Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Denkbar ist allerdings auch ein Bestimmungsgrund für Entkriminalisierung, der die Legitimität des Strafrechts selbst bestreitet - im Sinne etwa des Radbruch'schen "unendlichen Ziels" jeder Kriminalpolitik, nicht ein besseres Strafrecht zu erfinden, sondern etwas Besseres als das Strafrecht (Typ D).
Denkbar ist allerdings auch ein Bestimmungsgrund für Entkriminalisierung, der die Legitimität des Strafrechts selbst bestreitet - im Sinne etwa des Radbruch'schen "unendlichen Ziels" jeder Kriminalpolitik, nicht ein besseres Strafrecht zu erfinden, sondern etwas Besseres als das Strafrecht (Typ D).


== Geschichte ==
== Geschichte (Deutschland)==
Frühe 1920er Jahre: Ersetzung kurzer Freiheitsstrafen durch Geldstrafen (sog. Geldstrafengesetze von 1921-1924), Heraufsetzung der Strafmündigkeit von 12 auf 14 (JGG von 1923), Verbot der Verfolgung geringfügiger Übertretungen, sofern nicht von öffentlichem Interesse (Emminger-Verordnung 1924).
*Geldstrafengesetze von 1921-1924: Ersetzung kurzer Freiheitsstrafen
 
*Jugendgerichtsgesetz von 1923: Strafmündigkeitsgrenze wird von 12 auf 14 Jahre angehoben
Herabstufung der Übertretungen aus dem Strafgesetzbuch und Schaffung des Ordnungswidrigkeitenrechts 1974.
*Emminger-Verordnung von 1924: Verbot der Verfolgung geringfügiger Übertretungen, sofern nicht von öffentlichem Interesse
 
*Kontrollratsgesetz Nr. 11 (Aufhebung einzelner Bestimmungen des deutschen Strafrechts) vom 30. Januar 1946: Aufhebung spezifisch nationalsozialistischer Strafgesetze wie z.B. §§ 2, 2b, 134b, 226b RStGB
Reform des Sexualstrafrechts/Moralstrafrechts. Beschränkung des Strafrechts auf Rechtsgüterschutz. Folgende Tatbestände wurden eingeschränkt oder gestrichen: (§172 a.F.) Ehebruch, (§175b a.F.) Unzucht zwischen Männern, (§175b a.F.) Widernatürliche Unzucht, (§180 a.F.) Kuppelei, dazu Prostitutions-Paragrafen §§180a I, 181a II.
*Abschaffung der Übertretungen (1975): Herabstufung zu Ordnungswidrigkeiten, teils aber auch Aufwertung zu Vergehen (Kritik: Baumann JZ 72, 2ff., Dencker JZ 73, 144 ff.).
*Streichung oder Einschränkung der §§ 172 a.F.(Ehebruch), 175b a.F. (Unzucht zwischen Männern), 175b a.F. (Widernatürliche Unzucht), 180 a.F. (Kuppelei), 180a I, 181a II (Prostitution)


Die Diskussion zur Entkriminalisierung ist in Deutschland keineswegs abgeschlossen. 1989 wurde z. B. im Auftrag der Bundesfraktion „Die Grünen“ von Beate Kohl und Sebastian Scheerer ein Konzept zur transformierenden Entkriminalisierung der gewaltlosen Eigentums- und Vermögensdelikte entwickelt.
Die Diskussion zur Entkriminalisierung ist in Deutschland keineswegs abgeschlossen. 1989 wurde z. B. im Auftrag der Bundesfraktion „Die Grünen“ von Beate Kohl und Sebastian Scheerer ein Konzept zur transformierenden Entkriminalisierung der gewaltlosen Eigentums- und Vermögensdelikte entwickelt.
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Man denke an die - weltweit in unterschiedlichem Maße erfolgreichen - Bestrebungen zur Entkriminalisierung der Homosexualität, der Abtreibung, des Suizidversuchs, der Sterbehilfe, des Verkehrs mit und des Konsums von Cannabis und anderen Drogen, aber auch des Schwarzfahrens oder anderer gewaltloser Eigentums- und Vermögensdelikte. Eine restlose Abschaffung aller Straftatbestände gehört zum Programm des Abolitionismus in seiner kriminalpolitisch radikalen Variante (penal abolitionism).
Man denke an die - weltweit in unterschiedlichem Maße erfolgreichen - Bestrebungen zur Entkriminalisierung der Homosexualität, der Abtreibung, des Suizidversuchs, der Sterbehilfe, des Verkehrs mit und des Konsums von Cannabis und anderen Drogen, aber auch des Schwarzfahrens oder anderer gewaltloser Eigentums- und Vermögensdelikte. Eine restlose Abschaffung aller Straftatbestände gehört zum Programm des Abolitionismus in seiner kriminalpolitisch radikalen Variante (penal abolitionism).


Entkriminalisierung bedeutet nicht unbedingt auch die Legalisierung des fraglichen Verhaltens. Wenn aus Verkehrsstraftaten Ordnungswidrigkeiten werden, ist das Verhalten entkriminalisiert, aber nicht legalisiert. Es wird lediglich vom Straf-Unrecht zum Verwaltungs-Unrecht und verliert seinen stigmatisierenden, den Akteur tendenziell entehrenden Charakter.  
Entkriminalisierung bedeutet nicht unbedingt auch die Legalisierung des fraglichen Verhaltens. Wenn aus Verkehrsstraftaten Ordnungswidrigkeiten werden, ist das Verhalten entkriminalisiert, aber nicht legalisiert. Es wird lediglich vom Straf-Unrecht zum Verwaltungs-Unrecht und verliert seinen stigmatisierenden, den Akteur tendenziell entehrenden Charakter.


==Kriterien==
==Kriterien==
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