2017/eu-kommission-haelt-dokumente-zum-facebook-gesetz-zurueck/  Am 10.11.2017 berichtete netzpolitik] dass die '''EU'''-Kommission die Herausgabe von Dokumenten mit einer kritischen Bewertung des NetzDG zurückhalte, obwohl sie aufgrund einer Regelung von 2001 dazu verpflichtet sei. Der Zeitung WirtschaftsWoche gegenüber hatte die Kommission sich nicht auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit berufen, sondern (rechtsgrundlos) erklärt, dass die Veröffentlichung der Dokumente "das Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen dem Mitgliedsstaat und der Kommission beeinträchtigen" würde. Die Zeitung sah sich in dem Verdacht bestätigt, dass das Gesetz gegen EU-Recht verstößt, Brüssel aber Deutschland nicht brüskieren wolle.
[https://netzpolitik.org/2017/eu-kommission-haelt-dokumente-zum-facebook-gesetz-zurueck/  Am 10.11.2017 berichtete netzpolitik] dass die '''EU'''-Kommission die Herausgabe von Dokumenten mit einer kritischen Bewertung des NetzDG zurückhalte, obwohl sie aufgrund einer Regelung von 2001 dazu verpflichtet sei. Der Zeitung WirtschaftsWoche gegenüber hatte die Kommission sich nicht auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit berufen, sondern (rechtsgrundlos) erklärt, dass die Veröffentlichung der Dokumente "das Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen dem Mitgliedsstaat und der Kommission beeinträchtigen" würde. Die Zeitung sah sich in dem Verdacht bestätigt, dass das Gesetz gegen EU-Recht verstößt, Brüssel aber Deutschland nicht brüskieren wolle.


== Zensurvorwurf: die drei ersten Fälle ==
== Der Fall Beatrix von Storch==
'''Beatrix von Storch''': [http://meedia.de/2018/01/02/der-falsche-praezedenzfall-social-media-sperre-gegen-beatrix-von-storch-zeigt-die-tuecken-des-facebook-gesetzes/ (MMEDIA 2.1.2018)]: Ein in der Silvesternacht am Sonntag verbreiteter Tweet sorgte bei AfD-Vizechefin Beatrix von Storch für Ärger. Darin wünschte die Polizei Köln allen Feiernden im Rheinland einen guten Rutsch – auf Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Von Storch antwortete daraufhin bei Twitter mit einem höhnischen, bei ihrer Anhängerschaft Beifall heischenden Kommentar: „Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf arabisch?“ In Anlehnung an die Kölner Silvesternacht von 2015/16, als es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen durch junge Männer mit nordafrikanischem und arabischem Hintergrund kam, fuhr sie fort: „Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“ -- Nutzer meldeten den Beitrag sowohl auf Twitter als auch bei Facebook, wo er im weltgrößten Sozialen Netzwerk im gleichen Wortlaut veröffentlicht wurde. Beide Plattformen löschten ihn kurz darauf. Facebook kommentierte diesen Schritt wie folgt: „Wir haben den Zugang zu diesem Inhalt aus folgendem Grund gesperrt: Volksverhetzung (Paragraf 130 des deutschen Strafgesetzbuchs).“ Twitter deaktivierte Beatrix von Storchs Account für eine kurze Zeit. Die Kölner Polizei stellte zudem Strafanzeige gegen die AfD-Politikerin, nachdem diese den ursprünglichen Tweet der Polizei weiter verbreitet hatte. Auf Anfrage erklärte die Pressestelle der Kölner Polizei, dass es ihrerseits keine Meldung bei Twitter oder Facebook gegeben habe. Sie habe lediglich nach dem Strafverfolgungszwang gehandelt, wonach die Polizei bei Verdacht einer Straftat Anzeige erstatten muss. Mittlerweile sind weitere Anzeigen gegen Beatrix von Storch eingegangen. Nun übernimmt die Kölner Staatsanwaltschaft den Fall. - Für Kritiker des „Facebook-Gesetzes“ indes scheint sich nun zu bewahrheiten, was sie seit Sommer 2017 befürchten: Das NetzDG beschneide die Meinungsfreiheit und schaffe Chancen für Zensur. Viele Hass-Postings mögen zwar inhaltlich inakzeptabel sein. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass sie gesetzwidrig sind. Viel mehr bewegen sich populistische Postings wie im Fall von Beatrix von Storch möglicherweise in einer Grauzone und bedürfen einer juristischen Überprüfung durch Gerichte. Das Justizministerium schreibt dazu: „Soziale Netzwerke müssen offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde löschen oder sperren. Über andere gemeldete Inhalte müssen soziale Netzwerke unverzüglich, in der Regel innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde, entscheiden.“ - Enthielt Beatrix von Storchs Posting nun „offensichtlich strafbare Inhalte“? Die Mitarbeiter von Twitter und Facebook handhabten die Angelegenheit jedenfalls so. Ein Hamburger Medienrechtsanwalt beurteilt den Sachverhalt auf Anfrage von MEEDIA wesentlich differenzierter. Seiner Einschätzung nach handelt es sich um eine „zwar höchst grenzwertige, aber wohl von der Meinungsfreiheit gedeckte Aussage“. Denn: „Von Storch stellt ihren Inhalt in den Kontext der Ereignisse von 2015 und stellt somit keine pauschale Behauptung auf. Sie sagt ja nicht, dass alle Muslime gemeint sind.“ - Aussagen dieser Art müssten nach Einschätzung des Juristen hinsichtlich des Kontextes der Äußerung, der inhaltlichen Ebene und der Betonung genau überprüft werden. Selbst Inhalte mit scheinbar strafbaren Inhalten bedürften einer detaillierten Betrachtung. Ob das in 24 Stunden bewerkstelligt werden kann, bezweifeln Kritiker wie Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. In der Süddeutschen Zeitung äußerte er Bedenken gegenüber der eintägigen Frist. Aus Angst vor hohen Bußgeldern bis zu 50 Millionen Euro könnten Soziale Netzwerke lieber zu viele Inhalte löschen statt angemessen zu prüfen, das sogenannte Overblocking. Nutzer könnten das Gesetz ebenfalls ausnutzen und aus politischen Gründen ausgewählte, legale Inhalte melden. -- Die Diskussion um den Tweet von Beatrix von Storch verdeutlicht, dass das NetzDG zu großen Problemen für die Meinungs- und Pressefreiheit führen kann."
[http://meedia.de/2018/01/02/der-falsche-praezedenzfall-social-media-sperre-gegen-beatrix-von-storch-zeigt-die-tuecken-des-facebook-gesetzes/ Schilderung des Falles durch MMEDIA am 2.1.2018]:
:Ein in der Silvesternacht am Sonntag verbreiteter Tweet sorgte bei AfD-Vizechefin Beatrix von Storch für Ärger. Darin wünschte die Polizei Köln allen Feiernden im Rheinland einen guten Rutsch – auf Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Von Storch antwortete daraufhin bei Twitter mit einem höhnischen, bei ihrer Anhängerschaft Beifall heischenden Kommentar: „Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf arabisch?“ In Anlehnung an die Kölner Silvesternacht von 2015/16, als es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen durch junge Männer mit nordafrikanischem und arabischem Hintergrund kam, fuhr sie fort: „Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“


'''Titanic''':  
:Nutzer meldeten den Beitrag sowohl auf Twitter als auch bei Facebook, wo er im weltgrößten Sozialen Netzwerk im gleichen Wortlaut veröffentlicht wurde. Beide Plattformen löschten ihn kurz darauf. Facebook kommentierte diesen Schritt wie folgt: „Wir haben den Zugang zu diesem Inhalt aus folgendem Grund gesperrt: Volksverhetzung (Paragraf 130 des deutschen Strafgesetzbuchs).“ Twitter deaktivierte Beatrix von Storchs Account für eine kurze Zeit. Die Kölner Polizei stellte zudem Strafanzeige gegen die AfD-Politikerin, nachdem diese den ursprünglichen Tweet der Polizei weiter verbreitet hatte. Auf Anfrage erklärte die Pressestelle der Kölner Polizei, dass es ihrerseits keine Meldung bei Twitter oder Facebook gegeben habe. Sie habe lediglich nach dem Strafverfolgungszwang gehandelt, wonach die Polizei bei Verdacht einer Straftat Anzeige erstatten muss. Mittlerweile sind weitere Anzeigen gegen Beatrix von Storch eingegangen. Nun übernimmt die Kölner Staatsanwaltschaft den Fall.
"Wer von der Account-Sperrung der AfD-Politikerin las und der Meinung war, es würde in diesem Fall nicht den Falschen treffen, musste im Laufe des Tages erfahren, dass derartige Maßnahmen auch gegen andere verhängt wurden. So machte die Redaktion des Satiremagazins Titanic, die den Fall von Storch zum Anlass genommen hatte, im Namen der gesperrten AfD-Vizechefin zu twittern, ebenfalls eine Löschaktion öffentlich. Einer der Tweets lautete: „Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen? Ich wehl doch nicht 110, wen die Barbarenhorden mich vergewaltigen wollen! (bvs).“ Auf Anfrage von MEEDIA bestätigte Chefredakteur Tim Wolff: „Dieser (Tweet) wurde von Twitter gelöscht. Gesperrt wurden wir – noch – nicht.“ Mit dem Verständnis von Ironie scheint es bei den Kontrolleuren im Dienste von Twitter offenbar noch zu hapern. - Bei der Titanic nimmt man die Löschung gelassen und kommentiert diese gewohnt satirisch. Chefredakteur Wolff: „Wir fühlen uns durch diese Zensur in unserer publizistischen Arbeit massiv eingeschränkt. Was zur Hölle ist in diesem Internet los, wenn wir Barbaren keine Twitterschutzzone mehr bieten können? So fing es damals auch an!“ - Klar scheint, dass die Praxis der eigenverantwortlichen Kontrolle von Beiträgen auf den Social Media-Plattformen noch häufiger für Kontroversen sorgen wird. Wichtigster Maßstab dabei wird die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit sein. „Unabhängig ob man irgendeiner Partei oder Meinung zuneigt – oder sie ablehnt. Meinungen jeglicher Art dürfen nicht verboten werden, solange sie nicht klar gegen gängiges Recht verstoßen“, so der von MEEDIA befragte Medienrechtler. „Eine demokratische Gesellschaft muss sich mit kritischen Aussagen auseinandersetzen.“ -


7.1.2018: Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer, und mehrere Grünen-Politiker haben sich nach der Sperrung des Twitter-Accounts des Satiremagazins „Titanic“ in der vergangenen Woche für die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ausgesprochen.- „Die vergangenen Tage haben eindringlich gezeigt, dass private Anbieter nicht in der Lage sind, in allen Fällen mutmaßlich strafbarer Äußerungen im Netz die richtige Entscheidung darüber zu treffen, ob eine rechtswidrige, eine satirische oder aber eine geschmacklose, in einer Demokratie aber zu ertragende Meinungsäußerung vorliegt“, sagte Beer der WELT AM SONNTAG. - Konstantin von Notz, der netzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, warnt ebenfalls vor den Folgen des NetzDG. Er sagte: „Die Sperrung des Twitter-Accounts der ,Titanic‘ zeigt natürlich deutlich die Gefahr des '''Overblockings''' durch viel zu kurze Löschfristen und '''unbestimmte''' Rechtsbegriffe, die wir im Gesetzgebungsverfahren deutlich kritisiert haben. Denn offensichtlich wurden hier Kontextinformationen, wie, dass es sich bei dem Account-Betreiber um ein Satiremagazin handelt, gerade nicht mit in die Entscheidung mit einbezogen. Diese ‚Kollataralschäden‘ entstehen mit Ansage, denn die große Koalition hat dieses Gesetz sehenden Auges so grob gestrickt, und so ist der von uns und vielen Experten angemahnte Reformbedarf überfällig.“ -„Wir brauchen die sachgerechte Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden zur Durchsetzung des Rechts auch im Netz, nicht die Privatisierung dieser Entscheidungen bei internationalen Plattbetreibern wie mit dem NetzDG.“ Schwer erträglich sei es, wie Justizminister Heiko Maas mit dem NetzDG rassistischen Populisten eine Plattform für Provokation bietet. Das Gesetz sei „vermurkst und gehört durch ein ordentliches ersetzt, wie es Freie Demokraten schon vor Weihnachten in den Bundestag eingebracht haben“, so Beer. -- Ähnlich beurteilt Simone Peter das NetzDG. Die Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen sagte dieser Zeitung: „Die Sperrung des Twitter-Accounts der ,Titanic‘ offenbart die Schwächen des mit viel zu heißer Nadel gestrickten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein US-amerikanisches Unternehmen wie Twitter die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland beeinflusst. Denn offensichtlich ignorierte Twitter, dass es sich bei der ,Titanic‘ um ein Satiremagazin handelt.“Das seit Jahresbeginn geltende Gesetz, das die große Koalition im vergangenen Jahr verabschiedet hatte, verlangt von Portalen wie Twitter, Facebook und Youtube, „offensichtlich strafbare“ Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Twitter hatte am Dienstag den Account von „Titanic“ geblockt und einen Tweet gelöscht. Darin hatte das Magazin den '''Begriff''' „Barbarenhorden“ '''verwendet''' und damit eine Nachricht der AfD-Politikerin Beatrix von Storch parodiert.
:Für Kritiker des „Facebook-Gesetzes“ indes scheint sich nun zu bewahrheiten, was sie seit Sommer 2017 befürchten: Das NetzDG beschneide die Meinungsfreiheit und schaffe Chancen für Zensur. Viele Hass-Postings mögen zwar inhaltlich inakzeptabel sein. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass sie gesetzwidrig sind. Viel mehr bewegen sich populistische Postings wie im Fall von Beatrix von Storch möglicherweise in einer Grauzone und bedürfen einer juristischen Überprüfung durch Gerichte. Das Justizministerium schreibt dazu: „Soziale Netzwerke müssen offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde löschen oder sperren. Über andere gemeldete Inhalte müssen soziale Netzwerke unverzüglich, in der Regel innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde, entscheiden.- Enthielt Beatrix von Storchs Posting nun „offensichtlich strafbare Inhalte“?


'''Heiko Maas''':[http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzdg-heiko-maas-tweet-ueber-thilo-sarrazin-verschwunden-a-1186747.html Spiegel-online am 08.01.2018 zur Frage, ob der Justizminister selbst Opfer seines eigenen Gesetzes wurde: Die allgemeine Empörung im Netz hat sich auf einen etwa sieben Jahre alten Tweet des Politikers ausgeweitet.]: 2010 twitterte Maas verächtlich über den umstrittenen SPD-Politiker Thilo Sarrazin. Wegen dessen rechtspopulistischer Äußerungen bezeichnete Maas ihn in einem Tweet als "Idiot". Kaum jemand dürfte sich daran erinnern. Doch dann kam das NetzDG - und mit dem neuen Gesetz ist nun auch Maas' Tweet verschwunden. Warum, blieb zunächst unklar.-Seit dem Jahreswechsel sind Onlinenetzwerke wie Facebook und Twitter verpflichtet, Postings mit "offensichtlich rechtswidrigen Inhalten" binnen 24 Stunden zu löschen. Die AfD instrumentalisierte das Gesetz gegen Hassrede rasch für ihre Zwecke und schwadroniert seither von Zensur, wann immer eine ihrer Beleidigungen nicht im Netz stehen bleiben darf.- Im Falle des Maas-Tweets waren Beobachter jedenfalls schnell mit einer möglichen Deutung der Ereignisse vom Wochenende zur Stelle: "Wurde Maas Opfer seines eigenen Lösch-Gesetzes?", fragte "Bild.de". Maas selbst, so das Portal, habe den Tweet jedenfalls nicht gelöscht. Die - noch online einsehbaren - Antworten auf den alten Maas-Tweet legen folgende Theorie nahe: Von der Aufregung um das Maas'sche Gesetz angestachelt, durchforsteten einzelne Twitter-Nutzer dessen Account nach alten Verfehlungen - und begannen, Maas' Tweet von 2010 zu melden. - So wurde wahrscheinlich Twitter auf den Post aufmerksam. Ob es den Tweet aber wirklich auf Basis des NetzDG löschte, weiß nur Twitter selbst. Von außen einsehbar sind die Löschgründe nicht. - Unabhängig von dem Gesetz bestehen die zuvor gültigen Meldesysteme und -regeln weiter, nach denen Twitter schon immer - wenn auch erratisch und häufig mit schlechten Ergebnissen - gelöscht hat. Der Maas-Tweet könnte von Twitter schlicht auch als Verstoß gegen die Community-Standards gewertet worden sein.-Selbst die Verfasser gelöschter oder gesperrter Inhalte bekommen nur die Information "Gemäß den geltenden Gesetzen und unseren Richtlinien hat Twitter nun diese Inhalte in Deutschland zurückgezogen". Was im jeweiligen Fall den Ausschlag gegeben hat, das NetzDG oder Twitters eigene Richtlinien, geht daraus nicht hervor.- Dass Twitters derzeitiges Vorgehen nicht unbedingt in direktem Zusammenhang mit seinem Gesetz steht, versuchte auch Minister Maas am Montag in der "Bild"-Sendung "Die richtigen Fragen" zu vermitteln. Bei manchen Nutzern ist das offenbar nicht angekommen. Twitter, traditionell schlecht zu erreichen für Rückfragen aus Deutschland, tut nichts dafür, dieses Problem zu beheben."
:Die Mitarbeiter von Twitter und Facebook handhabten die Angelegenheit jedenfalls so. Ein Hamburger Medienrechtsanwalt beurteilt den Sachverhalt auf Anfrage von MEEDIA wesentlich differenzierter. Seiner Einschätzung nach handelt es sich um eine „zwar höchst grenzwertige, aber wohl von der Meinungsfreiheit gedeckte Aussage“. Denn: „Von Storch stellt ihren Inhalt in den Kontext der Ereignisse von 2015 und stellt somit keine pauschale Behauptung auf. Sie sagt ja nicht, dass alle Muslime gemeint sind.“ - Aussagen dieser Art müssten nach Einschätzung des Juristen hinsichtlich des Kontextes der Äußerung, der inhaltlichen Ebene und der Betonung genau überprüft werden. Selbst Inhalte mit scheinbar strafbaren Inhalten bedürften einer detaillierten Betrachtung. Ob das in 24 Stunden bewerkstelligt werden kann, bezweifeln Kritiker wie Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. In der Süddeutschen Zeitung äußerte er Bedenken gegenüber der eintägigen Frist. Aus Angst vor hohen Bußgeldern bis zu 50 Millionen Euro könnten Soziale Netzwerke lieber zu viele Inhalte löschen statt angemessen zu prüfen, das sogenannte Overblocking. Nutzer könnten das Gesetz ebenfalls ausnutzen und aus politischen Gründen ausgewählte, legale Inhalte melden. -- Die Diskussion um den Tweet von Beatrix von Storch verdeutlicht, dass das NetzDG zu großen Problemen für die Meinungs- und Pressefreiheit führen kann."
 
== Der Fall Titanic ==
MEEDIA beschreibt den Fall der Titanic-Sperrung folgendermaßen:
 
:"Wer von der Account-Sperrung der AfD-Politikerin las und der Meinung war, es würde in diesem Fall nicht den Falschen treffen, musste im Laufe des Tages erfahren, dass derartige Maßnahmen auch gegen andere verhängt wurden. So machte die Redaktion des Satiremagazins Titanic, die den Fall von Storch zum Anlass genommen hatte, im Namen der gesperrten AfD-Vizechefin zu twittern, ebenfalls eine Löschaktion öffentlich. Einer der Tweets lautete: „Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen? Ich wehl doch nicht 110, wen die Barbarenhorden mich vergewaltigen wollen! (bvs).“ Auf Anfrage von MEEDIA bestätigte Chefredakteur Tim Wolff: „Dieser (Tweet) wurde von Twitter gelöscht. Gesperrt wurden wir – noch – nicht.“ Mit dem Verständnis von Ironie scheint es bei den Kontrolleuren im Dienste von Twitter offenbar noch zu hapern. - Bei der Titanic nimmt man die Löschung gelassen und kommentiert diese gewohnt satirisch. Chefredakteur Wolff: „Wir fühlen uns durch diese Zensur in unserer publizistischen Arbeit massiv eingeschränkt. Was zur Hölle ist in diesem Internet los, wenn wir Barbaren keine Twitterschutzzone mehr bieten können? So fing es damals auch an!“ - Klar scheint, dass die Praxis der eigenverantwortlichen Kontrolle von Beiträgen auf den Social Media-Plattformen noch häufiger für Kontroversen sorgen wird. Wichtigster Maßstab dabei wird die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit sein. „Unabhängig ob man irgendeiner Partei oder Meinung zuneigt – oder sie ablehnt. Meinungen jeglicher Art dürfen nicht verboten werden, solange sie nicht klar gegen gängiges Recht verstoßen“, so der von MEEDIA befragte Medienrechtler. „Eine demokratische Gesellschaft muss sich mit kritischen Aussagen auseinandersetzen.“ -
 
MEEDIA dazu am 7.1.2018:
:Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer, und mehrere Grünen-Politiker haben sich nach der Sperrung des Twitter-Accounts des Satiremagazins „Titanic“ in der vergangenen Woche für die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ausgesprochen.- „Die vergangenen Tage haben eindringlich gezeigt, dass private Anbieter nicht in der Lage sind, in allen Fällen mutmaßlich strafbarer Äußerungen im Netz die richtige Entscheidung darüber zu treffen, ob eine rechtswidrige, eine satirische oder aber eine geschmacklose, in einer Demokratie aber zu ertragende Meinungsäußerung vorliegt“, sagte Beer der WELT AM SONNTAG. - Konstantin von Notz, der netzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, warnt ebenfalls vor den Folgen des NetzDG. Er sagte: „Die Sperrung des Twitter-Accounts der ,Titanic‘ zeigt natürlich deutlich die Gefahr des '''Overblockings''' durch viel zu kurze Löschfristen und '''unbestimmte''' Rechtsbegriffe, die wir im Gesetzgebungsverfahren deutlich kritisiert haben. Denn offensichtlich wurden hier Kontextinformationen, wie, dass es sich bei dem Account-Betreiber um ein Satiremagazin handelt, gerade nicht mit in die Entscheidung mit einbezogen. Diese ‚Kollataralschäden‘ entstehen mit Ansage, denn die große Koalition hat dieses Gesetz sehenden Auges so grob gestrickt, und so ist der von uns und vielen Experten angemahnte Reformbedarf überfällig.“ -„Wir brauchen die sachgerechte Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden zur Durchsetzung des Rechts auch im Netz, nicht die Privatisierung dieser Entscheidungen bei internationalen Plattbetreibern wie mit dem NetzDG.“ Schwer erträglich sei es, wie Justizminister Heiko Maas mit dem NetzDG rassistischen Populisten eine Plattform für Provokation bietet. Das Gesetz sei „vermurkst und gehört durch ein ordentliches ersetzt, wie es Freie Demokraten schon vor Weihnachten in den Bundestag eingebracht haben“, so Beer.
 
:hnlich beurteilt Simone Peter das NetzDG. Die Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen sagte dieser Zeitung: „Die Sperrung des Twitter-Accounts der ,Titanic‘ offenbart die Schwächen des mit viel zu heißer Nadel gestrickten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein US-amerikanisches Unternehmen wie Twitter die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland beeinflusst. Denn offensichtlich ignorierte Twitter, dass es sich bei der ,Titanic‘ um ein Satiremagazin handelt.“Das seit Jahresbeginn geltende Gesetz, das die große Koalition im vergangenen Jahr verabschiedet hatte, verlangt von Portalen wie Twitter, Facebook und Youtube, „offensichtlich strafbare“ Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Twitter hatte am Dienstag den Account von „Titanic“ geblockt und einen Tweet gelöscht. Darin hatte das Magazin den '''Begriff''' „Barbarenhorden“ '''verwendet''' und damit eine Nachricht der AfD-Politikerin Beatrix von Storch parodiert.
 
== Der Fall Heiko Maas ==
[http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzdg-heiko-maas-tweet-ueber-thilo-sarrazin-verschwunden-a-1186747.html Spiegel-online am 08.01.2018 zur Frage, ob der Justizminister selbst Opfer seines eigenen Gesetzes wurde: Die allgemeine Empörung im Netz hat sich auf einen etwa sieben Jahre alten Tweet des Politikers ausgeweitet.]: 2010 twitterte Maas verächtlich über den umstrittenen SPD-Politiker Thilo Sarrazin. Wegen dessen rechtspopulistischer Äußerungen bezeichnete Maas ihn in einem Tweet als "Idiot". Kaum jemand dürfte sich daran erinnern. Doch dann kam das NetzDG - und mit dem neuen Gesetz ist nun auch Maas' Tweet verschwunden. Warum, blieb zunächst unklar.-Seit dem Jahreswechsel sind Onlinenetzwerke wie Facebook und Twitter verpflichtet, Postings mit "offensichtlich rechtswidrigen Inhalten" binnen 24 Stunden zu löschen. Die AfD instrumentalisierte das Gesetz gegen Hassrede rasch für ihre Zwecke und schwadroniert seither von Zensur, wann immer eine ihrer Beleidigungen nicht im Netz stehen bleiben darf.- Im Falle des Maas-Tweets waren Beobachter jedenfalls schnell mit einer möglichen Deutung der Ereignisse vom Wochenende zur Stelle: "Wurde Maas Opfer seines eigenen Lösch-Gesetzes?", fragte "Bild.de". Maas selbst, so das Portal, habe den Tweet jedenfalls nicht gelöscht. Die - noch online einsehbaren - Antworten auf den alten Maas-Tweet legen folgende Theorie nahe: Von der Aufregung um das Maas'sche Gesetz angestachelt, durchforsteten einzelne Twitter-Nutzer dessen Account nach alten Verfehlungen - und begannen, Maas' Tweet von 2010 zu melden. - So wurde wahrscheinlich Twitter auf den Post aufmerksam. Ob es den Tweet aber wirklich auf Basis des NetzDG löschte, weiß nur Twitter selbst. Von außen einsehbar sind die Löschgründe nicht. - Unabhängig von dem Gesetz bestehen die zuvor gültigen Meldesysteme und -regeln weiter, nach denen Twitter schon immer - wenn auch erratisch und häufig mit schlechten Ergebnissen - gelöscht hat. Der Maas-Tweet könnte von Twitter schlicht auch als Verstoß gegen die Community-Standards gewertet worden sein.-Selbst die Verfasser gelöschter oder gesperrter Inhalte bekommen nur die Information "Gemäß den geltenden Gesetzen und unseren Richtlinien hat Twitter nun diese Inhalte in Deutschland zurückgezogen". Was im jeweiligen Fall den Ausschlag gegeben hat, das NetzDG oder Twitters eigene Richtlinien, geht daraus nicht hervor.- Dass Twitters derzeitiges Vorgehen nicht unbedingt in direktem Zusammenhang mit seinem Gesetz steht, versuchte auch Minister Maas am Montag in der "Bild"-Sendung "Die richtigen Fragen" zu vermitteln. Bei manchen Nutzern ist das offenbar nicht angekommen. Twitter, traditionell schlecht zu erreichen für Rückfragen aus Deutschland, tut nichts dafür, dieses Problem zu beheben."


== Prognose ==
== Prognose ==
1.841

Bearbeitungen