Vollzugsplanung

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Begriff und Gegenstand der Vollzugsplanung

Unter Vollzugsplanung versteht man die vorausschauende Zusammenstellung derjenigen Maßnahmen, die geboten erscheinen, um bei einem bestimmten Gefangenen die gesetzlich festgelegten Ziele des Stafvollzuges zu erreichen.

Wichtigstes Mittel der Vollzugsplanung ist die Erstellung eines Vollzugsplans.


Grundsätze der Vollzugsplanung

Resozialisierung

Die Resozialisierung – die Wiedereingliederung in das soziale Gefüge einer Gesellschaft, um "künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen" - ist oberstes und verbindliches Vollzugsziel (§ 2 Satz 1 StVollzG).

Die Ausrichtung des Strafvollzuges auf soziale Reintegration ist eine grundlegende Weichenstellung, an der sich alle weiteren Vollzugsmaßnahmen zu orientieren haben.

Auf dem Vollzugsziel aufbauend und dieses konkretisierend sind in § 3 StVollzG die Gestaltungsprinzipien des Vollzuges, die sowohl Mindestanforderungen darstellen als auch zur Orientierung bei Ermessensentscheidungen dienen, genannt:

(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden („Angleichung“)
(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken („Gegensteuerung“)
(3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern („Integration“)

Grundlage für die Erreichung des Vollzugsziels ist die Vollzugsplanung mit ihrem wichtigsten Baustein, dem Vollzugsplan, in dem die individuellen Vollzugs- und Behandlungsmaßnahmen für den jeweiligen Inhaftierten festgeschrieben sind.

Zweites - nachrangiges - Vollzugsziel ist der "Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten" (§ 2 Satz 2 StVollzG).

Interaktion

Das Strafvollzugsgesetz versteht Behandlungsmaßnahmen als Angebot an den Inhaftierten und geht von einer freiwilligen Mitwirkung an der Behandlung und der Erreichung des Vollzugsziels aus (§ 4 Abs.1 StVollzG: "Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern" und § 6 Abs.3 StVollzG) - gleichzeitig wird damit auch eine Pflicht zur sicher nicht immer einfachen Motivation des Gefangenen seitens der Vollzugsmitarbeiter normiert.

Die Persönlichkeit eines Menschen ist fortlaufenden Veränderungen unterworfen. Deshalb darf sich eine Vollzugsplanung nicht auf die Erkenntnisse beschränken, die in der Anfangsphase der Haft gewonnen wurden und nur Auskunft zur damaligen Persönlichkeitsstruktur geben - sie muss vielmehr als ein dynamischer Interaktionsprozess zwischen Gefangenem und Justizvollzugsanstalt verstanden werden, der der Erstellung und ständigen Weiterentwicklung eines individuellen, aus vielen Einzelbausteinen bestehenden Behandlungskonzeptes dient.


Der Vollzugsplan

Strittig ist, ab welcher voraussichtlichen Vollzugsdauer ein Vollzugsplan erstellt werden muss, da nach § 7 Abs.1 StVollzG eine Verpflichtung zu seiner Erstellung nur nach vorheriger Behandlungsuntersuchung besteht. Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass auch bei kurzen Haftstrafen und ohne Behandlungsuntersuchung wenigstens ein vereinfachter Vollzugsplan erstellt werden soll. Ist aber eine Behandlungsuntersuchung durchgeführt worden, hat der Gefangene einen Anspruch auf Erstellung und Fortschreibung eines wenigstens dem Minimalkatalog entsprechenden Vollzugsplans - den er auf dem Rechtsweg nach § 109 ff. StVollzG ("Antrag auf gerichtliche Entscheidung") auch durchsetzen kann.

Die Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans soll in vom Anstaltsleiter durchgeführten Konferenzen ("Vollzugsplankonferenzen") stattfinden, an denen "die an der Behandlung maßgeblich Beteiligten" teilnehmen (§ 159 StVollzG). Bei der Erstellung des Plans geht es um konkrete, individuelle, während des Vollzugs zu treffende Maßnahmen. Es können auch externe Teilnehmer zugezogen werden, etwa der Anwalt des Betroffenen - ein Rechtsanspruch darauf gibt es jedoch nicht. Strittig ist, ob die Konferenzentscheidung für den Anstaltsleiter bindend ist oder ob er eine Art Veto- und Überstimmungsrecht in Anspruch nehmen kann.

Eine Beteiligung des Gefangenen an der Konferenz ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt, zumindest dem Wortlaut nach aber auch nicht ausgeschlossen.

1. Grundlagen des Vollzugsplans

Aufnahmeverfahren

Nach dem Strafantritt des Verurteilten beginnt das Aufnahmeverfahren, dessen Durchführung in § 5 StVollzG nur partiell gesetzlich geregelt ist:

(1) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein
(2) Der Gefangene wird über seine Rechte und Pflichten unterrichtet
(3) Nach der Aufnahme wird der Gefangene alsbald ärztlich untersucht und dem Leiter der Anstalt oder der Aufnahmeabteilung vorgestellt

Darüber hinausgehende Vorschriften zur Aufnahmedurchführung finden sich in den Nrn. 16-18 der Vollzugsgeschäftsordnung (VGO):

- In der mit einer Aufnahmeverfügung endenden Aufnahmeverhandlung werden die förmlichen Aufnahmevoraussetzungen geprüft.
- Abgabe und Registrierung mitgebrachter Gegenstände; körperliche Reinigung und Desinfektion; Einkleidung mit der Anstaltsuniform; erkennungsdienstliche Maßnahmen.
- Die - notfalls auch zwangsweise (§ 101 Abs.2 StVollzG) durchzuführende - Untersuchung beim Anstaltsarzt zur Feststellung der Haft-, Arbeits- und Sporttauglichkeit.
- Die Vorstellung beim Anstaltsleiter/dem Leiter der Aufnahmeabteilung.

Der Neuzugang soll durch die Vorstellung beim Anstaltsleiter einerseits über die Anstaltsregeln und seine Rechte und Pflichten unterrichtet, anderseits schon zu diesem frühen Zeitpunkt erste grundsätzliche Informationen über ihn gewonnen werden. Dabei muss vor allem vermieden werden, dass die für den Gefangenen oft traumatische, mit "Prozeduren der Entpersönlichung" einhergehende Aufnahmesituation einer Degradierung gleichkommt, die die Beziehung zwischen den Mitarbeitern und ihm von Beginn an negativ prägt und seine Bereitschaft zur Mitwirkung bei zukünftigen Behandlungen mindert.

Zusätzlich soll der Gefangenen, bereits unter dem Gesichtpunkt seiner Resozialisierung, gem. § 72 StVollzG ("Hilfe bei der Aufnahme") über "die Aufrechterhaltung einer Sozialversicherung beraten" und dabei unterstützt werden, "die notwendigen Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige zu veranlassen" sowie eigene "Habe außerhalb der Anstalt sicherzustellen". Zur Durchführung dieser Hilfe wird ein Gespräch zwischen dem Inhaftierten, einen Angehörigen sowie einem Sozialarbeiter der Anstalt vorgeschlagen - für die wichtigsten dabei zu klärenden Punkte ist eine von Bertram/Huchting entwickelte Checkliste verfügbar.

Behandlungsuntersuchung

Im Anschluss an das Aufnahmeverfahren wird eine Behandlungsuntersuchung durchgeführt, die in § 6 StVollzG gesetzlich geregelt ist:

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird damit begonnen, die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen. Hiervon kann abgesehen werden, wenn dies mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint
(2) Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzug und für die Eingliederung nach seiner Entlassung notwendig ist. Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches verurteilt worden sind, ist besonders gründlich zu prüfen, ob die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt angezeigt ist
(3) Die Planung der Behandlung wird mit dem Gefangenen erörtert

Der Gefangene hat ein Recht auf Durchführung einer Behandlungsuntersuchung. Von ihr kann jedoch abgesehen werden, wenn dies mit Rücksicht auf eine nur kurze Vollzugsdauer nicht geboten erscheint (§ 6 Abs.1 Satz 2 StVollzG) - was bei einer Haftstrafe unter zwölf (bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift zu § 6) oder unter sechs Monaten (Calliess/Müller-Dietz) der Fall sein soll . Nach dem Willen des Gesetzgebers ist davon auszugehen, dass "auch bei kurzer Vollzugsdauer eine Erforschung der Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Gefangenen erwünscht ist" (Bundestags-Drucksache VII/3998, S.7).

  • Behandlungsuntersuchung als Grundlage des Vollzugsplanes:
Die Behandlungsuntersuchung leitet einen durch Untersuchungen, Diagnosen und die anschließende Vollzugsplanerstellung gekennzeichneten Prozess ein, welcher die Grundlage für die weitere individuelle Behandlungsschritte darstellt.
Sie dient - unter Beteiligung des Gefangenen - der Feststellung seiner Lebensumstände und Bedürfnisse, seiner Persönlichkeit und seines Verhältnisses zur Tat; auch sollen die Möglichkeiten und Grenzen einer Resozialisierung erforscht werden.
Insbesondere bei Gewalt- und Sexualstraftätern muss besonders gründlich die psychische Verfassung und die Schwere eventueller Persönlichkeitsdefizite untersucht und eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt geprüft werden (§ 6 Abs.1 S.2 StVollzG).
Die Behandlungsuntersuchung wird meistens in einer Einweisungsanstalt oder der Aufnahmeabteilung der zuständigen JVA durchgeführt. Die Dauer der Behandlungsuntersuchung ist gesetzlich nicht geregelt, sollte aber analog zu § 17 Abs.3 Nr.2 StVollzG ("Unterbringung während der Arbeit und Freizeit") nicht länger als zwei Monate dauern. Das Diagnosegespräch selbst dürfte meist nicht länger als einige Stunden dauern. Nach erfolgter Untersuchung sollte innerhalb von zwei bis drei Wochen ein Übergang in den Normalvollzug gewährleistet sein.
  • Methoden und Instrumente der Behandlungsuntersuchung:
Vielfach werden in der Behandlungsuntersuchung - in der es um das Stellen einer psycho-sozialen Diagnose, nicht um eine moralische Persönlichkeitsbeurteilung geht - standardisierte Methoden oder Checklisten angewandt, in Deutschland häufig die auf der „Tübinger Jungtäter-Vergleichsuntersuchung“ beruhende "Methode der idealtypischen vergleichenden Einzelfallanalyse" (MIVEA). Diese versucht, durch Vergleiche von Straffälligen mit Nicht-Straffälligen "kriminovalente" (die Kriminalitätsentstehung fördernde) und "kriminoresistente" (die Kriminalitätsentstehung hemmende) Faktoren zu identifizieren.
Viele "kriminovalente" Faktoren führen im Regelfall dazu, dass Gefangene eher als "schwieriger Fall" angesehen, Lockerungen strenger geprüft werden und der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt eher spät angesetzt wird.
MIVEA kann fachliches und diagnostisches Können der die Behandlungsuntersuchung durchführenden Personen allerdings niemals ersetzen.
Wichtigste und primäre Erkenntnisquelle der Behandlungsuntersuchung ist immer der Gefangene selbst, als sekundäre Quelle können auch von anderen Institutionen Unterlagen und Stellungnahmen angefordert werden.
  • Einweisungsentschließung:
Am Ende der Behandlungsuntersuchung steht die Einweisungsentschließung, in der mit Hinblick auf den zukünftigen Vollzugsort und die Vollzugskategorie beispielsweise folgende Aspekte berücksichtigt werden sollen: Ortsnähe zu Familienangehörigen, Beschäftigungsmöglichkeiten/Aus- und Fortbildungsangebote, Behandlungsangebote der aufnehmenden Anstalt, eine Einschätzung zur Gefährlichkeit des Gefangenen.
Sie, die zusammen mit der Behandlungsuntersuchung die Grundlage des Vollzugsplanes bildet, stellt nach § 109 StVollzG ("Antrag auf gerichtliche Entscheidung") eine gerichtlich anfechtbare Entscheidung dar.
  • Beteiligung des Gefangenen:
Die Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung sollen dem Betroffenen nicht nur mitgeteilt, sondern auch ausführlich mit ihm erörtert werden (§ 6 Abs.3 StVollzG). Er soll somit schon im Rahmen der Behandlungsuntersuchung an seiner Vollzugsplanung beteiligt werden.
Eine Mitwirkungspflicht des Gefangenen bei der Behandlungsuntersuchung besteht nicht, er hat die Maßnahme aber zu dulden.
Die Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sollen für den Betroffenen nachvollziehbar sein. Gelingt es zu verdeutlichen, dass die Untersuchung vor allem in seinem Interesse liegt, wird er sich mit den Ergebnissen eher identifizieren können. Die Wahrscheinlichkeit seiner Mitarbeit und die Erreichung des Vollzugsziels wird damit spürbar erhöht.

2. Inhalt des Vollzugsplans

Im Anschluss an die Eingangsphase folgt die Planungsphase, in der die psycho-soziale Diagnose als Ergebnis der Behandlungsuntersuchung in die Erstellung eines Vollzugsplanes mündet, in dem das Vollzugsziel individuell konkretisiert wird. Die Inhalte eines Vollzugsplanes sind in § 7 StVollzG gesetzlich geregelt:

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt
(2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen:
1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,
3. die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
4. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Aus- oder Weiterbildung,
5. die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
6. besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,
7. Lockerungen des Vollzuges und
8. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung
(3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen
(4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden
  • Der gesetzliche Minimalkatalog:
§ 7 Abs.2 StVollzG gibt nur einen Minimalkatalog ("mindestens") für die Behandlungsmaßnahmen vor, die der Vollzugsplan auf jeden Fall enthalten muss. Die einzelnen Anstalten können darüber hinaus zusätzliche Maßnahmen, die beispielsweise folgende Lebensbereiche umfassen könnten, in den Vollzugsplan aufnehmen: Freizeitgestaltung, Außenkontakte, Urlaubsplanung, Schuldenregulierung und Maßnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen.
Zu allen aufgeführten Maßnahmen, auch zu denjenigen, die derzeit noch nicht für den Gefangenen in Frage kommen, muss der Vollzugsplan sachliche und zeitliche Hinweise enthalten.
  • Real- oder Idealvotum:
Offen bleibt im Gesetz, ob sich ein Vollzugsplan an den im Rahmen der Behandlungsuntersuchung erkannten Notwendigkeiten (Idealvotum) oder an den in der Anstalt verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten (Realvotum) orientieren soll.
Wünschenswert wäre, wenn der Vollzugsplan erkennen ließe, welche Maßnahmen unter den derzeit gegebenen Vollzugsverhältnissen konkret umsetzbar und welche gegebenenfalls erst unter Idealverhältnissen wünschenswert wären.
  • Behandlungspläne:
Auf Grundlage des Vollzugsplanes werden in der Praxis - gesetzlich ungeregelt - oft Behandlungspläne, fachspezifische Konkretisierungen einzelner Maßnahmen, erstellt. Ist im Vollzugsplan eine längere Behandlung, beispielsweise eine Psychotherapie, vorgesehen, kann die zuständige Fachkraft eine entsprechende Planung konzipieren.
  • Beteiligung des Gefangenen:
Der Gefangene darf nicht zum bloßen Objekt der Untersuchung, Planung und Behandlung gemacht werden, weshalb die Verpflichtung zur Erörterung aus § 6 Abs.3 StVollzG auch auf die Vollzugsplanerstellung anzuwenden und weit zu interpretieren ist. Dem Gefangenen soll eine Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt und seine eigenen Vorstellungen über die Aufnahme bestimmter Maßnahmen berücksichtigt werden.

3. Äußere Form

Der Vollzugsplan als Dokument, das Angaben über die im individuellen Fall konkret vorgesehenen Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels enthält, ist Bestandteil der Gefangenenpersonalakte und schriftlich niederzulegen. Der Vollzugsplan ist zentraler Baustein eines dem Resozialisierungsziel verpflichteten Vollzuges. Er muss seitens der Anstalt erkennen lassen, dass neben der Beurteilung des bisherigen Behandlungsverlaufs auch eine Auseinandersetzung mit den zukünftig erforderlichen Maßnahmen stattgefunden hat (BVerfG StraFo 2006, 512-514).

In den meisten Anstalten werden - oft landesweit einheitliche - Vollzugsplan-Vordrucke verwendet, die nur noch ausgefüllt werden müssen. In der Regel umfassen sie vier bis fünf DIN-A-4 Seiten, wobei der erste Vollzugsplan umfangreicher ist als seine Fortschreibungen. Gemeinsam ist den Formularen, dass in ihnen der gesetzliche Maßnahmenkatalog des § 7 Abs.2 StVollzG wiedergegeben ist, zum Teil mit vorformulierten Antwortalternativen.

Im StVollzG ist kein Rechtsanspruch auf die Aushändigung eines Vollzugsplanes an den Gefangenen festgeschrieben. Er wird jedoch analog aus § 29 VvVfG (Verwaltungsverfahrens- gesetz) abgeleitet, soweit die Kenntnis des Planes zur Wahrung rechtlicher Interessen erforderlich ist.

4. Vollzugsplanfortschreibung

Der Vollzug einer Freiheitsstrafe ist ein dynamischer Prozess, dessen Verlauf nur selten genau vorherseh- und planbar ist. Deshalb soll der Vollzugsplan regelmäßig – in „angemessenen Fristen“ aktualisiert und fortgeschrieben werden (§ 7 Abs.3 StVollzG). Was unter dieser Frist zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht geregelt - in der Rechtsprechung wird von einem Zeitraum zwischen drei und sechs Monaten ausgegangen.

Inhaltliche Veränderungen auf Grundlage der Persönlichkeitsentwicklung des Gefangenen und neuer Ergebnisse psycho-sozialer Diagnosen sind nur im Wege der Fortschreibung möglich (§ 7 Abs.3 StVollzG). In jeder Vollzugsplanfortschreibung ist zu dokumentieren, ob die Eingangsdiagnose aufgrund neuer Erkenntnisse verändert werden muss oder weiterhin Bestand hat; auch die beobachtete Entwicklungstendenz soll dokumentiert werden.

Maßstab ist die Notwendigkeit einer Anpassung im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung des Gefangenen und den aktuellen Behandlungsstand. Um beides beurteilen zu können, werden laufend Aktenvermerke geschrieben, die die Dokumentation und Überprüfung des bisherigen Vollzugsverlaufs ermöglichen.

5. Verbindlichkeit

Im Vollzugsplan niedergeschriebene begünstigende Maßnahmen sind für die Vollzugsbehörde bindend und können nicht willkürlich geändert werden. Bei einer Abweichung zum Nachteil des Betroffenen muss ermessenfehlerfrei begründet werden, warum eine bestimmte Maßnahme im Gegensatz zur Planung abgelehnt wird. Eine Rücknahme begünstigender Maßnahmen kann unter den Voraussetzungen des § 14 Abs.2 StVollzG ("Weisungen, Aufhebung von Lockerungen und Urlaub") möglich sein, wenn:

  • "der Anstaltsleiter aufgrund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen" (Abs.2, Nr.1)
  • "der Gefangene die Maßnahme missbraucht" (Abs.2, Nr.2)
  • "der Gefangene Weisungen nicht nachkommt" (Abs.2, Nr.3).

Der Gefangene hat einen Anspruch auf sachgerechte Durchführung der im Vollzugsplan angegebenen Behandlungsmaßnahmen. Wird ihm eine im Vollzugsplan vorgesehene Maßnahme dennoch verweigert, muss er sie zunächst bei der Anstalt beantragen. Wird der Antrag abgelehnt, können Rechtsmittel bei der Strafvollstreckungskammer eingelegt werden.

Bei Verlegung des Gefangenen in eine andere Anstalt behält der vorhandene Vollzugsplan seine Gültigkeit und wird fortgeschrieben.

Planungsmaßnahmen im Einzelnen

Die Planung der Hauptphase

Die Hauptphase der Haftzeit ist geprägt durch ein breites Angebot möglicher Therapie-, Behandlungs- und Gestaltungsmaßnahmen. Die Unterbringung des Gefangenen im offenen oder geschlossenen Vollzug stellt den Rahmen dar, innerhalb dessen das Vollzugsziel der Resozialisierung mittels rückfallverhindernder Maßnahmen - Arbeit, Aus- und Weiterbildung, Sozialhilfe; Therapie, Wohn- und Behandlungsgruppe; Vollzugslockerungen, Hafturlaub, Besuche, Außenkontakte - erreicht werden soll. Die verbindliche Tageseinteilung in Arbeits-, Frei- und Ruhezeit (§ 82 Abs.1 Satz 1 StVollzG, "Verhaltensvorschriften") hat unterschiedliche Unterbringungsmöglichkeiten zur Folge (§§ 17/18 StVollzG).

Ergänzt werden alle Maßnahmen durch die Organisation der medizinischen Versorgung, von Bekleidung und Ernährung. Durch Verlegungen kann die Vollzugsbehörde auf individuelle Bedürfnisse und Entwicklungen reagieren und steuernd eingreifen.

Offener/geschlossener Vollzug

§ 141 Abs.2 StVollzG unterscheidet auf Organisationsebene zwischen einer Unterbringung im fluchtgesicherten geschlossenen Vollzug und im mit geringen/keinen Fluchtvorkehrungen versehenen offenen Vollzug - der Grad der Sicherungsvorkehrungen stellt das Abgrenzungskriterium dar.

Die individuellen Zuweisungskriterien zum offenen Vollzug sind in § 10 StVollzG geregelt:

(1) Ein Gefangener soll mit seiner Zustimmung in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde
(2) Im übrigen sind die Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterzubringen. Ein Gefangener kann auch dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zu seiner Behandlung notwendig ist

Die reduzierten Sicherheitsvorkehrungen im offenen Vollzug ermöglichen bessere soziale Kontakte sowohl innerhalb der Anstalt als auch mit der Außenwelt, was zu einer - im Hinblick auf die Resozialisierung und das Gegensteuerungs- und Integrationsprinzip erwünschten - verstärkten Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse führt und die angestrebte Rückkehr in die Freiheit erleichtert.

Die Verlegung in den offenen Vollzug setzt voraus, dass der Gefangene bereits über ein gewisses Maß an Selbstdisziplin, Eigenständigkeit und Verantwortungsbewusstsein verfügt und seinen Resozialisierungswillen zeigt - also den genannten "besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt". Die Verlegung in den offenen Vollzug ist die letzte und wichtigste Stufe auf dem Weg zum Vollzugsziel Resozialisierung.

Der § 10 Abs.1 StVollzG ist als Soll-Paragraph formuliert, aus dem sich zwar kein Rechtsanspruch auf den offenen Vollzug ableitet, der der Anstalt aber nur einen engen Ermessensspielraum lässt. In der Regel werden nur Ersttäter im offenen Vollzug untergebracht - ungeeignet sind vor allem sucht- und fluchtgefährdete sowie solche Gefangene, die in der Vergangenheit bereits eine Vollzugslockerung missbraucht haben. Ebenso ungeeignet sind Gefangene, gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist oder bei denen zu befürchten ist, dass sie auf andere Gefangene des offenen Vollzuges negativen Einfluss ausüben (VV Nr.2 Abs.1 zu § 10 StVollzG).

Gefangene werden in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt, wenn dies zu ihrer "Behandlung notwendig ist" (§ 10 Abs.2 StVollzG) - etwa wenn individuell erforderliche Therapiemaßnahmen oder Aus- und Weiterbildungsangebote nur im geschlossenen Vollzug möglich sind - oder sie im offenen Vollzug Regeln und Vorgaben missachtet haben.

Sozialtherapeutische Anstalt

Die Möglichkeit einer Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt ist in § 9 StVollzG geregelt:

(1) Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist. Der Gefangene ist zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann
(2) Andere Gefangene können mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Anstalt zu ihrer Resozialisierung angezeigt sind. In diesen Fällen bedarf die Verlegung der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt
(3) Die §§ 8 und 85 bleiben unberührt

Handelt es sich bei dem Gefangenen um einen zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilten Sexualstraftäter, so ist er in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn die Behandlung aus therapeutischer Sicht angezeigt ist - vorausgesetzt, er erkennt selbst einen Behandlungsbedarf und ist motiviert, an seinen Problemen zu arbeiten. Anderenfalls wird er zunächst in den Normalvollzug verlegt und eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt alle sechs Monate neu geprüft.

Vollzugslockerungen

Unter welchen Bedingungen Vollzugsockerungen stattfinden können und dürfen, ist in § 11 StVollzG geregelt:

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, dass der Gefangene
1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2. für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf
(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde

Vollzugslockerungen sind eine sehr wichtige Maßnahme zur Erreichung des Vollzugsziels. Dies hat dazu geführt, dass der Erprobung von Vollzugslockerungen in der Praxis der Strafvollstreckungsgerichte hinsichtlich einer Entscheidung nach § 57 StGB (Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe), § 57a StGB (Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe) und § 57b StGB (Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe) entscheidende Bedeutung zukommt.

Im Vollzugsplan können bereits konkrete Zeiten und Kriterien für Vollzugslockerungen festgelegt werden, insbesondere wenn beim Gefangenen keine Missbrauchs- oder Fluchtgefahr anzunehmen ist. Die Gewährung von Vollzugslockerungen ist vollständig in das Ermessen der Anstalt gestellt. Bei Ablehnung von Lockerungen können diese deshalb im Regelfall auch nicht vor Gericht eingeklagt werden - das Gericht kann meist keine eigene Entscheidung treffen, sondern den Fall nur zu einer neuen Ermessensentscheidung an die Anstalt zurückgeben.

Bei Gewalt- und Sexualstraftätern wird zunächst meist nur angegeben, wann die Möglichkeit einer Lockerungen erstmals unverbindlich geprüft wird. Bei dieser Prüfung kommt es vor allem darauf an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Lockerungsmissbrauchs - auch in Abhängigkeit vom Ursprungsdelikt - eingeschätzt wird, wie der Gefangene bislang an der Erreichung des Vollzugsziel mitgearbeitet und sich mit seiner Tat und seinen aktuellen und künftigen Lebensumständen auseinandergesetzt hat.

Vollzugslockerungen sollten immer rechtzeitig vor dem vorgesehenen Entlassungszeitpunkt stattfinden. Ein Gefangener, der zum 2/3-Zeitpunkt noch nicht erfolgreich an Lockerungen teilgenommen hat, wird praktisch nie auf Bewährung entlassen.

Welche Möglichkeiten der Lockerungen bestehen, bestimmt der Gesetzestext in § 11 StVollzG: Ausführungen sind meistens der erste Schritt in Richtung selbständiger Vollzugslockerungen und können insbesondere bei Gefangenen im Langstrafenvollzug auch über viele Jahre gewährt werden. Neben Ausgängen können Gefangene im Jahr auch bis zu 21 Tage Urlaub erhalten (§ 13 Abs. 1 StVollzG).

Verlegung

Durch einen dauerhaften Anstaltswechsel kann in den individuellen Vollzugsablauf eingegriffen werden, "wenn die Behandlung des Gefangenen oder seine Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert" oder dies "aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich" ist (abschließend normiert in § 8 Abs.1 StVollzG).

Einem Anstaltswechsel auf dieser gesetzlichen Grundlage gehen die speziellen Verlegungsgründe vor:

  • Verlegung in eine/aus einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 StVollzG)
  • Verlegung in eine offene Anstalt/Abteilung zur Entlassungsvorbereitung (15 Abs.2 StVollzG)
  • Verlegung zur Krankenbehandlung (§ 65 StVollzG)
  • Verlegung zur sicheren Unterbringung (§ 85 StVollzG)
  • Verlegung aus einer Einweisungsanstalt/-abteilung zum weiteren Vollzug (§ 152 Abs.2 Satz 2 StVollzG)

Ein Anstaltswechsel stellt einen gravierenden, mit dem Verlust der bisherigen Arbeit, der gewohnten Umgebung und sozialen Kontakte verbundenen Eingriff dar und stört die Kontinuität des Behandlungsverlaufs - er sollte deshalb nur dann vorgenommen werden, wenn die aufnehmende Einrichtung besser geeignete Aus- und Weiterbildungsangebote oder therapeutische Maßnahmen oder im Hinblick auf die Entlassungsvorbereitung eine größere Heimatnähe bietet.

Die Planung der Entlassungsphase

Die Entlassungsphase markiert den Wechsel von der Vollzugs- zur Integrationsplanung, der Planung der Wiedereingliederung eines Gefangenen in die Gesellschaft.

Schon bei der Erstellung des Vollzugsplans müssen notwendige Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung festgelegt werden (§ 7 Abs.2 Nr.8 StVollzG), damit der Übergang in die Freiheit nicht abrupt erfolgt. Notwendig ist nicht nur eine Zusammenarbeit innerhalb der Vollzugsanstalt, sondern auch eine enge Abstimmung mit der Bewährungshilfe und anderen Behörden und privaten Einrichtungen, die soziale Leistungen und Eingliederungshilfen anbieten (Arbeits- und Sozialämter, Kirchen, Wohlfahrtverbände).

Erarbeitet werden sollen tragfähige Konzepte, um den von hohen Rückfall- und Arbeitslosenquoten und geringen Sozialkontakten geprägte Übergang von der Haft in die Freiheit zu erleichtern. Wichtig ist vor allem eine arbeitsmarktorientierte Wiedereingliederung, die schon während des Vollzuges mit entsprechenden Bildungs- und Beschäftigungsangeboten eingeleitet werden soll. Im Fokus stehen Beratung und Betreuung, aber auch die berufliche Qualifizierung und die Vermittlung einer Ausbildung oder Arbeit für den Gefangenen.

Die Übergangsphase ist nicht zuletzt deshalb besonders problematisch, da nun - im Kontrast zum Leben in einer Justizvollzugsanstalt - Selbständigkeit und ein Umgang mit unstrukturierten Situationen gefordert sind. Ohne schnelle soziale und berufliche Integration steigt die Rückfallgefahr enorm, insbesondere in den ersten Tagen nach der Entlassung. Durch eine nahtlose Weiterführung der in Haft begonnenen Maßnahmen sollen diese Brüche soweit irgendwie möglich vermieden werden.

Bei einem abzusehenden Ende der Haftzeit sollen - in Ergänzung zu bisherigen oder andauernden Behandlungsmaßnahmen - besondere zusätzliche Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Entlassung stattfinden (§ 15 StVollzG):

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, soll der Vollzug gelockert werden (§ 11)
(2) Der Gefangene kann in eine offene Anstalt oder Abteilung (§ 10) verlegt werden, wenn dies der Vorbereitung der Entlassung dient
(3) Innerhalb von drei Monaten vor der Entlassung kann zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche gewährt werden
(4) Freigängern (§ 11 Abs.1 Nr.1) kann innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden

Konkrete Entlassungsvorbereitungen sollen also spätestens drei, bei Freigängern können sie bereits neun Monate vor Strafende beginnen.

Den voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, auf den in den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 15 StVollzG Bezug genommen wird, abzuschätzen ist allerdings schwierig, was sowohl bei der Gliederung und Planung des Vollzuges als auch der auf das Resozialisierungsziel abgestimmten Entlassungsvorbereitung und Haftnachsorge zu Problemen führt.

Eine Verlängerung der Haftzeit kann sich beispielsweise durch folgende Umstände ergeben: Neue Verurteilungen während der Haft, Verurteilungen durch verschiedene Gerichte werden erst später bekannt, Bewährungswiderruf, Umwandlung von Geldstrafen in Ersatzfreiheitsstrafen.

Eine Verkürzung der Haftzeit kann beispielsweise eintreten durch: Anrechnung von Untersuchungshaft/anderen Haftstrafen, Zusammenziehen mehrerer alter Strafen (nachträgliche Gesamtstrafenbildung), Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung bei zeitiger (§ 57 StGB) oder lebenslanger Freiheitsstrafe (§ 57a StGB) oder mehreren Freiheitsstrafen (§ 454b StPO), „Therapie statt Strafe“: Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 35 BtMG), Haftunfähigkeit (§ 455 StPO), Amnestie oder Begnadigung; bei Ausländern: Auslieferung, Abschiebung oder Überstellung in das Heimatland zwecks weiterer Vollstreckung.

Kaum planbar ist der Entlassungszeitpunkt auch, wenn zusätzlich zur Strafe eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder ein psychiatrisches Krankenhaus (§ 63 StGB) oder Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB) angeordnet wird.

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich dadurch, dass der Entlassungstermin durch das Strafvollstreckungsgericht festgelegt wird (§ 462a StPO), während die Vollzugsanstalt für die Planung des Vollzuges und der Vollzugslockerungen zuständig ist - weshalb der Vollzug mit seinen besonderen vorbereitenden Behandlungsmaßnahmen nur auf den voraussichtlichen Entlassungstermin abstellen kann. In den meisten Fällen dürfte es deshalb sinnvoll sein, den frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt zugrunde zu legen – im Regelfall ist die nach Verbüßung von 2/3 der Strafe ("Zweidrittelstrafe"), im Ausnahmefall auch schon nach Verbüßung der halben Strafe ("Halbstrafe").

  • Zweidrittelstrafe (§ 57 Abs.1 StGB): Nach zwei Dritteln der verhängten Gesamtstrafe kann das Gericht die Reststrafe zur Bewährung aussetzen, wenn mindestens zwei Monate der Strafe verbüßt sind (Untersuchungshaft wird angerechnet), "dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann", der Verurteilte einwilligt und "verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begeht".
  • Halbstrafe (§ 57 Abs.2 StGB): Nach der Hälfte der verhängten Strafe kann das Gericht die Reststrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und deren Dauer zwei Jahre nicht übersteigt oder die "Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen".

Würde von vornherein mit der vollständigen Verbüßung der im Urteil verhängten Haftstrafe ("Endstrafe") geplant, hätte der Gefangene zum Zweidrittel-Termin noch keine Vollzugslockerungen vorzuweisen, was seine vorzeitige Entlassung faktisch ausschließt. Verläuft der Vollzug planmäßig und kann die Anstalt eine Positivprognose abgeben, wird die Strafvollstreckungskammer den Gefangenen meistens bereits vor Verbüßung seiner "Endstrafe" entlassen. § 454a StPO ermöglicht der Kammer sogar frühzeitig eine "vorläufige Entscheidung" mit möglicher Reststrafenaussetzung, die aufgrund neu eingetretener Umstände - unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit - jederzeit widerrufen werden kann.

Die Planung der Haftnachsorge

Die Haftnachsorge umfasst Angebote für den Zeitraum nach der Entlassung, wodurch nach Möglichkeit ein Drehtüreffekt verhindert werden soll. Nach § 74 Satz 2 StVollzGist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten“. Zur Nachsorge kann beispielsweise gehören, eine in der Anstalt begonnene Ausbildung dort noch zu Ende zu führen. Die Planung der Haftnachsorge erfolgt beim sozialen Dienst der Anstalt, die Betreuung nach der Entlassung wird im Regelfall von privaten oder kommunalen Trägern oder privaten Bezugspersonen geleistet.

Im Falle einer Strafaussetzung zur Bewährung kann die Strafvollstreckungskammer dem Betroffenen für die Dauer der Bewährungszeit Auflagen und Weisungen erteilen (§§ 56b ff. StGB). Hat er mindestens ein Jahr seiner Strafe verbüßt, unterstellt ihn das Gericht der Aufsicht eines Bewährungshelfers (§ 57 Abs.3 Satz 2 StGB) - davon betroffen sind etwa 35% der entlassenen Strafgefangenen.

Bei "Vollverbüßern" mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat oder von mindestens einem Jahr wegen einer der in § 181b StGB genannten Sexualstraftaten tritt mit der Entlassung aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein (§ 68f Abs.1 Satz 1 StGB), zusätzlich wird ein Bewährungshelfer bestellt.

Einen Entlassenen vorübergehend auf dessen eigenen Antrag wieder in die Anstalt aufzunehmen, ist nur im Rahmen einer Sozialtherapie möglich (§ 125 StVollzG). Nur für die Sozialtherapie ist vorgesehen, dass auch eine "nachgehende Betreuung" von den Fachkräften der Anstalt gewährleistet ist, "soweit dies anderweitig nicht sichergestellt werden kann" (§ 126 StVollzG).

Rechtsmittel

Jede einzelne im Vollzugsplan festgeschriebene Maßnahme - sofern sie Regelungscharakter mit unmittelbarer Rechtswirkung besitzen - ist gerichtlich überprüfbar. Ein Anspruch auf Festschreibung einer ganz bestimmten Maßnahme besteht nicht; der Vollzugsplan muss aber wenigstens die wichtigsten Gründe darlegen, warum die Anstalt eine bestimmte Maßnahmen befürwortet oder verwirft (BVerfG StraFo 2006, 39-43). Das Gericht kann eine Anstalt auch verpflichten, einen Vollzugsplan zu erstellen. Der Gefangene hat weiterhin ein Beschwerderecht nach § 108 StVollzG und kann eine gerichtlichen Entscheidung nach § 109 StVollzG verlangen.

Literatur

  • BERTRAM, Claus/HUCHTING, Konrad (2006) - in: FEEST, Johannes (Hrsg.): Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 5. Auflage; § 72, Randnummer 12 (Luchterhand-Verlag)
  • CALLIESS, Rolf-Peter/MÜLLER-DIETZ, Heinz (2008): Kommentar zum Strafvollzugsrecht (Beck-Verlag)
  • FEEST, Johannes (1990): Behandlungsvollzug - Kritik und vollzugspolitische Konsequenzen. In: Juristische Arbeitsblätter Neuwied, S. 223 ff.
  • FEEST, Johannes (2006): Kommentar zum Strafvollzugsgesetz (Luchterhand-Verlag)
  • FEEST, Johannes (2008): Übergänge aus dem Strafvollzug in die Freiheit. Verantwortlichkeit, Möglichkeiten und Gesetzgebung. In: Zeitschrift für soziale Strafrechtspflege; S. 7-13
  • HÖFLICH, Peter/SCHRIEVER, Wolfgang (2003): Grundriß Vollzugsrecht - Das Recht des Strafvollzugs und der Untersuchungshaft für Ausbildung, Studium und Praxis; 53 Praxisfälle (Springer-Verlag)
  • LAUBENTHAL, Klaus (208): Strafvollzug (Springer-Verlag)
  • STOCK, Stephan (1993): Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplan. Zum Instrumentarium einer an der Rückfallverhinderung orientierten Ausgestaltung des Strafvollzuges in der Bundesrepublik Deutschland (Hänsel-Hohenhausen-Verlag)
  • SCHWERDTFEGER, Max (2008): Der Strafvolllzug nach der Föderalismusreform - eine erste Bestandsaufnahme (Grin-Verlag)
  • SCHWIND/BÖHM/JEHLE/LAUBENTHAL (2009): Kommentar zum Strafvollzugsrecht - Bund und Länder (De Gruyter-Verlag)
  • WIRTH, Wolfgang (2004) - in: EGG, Rudolf (Hrsg.): Nachsorge im und nach Strafvollzug. Ein neues Kooperationsmodell zur beruflichen Integration Strafgefangener in Nordrhein-Westfalen. In: Ambulante Nachsorge nach Straf- und Maßregelvollzug - Konzepte und Erfahrungen; S. 207-221 (Verlag Kriminologische Zentralstelle Wiesbaden)

Weblinks