Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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#Zunächst ist in Angriff zu nehmen, was schon lange diskutiert, aber bislang liegen gelassen wurde. Dazu hat Arthur Kreuzer (2017) in seinem in der ZEIT veröffentlichten Aufruf unter dem Titel "Reformiert endlich das Strafrecht" alles Nötige gesagt - und alles, was er da fordert, ist überfällig: erstens die Reform der Tötungsdelikte, wo zumindest das verfassungswidrig zwingende Lebenslang zu lockern wäre, zweitens die Entkriminalisierung von Massenbagatelldelikten, inbesondere die Herabstufung des Schwarzfahrens zur Ordnungswidrigkeit; damit im Zusammenhang steht drittens die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen nach dem Vorbild von Dänemark, Frankreich und Schweden - zumindest wäre in einem ersten Schritt Modellprojekt, wie es jüngst von Johannes Feest wieder vorgeschlagen wurde, durchzuführen. Viertens sind kleinste Verbesserungen im Drogenrecht dringend notwendig - wie die Legalisierung des drug checking, damit Konsumenten wissen, was sie konsumieren, aber auch der Aufbau und die Ausweitung von Substitutions- und/oder Erhaltungsprogrammen innerhalb und außerhalb der Haft. - Doch all das genügt natürlich nicht, auch wenn man hinzunimmt, was Kreuzer begleitend fordert, wie die Einsetzung einer Expertenkommission zur Überarbeitung des Strafrechts, die Wiederbelebung des sog. Periodischen Sicherheitsberichts und die Einführung von Landes-Opfer- und Landes-Pflege-Beauftragten mit Zeugnisverweigerungsrecht.
#Zunächst ist in Angriff zu nehmen, was schon lange diskutiert, aber bislang liegen gelassen wurde. Dazu hat Arthur Kreuzer (2017) in seinem in der ZEIT veröffentlichten Aufruf unter dem Titel "Reformiert endlich das Strafrecht" alles Nötige gesagt - und alles, was er da fordert, ist überfällig: erstens die Reform der Tötungsdelikte, wo zumindest das verfassungswidrig zwingende Lebenslang zu lockern wäre, zweitens die Entkriminalisierung von Massenbagatelldelikten, inbesondere die Herabstufung des Schwarzfahrens zur Ordnungswidrigkeit; damit im Zusammenhang steht drittens die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen nach dem Vorbild von Dänemark, Frankreich und Schweden - zumindest wäre in einem ersten Schritt Modellprojekt, wie es jüngst von Johannes Feest wieder vorgeschlagen wurde, durchzuführen. Viertens sind kleinste Verbesserungen im Drogenrecht dringend notwendig - wie die Legalisierung des drug checking, damit Konsumenten wissen, was sie konsumieren, aber auch der Aufbau und die Ausweitung von Substitutions- und/oder Erhaltungsprogrammen innerhalb und außerhalb der Haft. - Doch all das genügt natürlich nicht, auch wenn man hinzunimmt, was Kreuzer begleitend fordert, wie die Einsetzung einer Expertenkommission zur Überarbeitung des Strafrechts, die Wiederbelebung des sog. Periodischen Sicherheitsberichts und die Einführung von Landes-Opfer- und Landes-Pflege-Beauftragten mit Zeugnisverweigerungsrecht.
#Sodann sind die jüngeren legislativen Verstöße gegen das Ultima-Ratio-Prinzip, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Bestimmtheitsgebot schleunigst rückgängig zu machen. Auch dazu hat sich Arthur Kreuzer (2017) geäußert.
#Sodann sind die jüngeren legislativen Verstöße gegen das Ultima-Ratio-Prinzip, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Bestimmtheitsgebot schleunigst rückgängig zu machen. Auch dazu hat sich Arthur Kreuzer (2017) geäußert. Wo das Vereins- und Gewerberecht besser geeignet sind als das Strafrecht, hat das Strafrecht zurückzutreten. Deswegen ist nicht nur die seit 2015 bestehende Strafbarkeit der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" zurückzunehmen und die Selbstbestimmung am Lebensende erneut zum Thema zu machen (man glaubte doch die Zeiten moralisierenden Strafrechts überwunden! Unerträglich ist zudem die Unbestimmtheit der Regelung: eventuell macht sich ja schon strafbar, wer in Palliativstationen oder Hospizen einen Sterberaum und Sterbebegleitung jemandem zusagt, der sich in einer unerträglichen Krankheitssituation bewusst etwa für das Sterbefasten entscheidet. Sterbebegleiter sehen sich dem Dilemma ausgesetzt: zwischen einer Strafbarkeit wegen Suizidbeihilfe und unterlassener Hilfeleistung. Das politische Ziel, die Palliativmedizin zu stärken, wird in sein Gegenteil verkehrt: In Palliativ- und Hospizarbeit Tätige werden verunsichert. Denunziationen enttäuschter Angehöriger von Verstorbenen sind absehbar, ebenso peinliche und erniedrigende polizeiliche Ermittlungen in den sensiblen intimsten Bereichen des Lebens und Sterbens. Dabei ist vorauszusehen, dass wegen zu erwartender Nachweisprobleme solche Verfahren später eingestellt werden." - Wo Fachverbände die geeigneten und erforderlichen Mittel haben, um gegen Eigendoping vorzugehen, da braucht es auch die seit 2015 existierende Strafbarkeit des Eigendopings von Wettbewerbssportlern nicht. - Schließlich ist es rechtsstaatlich geboten, die künstliche Konstruktion von Tatgeschehen zurückzunehmen, wie sie mit dem Tatbestand der seit 2015 kriminalisierten "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" erfolgte. Statt der Kriminalisierung des Versuchs der Vorbereitung zur Vorbereitung einer (vorgeblich) staatsgefährdenden Handlung hätte man es bei einem polizeilichen Ausreiseverbot belassen können. Strafverfolgung und Freiheitsentzug ohne Straftat - das passt nicht in einen demokratischen Rechtsstaat.


==Weblinks und Literatur==
==Weblinks und Literatur==
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