Staatsverstärkte Kriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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Der durch Präventionstheorien geprägte Hintergrund der Einzelfallentscheidungen zur staatsverstärkten Kriminalität schien ein Grund für den Vorsprung des Unrechtstaats DDR im Strafprozess zu sein. Zu den Präventionstheorien kommt eine Staatstheorie, in der der Staat ein Instrument zur Erreichung historisch wechselnder politischer Ziele ist, in erster Linie im nationalen Rahmen. Bei der Zielerreichung ist das Strafrecht unerläßlich. Diese Theorie - das Denken in empirischen Interessen und realistischen Interessenausgleichen durch positives Strafrecht ist die größte Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität. Mit “Gesetzen” oder “Recht” werden die Mittel zur Staatszweckerreichung überhöht.
Der durch Präventionstheorien geprägte Hintergrund der Einzelfallentscheidungen zur staatsverstärkten Kriminalität schien ein Grund für den Vorsprung des Unrechtstaats DDR im Strafprozess zu sein. Zu den Präventionstheorien kommt eine Staatstheorie, in der der Staat ein Instrument zur Erreichung historisch wechselnder politischer Ziele ist, in erster Linie im nationalen Rahmen. Bei der Zielerreichung ist das Strafrecht unerläßlich. Diese Theorie - das Denken in empirischen Interessen und realistischen Interessenausgleichen durch positives Strafrecht ist die größte Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität. Mit “Gesetzen” oder “Recht” werden die Mittel zur Staatszweckerreichung überhöht.


==Beispiel für staatsverstärkte Kriminalität und ihre Problematik==
==Beispiel für staatsverstärkte Kriminalität==


Ein Beispiel für die Problematik der stvK in unserer jüngsten Vergangenheit stellen die Verfahren gegen die [[Mauerschützen]] dar:
Ein Beispiel für die Problematik der stvK in unserer jüngsten Vergangenheit stellen die Verfahren gegen die [[Mauerschützen]] dar:
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==Die Bestrafung der staatsverstärkten Kriminalität==
==Die Bestrafung der staatsverstärkten Kriminalität==


===Entwicklung strafrechtlicher Spuren===
===bisherige strafrechtliche Spuren===


* ''erste Spur'' : einheitliches, reines, rechtsstaatliches Strafrecht, dem Rückwirkungs- und Analogieverbot verpflichtet,  
* ''erste Spur'' : einheitliches, reines, rechtsstaatliches Strafrecht, dem Rückwirkungs- und Analogieverbot verpflichtet,  
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Die Mauerschützenentscheidung des BGH 1992/93 wurde noch als Teil der ersten Spur formuliert und zeigt die juristische Bevorteilung staatsverstärkter Kriminalität.
Die Mauerschützenentscheidung des BGH 1992/93 wurde noch als Teil der ersten Spur formuliert und zeigt die juristische Bevorteilung staatsverstärkter Kriminalität.
===''vierte strafrechtliche Spur''


Naucke sieht im heutigen strafrechtlichen Positivismus eine Methode zur Erzielung weit auseinander liegender Möglichkeiten. Die Anwendung einer erneuerten Radbruch-Formel, in der das positive Strafrecht der DDR um das gesetzliche Unrecht verringert wird, könnte einen Weg aus dem Dilemma darstellen.  
Naucke sieht im heutigen strafrechtlichen Positivismus eine Methode zur Erzielung weit auseinander liegender Möglichkeiten. Die Anwendung einer erneuerten Radbruch-Formel, in der das positive Strafrecht der DDR um das gesetzliche Unrecht verringert wird, könnte einen Weg aus dem Dilemma darstellen.  
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==Kritik==
==Kritik==


Den Einwand mangelnder Rechtsstaatlichkeit bei der vierten Strafrechtsspur (Arnold, J.1994) nennt Naucke eine künstliche Berufung auf den Rechtsstaat und begegnet ihm mit dem Argument der kriminalpolitischen Realität, in der das Spur-Denken sowohl im Strafrecht als modern und elegant gilt, um den rechtsstaatlichen Beengungen zu entkommen, als auch international akzeptiert ist. Die
Herbert Jäger (2006) zieht gegenüber der staatsverstärkten Kriminalität im Rahmen eines Völkerstrafrechts den Begriff [[Makrokriminalität]] vor, da bei ersterer der Staat eher in einer Unterstützerrolle und nur als Hintergrund eines im übrigen individuellen Geschehens gesehen wird. Für die im Völkerrecht geschaffenen Tatbestände
Jörg Arnold beklagt mangelnde Rechtsstaatlichkeit bei der vierten Strafrechtsspur. Naucke nennt dies eine künstliche Berufung auf den Rechtsstaat und begegnet dem Einwand mit dem Argument der kriminalpolitischen Realität, in der das Spur-Denken sowohl im Strafrecht als modern und elegant gilt, um den rechtsstaatlichen Beengungen zu entkommen, als auch international akzeptiert ist.
 
Der Einwand stellt eine Chance dar, mit Behebung der in allen Spuren vorhandenen Mängel, diese Spuren wieder in das allgemeine Strafrecht zurückzuführen und die ''Neukonstruktion eines einheitlichen streng rechtsstaatlichen Strafrechts'' zu beginnen.
 
 
 






Naucke sieht in dem Einwand eine Chance, mit Behebung der in allen Spuren vorhandenen Mängel, diese Spuren wieder in das allgemeine Strafrecht zurückzuführen und die ''Neukonstruktion eines einheitlichen streng rechtsstaatlichen Strafrechts'' zu beginnen.


Für W. Naucke waren die staatlich angeordneten Todesschüsse auf fliehende, unbewaffnete Menschen und die folgenden Gerichtsentscheidungen Ausgangspunkt, der Frage nachzugehen, ob es im deutschen Strafrecht eine Neigung gibt, Politik, die sich hat durchsetzen können, dem Strafrecht nicht zu unterstellen.
Für W. Naucke waren die staatlich angeordneten Todesschüsse auf fliehende, unbewaffnete Menschen und die folgenden Gerichtsentscheidungen Ausgangspunkt, der Frage nachzugehen, ob es im deutschen Strafrecht eine Neigung gibt, Politik, die sich hat durchsetzen können, dem Strafrecht nicht zu unterstellen.
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