Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

21 Bytes hinzugefügt ,  14:50, 18. Jul. 2012
Zeile 111: Zeile 111:
Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
* [[Risikogesellschaft]]
* [[Risikogesellschaft]]
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immerfort modernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]] herangezogen.<ref>Beck,Ulrich: ''Risk Society: towards a new modernity'', 1992, Sage, London</ref> <ref>Zur aktuellen Weiterentwicklung der Theorie über die Risikogesellschaft von Ulrich Beck siehe auch Beck, Ulrich: ''Risikogesellschaft: auf dem Weg in eine andere Moderne'', 2010, Suhrkamp, Frankfurt am Main</ref>
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immerfort modernisierenden Gesellschaft. In diesem Kontext wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]] herangezogen.<ref>Beck,Ulrich: ''Risk Society: towards a new modernity'', 1992, Sage, London</ref> <ref>Zur aktuellen Weiterentwicklung der Theorie über die Risikogesellschaft von Ulrich Beck siehe auch Beck, Ulrich: ''Risikogesellschaft: auf dem Weg in eine andere Moderne'', 2010, Suhrkamp, Frankfurt am Main</ref>


Darin wird davon ausgegangen, dass in der gegenwärtigen, modernen Gesellschaft ein hohes Maß an Risiko, in Form technisch-ökologischer Konsequenzen durch eine zu starke Umweltbelastung, oder in Form sozialer Risiken, wie Arbeitslosigkeit, produziert wird. Durch die erhöhte Produktion von Risiko steigt auch das Bewusstsein über mögliche Risiken an. Dies hat letztendlich eine veränderte soziale und politische Dynamik zur Folge. <ref>Thompson,Kenneth:''Risk Society'' In: Moral Panics, 1998, Routledge, London S.22 </ref> Diese Dynamik drückt sich laut Stanley Cohen darin aus, dass eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der [[Kriminalitätsbekämpfung]] zum Ausdruck kommt. <ref name="Einleitung"/> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt überdies eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref name="Einleitung"/> Ein Zusammendenken von Risikogesellschaft und moralischer Panik befürwortet [[David Garland]] in einem Artikel: ''"On the concept of moral Panic"'' aus dem Jahr 2008.<ref name="Garland">Garland, David: ''On the concept of moral panic'', 2008, SAGE, London, S.27, http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.abstract, aufgerufen am 16.07.12 </ref> Er sieht in der Beziehung von [[objektiven Risiken]] (z.B. Naturkatastrophen, Epidemien, technologische Katastrophen) und [[subjektiven Risiken]] (z.B.kriminelles Verhalten, Kindesmissbrauch, schulische Gewalt) eine Verbindungen. Ihm zufolge endet eine auf objektive Risiken zurückzuführende Panik oft in der Frage nach moralischen Werte und deren Ausdrucksweise in der Lebensführung.<ref name="Garland"/>
In der Theorie wird davon ausgegangen, dass in der gegenwärtigen, modernen Gesellschaft ein hohes Maß an Risiko, in Form technisch-ökologischer Konsequenzen durch eine zu starke Umweltbelastung, oder in Form sozialer Risiken, wie Arbeitslosigkeit, produziert wird. Durch die erhöhte Produktion von Risiko steigt auch das gesellschaftliche Bewusstsein über mögliche Risiken an. Dies hat letztendlich eine veränderte soziale und politische Dynamik zur Folge. <ref>Thompson,Kenneth:''Risk Society'' In: Moral Panics, 1998, Routledge, London S.22 </ref> Diese Dynamik drückt sich laut Stanley Cohen darin aus, dass eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche in Strategien der [[Kriminalitätsbekämpfung]] zum Ausdruck kommt. <ref name="Einleitung"/> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt überdies eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref name="Einleitung"/> Ein Zusammendenken von Risikogesellschaft und moralischer Panik befürwortet [[David Garland]] in dem Artikel: ''"On the concept of moral Panic"'' aus dem Jahr 2008.<ref name="Garland">Garland, David: ''On the concept of moral panic'', 2008, SAGE, London, S.27, http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.abstract, aufgerufen am 16.07.12 </ref> Er sieht in der Beziehung von [[objektiven Risiken]] (z.B. Naturkatastrophen, Epidemien, technologische Katastrophen) und [[subjektiven Risiken]] (z.B.kriminelles Verhalten, Kindesmissbrauch, schulische Gewalt) eine Verbindung. Ihm zufolge endet eine, auf objektive Risiken zurückzuführende Panik, oft in der Frage nach moralischen Werte und deren Ausdrucksweise in der Lebensführung.<ref name="Garland"/>


*[[Sozialkonstruktivismus]]
*[[Sozialkonstruktivismus]]
Wissenschaftliche Forschungen aus dem Bereich des Sozialkonstruktivismus stellen brauchbare Modelle zur Untersuchung unterschiedlicher Forderungen einzelner Parteien (Interessengruppen, soziale Gruppen etc.) ,vor dem Hintergrund der Konstruktion neuer Problemkategorien zur Verfügung.<ref name="Einleitung"/> Dabei können die Forderungen der Antragssteller und die sozialen Problematiken im Kontext der Herstellung von sozialen Konstruktionen betrachtet werden. Moralische Panik wird in diesem Zusammenhang als Teil eines Gesamtprozesses sozialer Konstruktion verstanden.<ref name="Einleitung"/>  
Wissenschaftliche Forschungen aus dem Bereich des Sozialkonstruktivismus stellen brauchbare Modelle zur Untersuchung unterschiedlicher Forderungen einzelner Parteien (Interessengruppen, soziale Gruppen etc.) ,vor dem Hintergrund der Konstruktion neuer Problemkategorien, zur Verfügung.<ref name="Einleitung"/> Dabei können die Forderungen der Öffentlichkeit und die sozialen Problematiken im Kontext der Herstellung von sozialen Konstruktionen betrachtet werden. Moralische Panik wird in diesem Zusammenhang als Teil eines Gesamtprozesses sozialer Konstruktion verstanden.<ref name="Einleitung"/>  


* [[Diskursanalyse]]
* [[Diskursanalyse]]
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von [[Michel Focault]] wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse über Sexualität oder Drogenmissbrauch als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Dynamisierungsprozess einer moralischen Panik eingeführt werden.<ref>Thompson, Kenneth: ''Discourses and Discursive Practices''In: Moral Panics, 1998, Routledge, London, S.24-26 </ref>
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von [[Michel Focault]] wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse über Sexualität oder Drogenmissbrauch als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl, der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Dynamisierungsprozess einer moralischen Panik eingeführt werden.<ref>Thompson, Kenneth: ''Discourses and Discursive Practices''In: Moral Panics, 1998, Routledge, London, S.24-26 </ref>


*[[Psychoanalyse]]  
*[[Psychoanalyse]]  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik. Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von indiviudellen Problematiken oder Konflikten in das Unterbewusstsein. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt in diesem Kontext ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik. Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von indiviudellen Problematiken oder Konflikten in das Unterbewusstsein. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt in diesem Kontext ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Daraus ergibt sich eine Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen. Diese bedeuten komplexe Entitäten, welche die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren. <ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear'' In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23-25 </ref>
Daraus ergibt sich eine Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen. Diese stellen komplexe Entitäten dar, welche die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren. <ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear'' In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23-25 </ref>


==Kritik==
==Kritik==
51

Bearbeitungen