Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Entkriminalisierungen können bislang Verbotenes legalisieren (z.B. Erlaubnis zu Herstellung und Verkauf von Alkohol nach Ende der Prohibition in den USA 1933) oder aber ein weiterhin bestehendes Verbot nicht-strafrechtlich sanktionieren (z.B. Umwandlung der strafbaren Straßenverkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten durch das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz vom 24.5.1968).
Entkriminalisierungen können bislang Verbotenes legalisieren (z.B. Erlaubnis zu Herstellung und Verkauf von Alkohol nach Ende der Prohibition in den USA 1933) oder aber ein weiterhin bestehendes Verbot nicht-strafrechtlich sanktionieren (z.B. Umwandlung der strafbaren Straßenverkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten durch das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz vom 24.5.1968).


Im ersteren Fall wird auch von "ersatzloser", "reiner" oder "wirklicher" und im letzteren auch von "transformierender" Entkriminalisierung gesprochen (Kohl & Scheerer 1989). Wolfgang Naucke (1984) sieht in der transformierenden Entkriminalisierung eine bloß "scheinbare", weil die Repression lediglich umorganisiert wird. Christian Schäfer (2006) spricht von scheinbarer Entkriminalisierung wiederum in solchen Fällen, in denen wegen der Überkompliziertheit entkriminalisierender Bestimmungen im Sexualstrafrecht keine Veränderungen in der Realität zu beobachten waren.  
Im ersteren Fall wird auch von "ersatzloser", "reiner" oder "wirklicher" und im letzteren auch von "transformierender" Entkriminalisierung gesprochen (Kohl & Scheerer 1989).
 
Wolfgang Naucke (1984) sieht in der transformierenden Entkriminalisierung eine bloß "scheinbare", weil die Repression lediglich umorganisiert wird. „Das Mittel der Unterdrückung wird umetikettiert“ (Naucke 1984: 169). Beispiele für scheinbare Entkriminalisierung sind der Ersatz der Kriminalstrafe durch Maßregeln der Besserung und Sicherung, durch Unterbringung oder durch Bußen nach dem Ordnungswidrigkeitsrecht. Diese Kategorie von Entkriminalisierung „zieht die staatliche Strafe ab, wohl wissend, daß damit die Abweichung bleibt, und gibt die Lösung des Problems an die Gesellschaft zurück“ (Naucke 1984: 169). Das
Christian Schäfer (2006) spricht von scheinbarer Entkriminalisierung wiederum in solchen Fällen, in denen wegen der Überkompliziertheit entkriminalisierender Bestimmungen im Sexualstrafrecht keine Veränderungen in der Realität zu beobachten waren.  


== Bestimmungsgründe ==
== Bestimmungsgründe ==
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Naucke differenziert zwischen deklatorischer, scheinbarer und wirklicher Entkriminalisierung. Die deklaratorische oder "reine" Entkriminalisierung (für die es laut Naucke heute keine aktuellen Beispiele mehr gibt) besteht aus dem ersatz- und bedingungslosen „Streichen von Verbrechen und Strafe ohne Widerstand von Interessenten am Strafschutz, ohne Zuhilfenahme anderer Abweichungsetikettierungen und anderer Zwangsformen“ (Naucke 1984: 156).
Naucke differenziert zwischen deklatorischer, scheinbarer und wirklicher Entkriminalisierung. Die deklaratorische oder "reine" Entkriminalisierung (für die es laut Naucke heute keine aktuellen Beispiele mehr gibt) besteht aus dem ersatz- und bedingungslosen „Streichen von Verbrechen und Strafe ohne Widerstand von Interessenten am Strafschutz, ohne Zuhilfenahme anderer Abweichungsetikettierungen und anderer Zwangsformen“ (Naucke 1984: 156).
   
   
Bei einer „scheinbaren“ Entkriminalisierung entfällt zwar die Strafe im „technischen Sinn“, d. h. es wird auf die Hauptstrafen, die Freiheits- und Geldstrafe, sowie auf die Nebenstrafen, z. B. ein Fahrverbot, verzichtet, aber die Strafe wird in eine andere Sanktionsform überführt, da das entkriminalisierte Verhalten nach wie vor als abweichend oder sanktionswürdig eingestuft wird: „Das Mittel der Unterdrückung wird umetikettiert“ (Naucke 1984: 169). Beispiele für „scheinbare“ Entkriminalisierung sind der Ersatz der Kriminalstrafe durch Maßregeln der Besserung und Sicherung, durch Unterbringung oder durch Bußen nach dem Ordnungswidrigkeitsrecht. Diese Kategorie von Entkriminalisierung „zieht die staatliche Strafe ab, wohl wissend, daß damit die Abweichung bleibt, und gibt die Lösung des Problems an die Gesellschaft zurück“ (Naucke 1984: 169).
Bei einer „scheinbaren“ Entkriminalisierung entfällt zwar die Strafe im „technischen Sinn“, d. h. es wird auf die Hauptstrafen, die Freiheits- und Geldstrafe, sowie auf die Nebenstrafen, z. B. ein Fahrverbot, verzichtet, aber die Strafe wird in eine andere Sanktionsform überführt, da das entkriminalisierte Verhalten nach wie vor als abweichend oder sanktionswürdig eingestuft wird:


===Sebastian Scheerer===
===Sebastian Scheerer===
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