Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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In Forderungen nach Entkriminalisierung spiegeln sich soziale Konflikte und culture wars, Prozesse des Wertwandels und unterschiedliche Auffassungen über Rolle und Grenzen der Tätigkeit des Staates. Für diejenigen, die sich für die Entkriminalisierung sog. opferloser Delikte einsetzen, geht es auch um Symbolpolitik bzw. status politics (Joseph R. Gusfield), d.h. um ihre kollektive gesellschaftliche Anerkennung.
In Forderungen nach Entkriminalisierung spiegeln sich soziale Konflikte und culture wars, Prozesse des Wertwandels und unterschiedliche Auffassungen über Rolle und Grenzen der Tätigkeit des Staates. Für diejenigen, die sich für die Entkriminalisierung sog. opferloser Delikte einsetzen, geht es auch um Symbolpolitik bzw. status politics (Joseph R. Gusfield), d.h. um ihre kollektive gesellschaftliche Anerkennung.


Die Forderung nach Entkriminalisierung drückt das Bestreben nach Reduktion des Strafrechts aus. Dieses Bestreben beruht auf der Erkenntnis des Doppelcharakters des Strafrechts. Einerseits ist da das normative Ideal des Schutzes, andererseits aber auch die Realität der absichtlichen Zufügung eines empfindlichen Übels. Das Ideal lautet: Strafgesetze schützen Rechtsgüter und damit Menschen. Ob und wenn ja inwieweit sie das tun, ist empirisch schwer zu ergründen. Empirisch leichter zu fassen wäre die Realität der gewollten negativen Folgen des Strafrechts in Form von Eingriffen in Leben, Freiheit, Bürgerrechte, Eigentum und Vermögen.
Die Forderung nach Entkriminalisierung drückt das Bestreben nach Reduktion des Strafrechts aus. Dieses Bestreben beruht auf der Annahme, dass Eingriffe in die Freiheit der Individuen nicht grenzenlos zulässig sind, sondern nur dann Legitimität beanspruchen können, wenn sie zum Schutz von Rechtsgütern geeignet und erforderlich sind. Darin, dass jede Strafe, die nicht aus unausweichlicher Notwendigkeit folgt, tyrannisch sei, stimmten nicht nur die großen Aufklärer des 18. Jahrhunderts wie Montesquieu, Voltaire und Beccaria überein. Dass der Einsatz des Strafrechts nur als ultima ratio zulässig ist, gehört auch zum Basiswissen Jura.  der Existenz überflüssiger HerrschaftErkenntnis des Doppelcharakters des Strafrechts. Einerseits ist da das normative Ideal des Schutzes, andererseits aber auch die Realität der absichtlichen Zufügung eines empfindlichen Übels. Das Ideal lautet: Strafgesetze schützen Rechtsgüter und damit Menschen. Ob und wenn ja inwieweit sie das tun, ist empirisch schwer zu ergründen. Empirisch leichter zu fassen wäre die Realität der gewollten negativen Folgen des Strafrechts in Form von Eingriffen in Leben, Freiheit, Bürgerrechte, Eigentum und Vermögen.


Man denke an die - weltweit in unterschiedlichem Maße erfolgreichen - Bestrebungen zur Entkriminalisierung der Homosexualität, der Abtreibung, des Suizidversuchs, der Sterbehilfe, des Verkehrs mit und des Konsums von Cannabis und anderen Drogen, aber auch des Schwarzfahrens oder anderer gewaltloser Eigentums- und Vermögensdelikte. Eine restlose Abschaffung aller Straftatbestände gehört zum Programm des Abolitionismus in seiner kriminalpolitisch radikalen Variante (penal abolitionism).
Man denke an die - weltweit in unterschiedlichem Maße erfolgreichen - Bestrebungen zur Entkriminalisierung der Homosexualität, der Abtreibung, des Suizidversuchs, der Sterbehilfe, des Verkehrs mit und des Konsums von Cannabis und anderen Drogen, aber auch des Schwarzfahrens oder anderer gewaltloser Eigentums- und Vermögensdelikte. Eine restlose Abschaffung aller Straftatbestände gehört zum Programm des Abolitionismus in seiner kriminalpolitisch radikalen Variante (penal abolitionism).
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