Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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#Wandel der Einschätzung strafrechtlicher Effizienz im Vergleich zu nicht-strafrechtlichen Regelungsformen (Typ C).
#Wandel der Einschätzung strafrechtlicher Effizienz im Vergleich zu nicht-strafrechtlichen Regelungsformen (Typ C).


Zu Entkriminalisierungen kann es kommen, wenn sich die Einschätzung einer Verhaltensweise ändert, wenn sich die Einschätzung der staatlichen Regelungskompetenz ändert und wenn sich die Einschätzung der Zweckmäßigkeit strafrechtlicher Kontrollversuche im Vergleich zu anderen Kontrollformen ändert (Council of Europe 1980: . die Kriminalisierung als zu teuer, ineffektiv, ineffizient, kontraproduktiv oder überhaupt illegitim erscheint. Denn Strafrecht muss nicht nur funktionieren - es muss in erster Linie legitim sein. Zuverlässige Evaluationen über das Funktionieren von Strafrecht sind allerdings kaum zu haben. So erfolgen Kriminalisierungen und Entkriminalisierungen oft "im Blindflug" und auf die mangelnde Strafwürdigkeit auf Mit der Strafbarkeit entfällt das spezifisch sozialethische Unwerturteil über Tat und Täter, man kann auch sagen: die das Kriminalrecht kennzeichnende Ächtung, nicht aber auf jeden Fall auch das Verbotensein der Handlung. obrigkeitliche und sozialräumliche Ächtung. Stigmatisierung Die Forderung nach Entkriminalisierung drückt ein Bestreben nach Reduktion des Strafrechts aus - ein Bestreben, das auf unterschiedlichen Motiven beruhen kann: die beiden wichtigsten sind wohl der Wunsch nach Entstigmatisierung der Betroffenen (gesellschaftliche Anerkennung) und die Effizienzsteigerung der Kontrolle des fraglichen Verhaltens (Rationalisierung des Staatshandelns). Gelegentlich kommen beide Motive zusammen wie etwas bei der Überführung zahlreicher Verkehrsstraftatbestände in das Ordnungswidrigkeitenrecht: man wollte kein "Volk von Vorbestraften", man wollte aber auch zweckmäßiger und effizienter mit solchen Verstößen umgehen können.
Denkbar ist allerdings auch ein Bestimmungsgrund für Entkriminalisierung, der die Legitimität des Strafrechts selbst bestreitet - im Sinne etwa des Radbruch'schen "unendlichen Ziels" jeder Kriminalpolitik, nicht ein besseres Strafrecht zu erfinden, sondern etwas Besseres als das Strafrecht (Typ D).
 
Der Wunsch nach einer Reduktion des Strafrechts kann prinzipiell und in letzter Instanz abolitionistisch sein: man will fortschreiten in Richtung auf eine Gesellschaft mit immer weniger staatlicher Repression, überflüssiger Herrschaft und letztlich zu der von Friedrich Nietzsche angedeuteten Situation einer Gesellschaft, die sich ihrer selbst so sicher ist, dass sie darauf verzichten kann, überhaupt zu strafen. Was Gustav Radbruch in der Weimarer Zeit postulierte: das unendliche Ziel der Strafrechtsreform sei nicht ein besseres Strafrecht, sondern etwas Besseres als das Strafrecht, klang ähnlich, war aber im Kontext betrachtet (es ging um die Ersetzung der Strafe durch die Maßregel) nicht so radikal wie das, an was Nietzsche wohl gedacht haben dürfte.


== Geschichte ==
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