Staatsverstärkte Kriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 3: Zeile 3:
==Kriminalpolitischer Kontext==
==Kriminalpolitischer Kontext==
Gibt es die strukturelle Bevorzugung politischer Machtausübung durch das Strafrecht? Unsere Strafgesetzbücher sind auf bürgerlich-private Straftaten aufgebaut, die eine Gleichheit der Stärke zwischen Täter und Opfer annehmen, oder sogar, dass das Opfer stärker ist als der Täter. Bei politisch-staatlich abgeleiteten Straftaten ist das Opfer prinzipiell schwächer und der Täter stärker als im üblichen strafrechtlichen Grundmuster. Unsere positivistische Strafrechtsdogmatik ist auf Staatskriminalität nicht vorbereitet und ihre herkömmliche Anwendung banalisiert diese auf zweierlei Weise: Staats-Kriminalität wird in ein "Täter A gegen Opfer B" Schema gepresst und blendet damit die Besonderheit der Begehung der Staatskriminalität aus, und sie wird als vorübergehende Ausnahme aufgefasst. Die angestrebte schnelle Rückkehr zur Privat-Kriminalität zeugt von einer fehlenden strafrechtlichen Berufsethik, ohne die auch die methodisch korrekte Anwendung von Strafgesetzen steuerlos ist.  
Gibt es die strukturelle Bevorzugung politischer Machtausübung durch das Strafrecht? Unsere Strafgesetzbücher sind auf bürgerlich-private Straftaten aufgebaut, die eine Gleichheit der Stärke zwischen Täter und Opfer annehmen, oder sogar, dass das Opfer stärker ist als der Täter. Bei politisch-staatlich abgeleiteten Straftaten ist das Opfer prinzipiell schwächer und der Täter stärker als im üblichen strafrechtlichen Grundmuster. Unsere positivistische Strafrechtsdogmatik ist auf Staatskriminalität nicht vorbereitet und ihre herkömmliche Anwendung banalisiert diese auf zweierlei Weise: Staats-Kriminalität wird in ein "Täter A gegen Opfer B" Schema gepresst und blendet damit die Besonderheit der Begehung der Staatskriminalität aus, und sie wird als vorübergehende Ausnahme aufgefasst. Die angestrebte schnelle Rückkehr zur Privat-Kriminalität zeugt von einer fehlenden strafrechtlichen Berufsethik, ohne die auch die methodisch korrekte Anwendung von Strafgesetzen steuerlos ist.  
Darunter fallen schwere Menschenrechtsverletzungen durch politische Makrokriminalität (Jäger 1989, 1993). Nach ''Kai Ambos'' (2002) umfasst politische Makrokriminalität die sog. ''staatsverstärkte Kriminalität'', ''das politische bedingte Kollektivverbrechen'',  und die ''staatsinterne Kriminalität'', wobei auch nichtstaatliche Akteure [[Verbrechen]] gegen die Menschlichkeit ausüben können, wenn sie in einem ausgedehnten und systematischen Zusammenhang stehen.
Für W. Naucke waren die staatlich angeordneten Todesschüsse auf fliehende, unbewaffnete Menschen und die folgenden Gerichtsentscheidungen Ausgangspunkt, der Frage nachzugehen, ob es im deutschen Strafrecht eine Neigung gibt, Politik, die sich hat durchsetzen können, dem Strafrecht nicht zu unterstellen.
Seine Abhandlung wurde nach der ersten Mauerschützenentscheidung veröffentlicht. Es ist sicherlich auch ihr Verdienst, dass 12 Jahre nach dem Beginn des ersten Prozesses und 15 Jahre nach dem Fall der Mauer  der letzte Prozess mit einem Schuldspruch zu Ende ging, und der Vorsprung, den die staatsverstärkte Kriminalität bei Anklageerhebung genoss, rechtsstaatlich aufgeholt werden konnte.
   
   


==weitere Definitionen/verwandte Begriffe==
==weitere Definitionen/ verwandte Begriffe==


[[Wolfgang Naucke]] hat den Begriff anstelle von [[Regimeverbrechen]], Staats- oder [[Regimekriminalität]] gestellt (Arendes, C. 2006). Der Begriff ist verwandt mit dem der [[Makrokriminalität]] (Jäger, H., 1989,1993), betont jedoch die verzweifelte Freiheitssituation des Opfers der Makrokriminalität stärker. Der Begriff 'Staatsverstärkte Kriminalität' zeigt die Begehungsweise wirklichkeitsnäher als der verwandte Begriff '[[Herrschaftskriminalität]]'.
[[Wolfgang Naucke]] hat den Begriff anstelle von [[Regimeverbrechen]], Staats- oder [[Regimekriminalität]] gestellt (Arendes, C. 2006). Der Begriff ist verwandt mit dem der [[Makrokriminalität]] (Jäger, H., 1989,1993), betont jedoch die verzweifelte Freiheitssituation des Opfers der Makrokriminalität stärker. Der Begriff 'Staatsverstärkte Kriminalität' zeigt die Begehungsweise wirklichkeitsnäher als der verwandte Begriff '[[Herrschaftskriminalität]]'.
Es geht um schwere Menschenrechtsverletzungen durch politische Makrokriminalität (Jäger 1989, 1993). Nach ''Kai Ambos'' (2002) umfasst politische Makrokriminalität die sog. ''staatsverstärkte Kriminalität'', ''das politische bedingte Kollektivverbrechen'',  und die ''staatsinterne Kriminalität'', wobei auch nichtstaatliche Akteure [[Verbrechen]] gegen die Menschlichkeit ausüben können, wenn sie in einem ausgedehnten und systematischen Zusammenhang stehen.


Sie ist mühelos daran erkennbar, dass die Freiheit des Einzelnen gegen die Unwiderstehlichkeit der gesammelten staatlichen Macht steht und untergeht. Ein Charakteristikum der staatsverstärkten Kriminalität ist es, eine feige Art der Kriminalität zu sein. Die Nutzung staatlicher Macht, um eine Straftat begehen zu können, ist im Prinzip eine feige Begehungsweise, an der die staatsverstärkte Kriminalität erkennbar ist.
Sie ist mühelos daran erkennbar, dass die Freiheit des Einzelnen gegen die Unwiderstehlichkeit der gesammelten staatlichen Macht steht und untergeht. Ein Charakteristikum der staatsverstärkten Kriminalität ist es, eine feige Art der Kriminalität zu sein. Die Nutzung staatlicher Macht, um eine Straftat begehen zu können, ist im Prinzip eine feige Begehungsweise, an der die staatsverstärkte Kriminalität erkennbar ist.
Zeile 46: Zeile 36:


==Beispiel für die Problematik der staatsverstärkten Kriminalität==
==Beispiel für die Problematik der staatsverstärkten Kriminalität==
Für W. Naucke waren die staatlich angeordneten Todesschüsse auf fliehende, unbewaffnete Menschen und die folgenden Gerichtsentscheidungen Ausgangspunkt, der Frage nachzugehen, ob es im deutschen Strafrecht eine Neigung gibt, Politik, die sich hat durchsetzen können, dem Strafrecht nicht zu unterstellen.
Seine Abhandlung wurde nach der ersten Mauerschützenentscheidung veröffentlicht. Es ist sicherlich auch ihr Verdienst, dass 12 Jahre nach dem Beginn des ersten Prozesses und 15 Jahre nach dem Fall der Mauer  der letzte Prozess mit einem Schuldspruch zu Ende ging, und der Vorsprung, den die staatsverstärkte Kriminalität bei Anklageerhebung genoss, rechtsstaatlich aufgeholt werden konnte.


Ein Beispiel für die Problematik der stvK in unserer jüngsten Vergangenheit sind die [[Mauerschützen]], die ''Todesschüsse'' und nicht 'Staatsrettungsschüsse' abgegeben haben.
Ein Beispiel für die Problematik der stvK in unserer jüngsten Vergangenheit sind die [[Mauerschützen]], die ''Todesschüsse'' und nicht 'Staatsrettungsschüsse' abgegeben haben.
49

Bearbeitungen