Ersatzfreiheitsstrafe: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe ===
=== Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe ===
Zunehmend wird daher die Forderung erhoben, die EFS insgesamt abzuschaffen (vgl. zuletzt Guthke/Kitlikoglu 2015). Dem wird entgegengehalten, die EFS sei ein "notwendiges Strukturteil einer in der Praxis gut funktionierenden Geldstrafenverhängung - und Vollstreckung". Das gelte insbesondere für ein Land mit einem so hohen Anteil an Geldstrafe (OStA Olaf Boll als Berichterstatter der vom BMJ eingesetzten Kommission zu Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems (Abschlußbericht der Kommission, 2000, 3.1.1). Inzwischen hat jedoch Schweden, das einen ähnlich hohen Geldstrafenanteil an allen Sanktionen aufweist, die EFS ersatzlos abgeschafft. Ebenso Dänemark<ref>Frieder Dünkel: ''Ersatzfreiheitsstrafen und ihre Vermeidung. Aktuelle statistische Entwicklung, gute Praxismodelle und rechtspolitische Überlegungen.'' In: ''Forum Strafvollzug.'' Heft 3, 60. Jg., Mai 2011, S. 144.</ref>
Zunehmend wird daher die Forderung erhoben, die EFS insgesamt abzuschaffen (vgl. zuletzt Guthke/Kitlikoglu 2015). Dem wird entgegengehalten, die EFS sei ein "notwendiges Strukturteil einer in der Praxis gut funktionierenden Geldstrafenverhängung - und Vollstreckung". Das gelte insbesondere für ein Land mit einem so hohen Anteil an Geldstrafe (OStA Olaf Boll als Berichterstatter der vom BMJ eingesetzten Kommission zu Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems (Abschlußbericht der Kommission, 2000, 3.1.1). Inzwischen hat jedoch Schweden, das einen ähnlich hohen Geldstrafenanteil an allen Sanktionen aufweist, die EFS ersatzlos abgeschafft. Ebenso Dänemark<ref>Frieder Dünkel: ''Ersatzfreiheitsstrafen und ihre Vermeidung. Aktuelle statistische Entwicklung, gute Praxismodelle und rechtspolitische Überlegungen.'' In: ''Forum Strafvollzug.'' Heft 3, 60. Jg., Mai 2011, S. 144.</ref>
===Modellprojekt zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe===
2018 fasste Johannes Feest die Problematik der EFS [http://reso-infoportal.de/kurz-und-buendig/1199-kurz-und-buendig-nr-9-03-01-2018-modellprojekt-zur-abschaffung-der-ersatzfreiheitsstrafe kurz und bündig] zusammen und unterbreitete den Vorschlag der Durchführung eines Modellprojekts zu ihrer Abschaffung. Hier sein Text im Wortlauf:
"Die automatische Umwandlung einer uneinbringlichen Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe (§ 43 StGB) ist aus mehreren Gründen problematisch und im Ergebnis abzulehnen.
*Das Ersetzen einer leichteren Sanktion durch eine schwerere ist ungerecht
*In der Praxis trifft die EFS psychisch und sozial schwache Personen
*Die erhebliche Belastung des Strafvollzugs durch die EFS ist kontraproduktiv
*Alle Versuche, die EFS durch „Alternativen“ zurückzudrängen sind gescheitert
*Die Behauptung der Unverzichtbarkeit der EFS ist unhaltbar.
Die EFS hat sich als illegitim, sozial selektiv und kriminalpolitisch schädlich erwiesen. Sie führt dazu, dass zivilrechtliche Wege der Beitreibung nicht hinreichend geprüft werden und dass jährlich eine große Zahl von Haftplätzen (10 Prozent) nur für diesen Zweck vorgehalten werden muss. Andere europäischen Staaten (Dänemark, Frankreich, Schweden) kommen völlig ohne diese ärgerliche Institution aus.
Für ihre Abschaffung finden sich jedoch keine Mehrheiten, wie sich zuletzt im Bundesrat und im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags gezeigt hat. Dies dürfte hauptsächlich an der ungeprüften Behauptung liegen, die EFS sei für die Erhaltung der Geldstrafe unverzichtbar („Rückgrat der Geldstrafe“).
Es empfiehlt sich daher, im Rahmen eines Modellprojektes zu prüfen, ob die befürchteten Folgen der Abschaffung wirklich eintreten würden. Das hat der Strafrechtslehrer und spätere Verfassungsrichter Wilfrid Hassemer schon 1990 angeregt: „Die Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Institut, das nach einem kontrollierten Experiment des Gesetzgebers ruft. Es könnte sich bei einer Aufhebung dieser Strafart herausstellen, dass die Geldstrafenregelung dennoch funktionsfähig bleibt (etwa deshalb, weil die meisten Verurteilten die Geldstrafe nicht aus Furcht vor der Ersatzfreiheitsstrafe, sondern aus anderen Gründen bezahlen“.
Ein solches Experiment könnte darin bestehen, dass die Geltung des § 43 StGB für fünf Jahre ausgesetzt und durch Begleitforschung untersucht wird, welche Folgen dieses Moratorium hat. Empirisch zu klärende Fragen wären insbesondere:
*Wieviele Geldstrafen erweisen sich als „uneinbringlich“?
*Welche Möglichkeiten der Beitreibung sind benutzt worden bevor die Uneinbringlichkeit festgestellt wurde?"


== Weblinks und Literatur ==
== Weblinks und Literatur ==
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*[http://reso-infoportal.de/kurz-und-buendig/1199-kurz-und-buendig-nr-9-03-01-2018-modellprojekt-zur-abschaffung-der-ersatzfreiheitsstrafe Feest, Johannes (2018) Modellprojekt zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstraf, in: Reso-Infoportal]
*[http://reso-infoportal.de/kurz-und-buendig/1199-kurz-und-buendig-nr-9-03-01-2018-modellprojekt-zur-abschaffung-der-ersatzfreiheitsstrafe Feest, Johannes (2018) Modellprojekt zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstraf, in: Reso-Infoportal]
* [http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,557648,00.html Geld oder Knast] von Guido Kleinhubbert, Spiegel-Online, 07.06.2008]
* [http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,557648,00.html Geld oder Knast] von Guido Kleinhubbert, Spiegel-Online, 07.06.2008]
* Guthke, Kai & Lefter Kitlikoglu (2015) Die Ersatzfreiheitsstrafe muss weg! In: FREISPRUCH Nr. 6 (Februar 2015).
* Guthke, Kai & Lefter Kitlikoglu (2015) Die Ersatzfreiheitsstrafe muss weg! In: FREISPRUCH Nr. 6 (Februar 2015)."


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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