Willkomm

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Willkomm bezeichnete im 18. und 19. Jahrhundert die Auspeitschung eines/einer Strafgefangenen bei der Einlieferung ins Zuchthaus. Dem Willkomm entsprach der Abschied, d.h. die Auspeitschung anlässlich der Haftentlassung. Wiil krause-1024x719.jpg

Der Willkomm wurde (immer?) bereits im Urteil als Teil der Strafe festgelegt. So wurden 1821 in Rastatt ein Johann Schmitt und eine Adelheit Schlager wegen Gaunerei und Diebstahls zu einer jeweils 10jährigen Zuchthausstrafe, zu verbüßen in Mannheim, "mit Willkomm und Abschied" als richterlich festgelegter Strafverschärfung, verurteilt (Verzeichnis).

Unterschieden wurde zwischen dem "kleinen" und dem "großen" Abschied. Der Unterschied betraf die Zahl der Hiebe. In Düsseldorf waren es entweder 15 oder 30. Andernorts 12. 18 oder 25. Betroffen waren männliche wie weibliche Gefangene. Die Hiebe erfolgten auf den nackten Hintern der auf eine Pritsche, einen Bock oder an eine Strafsäule gefesselten Delinquenten. Als Schlaginstrumente dienten Peitschen, Stöcke oder Ochsenziemer.

Der Willkomm erniedrigte den Gefangenen und erleichterte seine Handhabung im Vollzug. Der Abschied sollte ihn vor Rückfällen bewahren.

Im ältesten Gefängnis Deutschlands, der JVA Waldheim (Sachsen), ist die Strafsäule noch heute im Museum zu sehen: "Der Willkomm war keine Disziplinarstrafe, sondern die Züchtlinge sollten spüren, dass sie nun im Zuchthaus Waldheim angekommen sind", erklärt der Museumsleiter den BesucherInnen (Pütz 2000).

In der Reformdiskussion über den Strafvollzug seit Beginn der 1820er Jahre wurden Willkomm und Abschied als Inbegriff der Inhumanität gebrandmarkt. Der Abschaffung der Rechtsinstitution folgte (wahrscheinlich) eine Phase der informellen Kontinuität von körperlichen Sanktionen zu Beginn (und zu Ende?) der Inhaftierung. Roberto Bergalli berichtet aus eigener Erfahrung von entsprechenden informellen Praktiken aus dem argentinischen Strafvollzug der 1970er Jahre.

Quellen

  • Bergalli, Roberto (2009) Mündlicher Bericht über die Praktiken bei der Verlegung von Gefangenen im argentinischen Strafvollzug. Buenos Aires, 12.09.09.
  • Bretschneider, Falk (2008) Gefangene Gesellschaft. Eine Geschichte der Einsperrung in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert (= Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 15). Konstanz: UVK.
  • Meyer-Krentler, Eckhardt (1987) Willkomm und Abschied, Herzschlag und Peitschenhieb. Goethe, Mörike, Heine. München: Fink.
  • Verzeichnis = Verzeichnis der von den Großherzoglich Badischen Hofgerichten seit dem Jahre 1820 abgeurtheilten Jauner. In: Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und PolizeiFama, No. 136, Dezember 1822, S. 543f.


Weblinks

  • Pütz, Stefanie (2000) "Wer nicht wagt, kommt nicht nach Waldheim". Das Sächsische Strafvollzugsmuseum zeigt die dunkle Geschichte der JVA Waldheim. Ein Besuch im ältesten Gefängnis Deutschlands. Neue Zürcher Zeitung 04.08.: http://www.stefanie-puetz.de/html/reportage.html (16.09.09).