Theodor Lessing

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Will Burgdorf Fotografie Theordor Lessing

Theodor Lessing (* 8. Februar 1872 in Hannover; † 31. August 1933 in Marienbad) war ein deutsch-jüdischer Philosoph, politischer Publizist und Autor von "Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs" (1925).


Leben

Lessing entstammte einer wohlhabenden Familie in Hannover (Vater Arzt, Mutter Tochter eines Bankiers). Nach abgebrochenem Medizinstudium - das er gleichwohl während des Ersten Weltkriegs als Lazarettarzt noch nutzen konnte - wurde er mit einer Dissertation über den russischen Logiker Afrikan Spir an der Universität München zum Dr. phil. Ein Habilitationsplan in Dresden scheiterte an Vorbehalten gegenüber seiner Person (Jude, Sozialist, öffentlicher Verfechter des Feminismus). Während einer Zeit als Aushilfslehrer hielt er auch öffentliche Vorträge - wie z.B. "Einführungen in die moderne Philosophie" in der Wartehalle des Dresdener Hauptbahnhofs.

1907 wurde er Privatdozent für Philosophie an der Technischen Hochschule Hannover. 1919 baute er zusammen mit seiner zweiten Frau in Hannover-Linden die dortige Volkshochschule auf. , im Ersten Weltkrieg war er als Lazarettarzt und Lehrer tätig, verfasste aber nebenher auch noch sein Werk über "Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen" - ein Buch, das wegen seiner Kriegskritik erst 1919 veröffentlicht werden konnte. Zurück auf seinem Privatdozentenposten 1923 begann eine Phase reger publizistischer Tätigkeit, die ihn schon bald zu einem der bekanntesten politischen Schriftsteller der Weimarer Zeit machen sollte.

Aufmerksamkeit erregte 1925 sein Bericht über den Prozess gegen den Serienmörder Fritz Haarmann, in dem er die fragwürdige Rolle der hannoverschen Polizei deutlich machte, für die Haarmann als Spitzel tätig gewesen war.

Im selben Jahr schrieb er eine Charakterstudie über den Kandidaten für das Amt des Reichspräsidenten und späteren Gewinner der Präsidentenwahl Paul von Hindenburg, in der er vor der Wahl dieses Mannes warnte. Hindenburg selbst schilderte er als eine biedere, intellektuell anspruchslose Persönlichkeit, hinter der er aber gefährliche politische Kräfte wirken sah:

„Nach Plato sollen die Philosophen Führer des Volkes sein. Ein Philosoph würde mit Hindenburg nun eben nicht den Thronstuhl besteigen. Nur ein repräsentatives Symbol, ein Fragezeichen, ein Zero. Man kann sagen: 'Besser ein Zero als ein Nero'. Leider zeigt die Geschichte, daß hinter einem Zero immer ein künftiger Nero verborgen steht.[1]“

Dieser Artikel brachte ihm die hasserfüllte Gegnerschaft aus deutschnationalen und völkischen Kreisen ein. Studenten gründeten einen Kampfausschuß gegen Lessing, es wurde zum Boykott seiner Vorlesungen aufgerufen, die Entziehung der venia legendi und die Entfernung von der Universität gefordert und es kam zu gewalttätigen Störungen seiner Vorlesungen durch Studenten. Bei den Protesten wurde auch deutlich ein antisemitischer Hintergrund sichtbar. Aus der Öffentlichkeit und besonders aus dem universitären Milieu erfuhr Lessing nur schwache Unterstützung, Professorenkollegen solidarisierten sich mit den Forderungen der Lessinggegner, insbesondere als am 7. Juni 1926 etwa tausend Studenten mit der Abwanderung an die TU Braunschweig drohten. Als eine halbjährige Beurlaubung im Wintersemester 1925/26 keine Beruhigung der Lage erbrachte, vereinbarten Lessing und der preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker unter dem Druck am 18. Juni 1926 die Einstellung der Lehrtätigkeit und die unbefristete Beurlaubung bei reduzierten Bezügen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 begann Lessing, seine Flucht aus Deutschland vorzubereiten. Am 1. März flüchtete er mit seiner Frau Ada in die Tschechoslowakei und ließ sich dort im berühmten Kurbad Marienbad nieder. Von hier aus setzte er seine publizistische Tätigkeit in deutschsprachigen Auslandszeitungen fort. Im Juni 1933 wurde in sudetendeutschen Zeitungen der Tschechoslowakei eine Meldung verbreitet, dass in Deutschland eine Belohnung für denjenigen ausgesetzt worden sei, der ihn entführe und den deutschen Behörden übergäbe. Am 30. August 1933 schossen nationalsozialistische Attentäter durch das Fenster seines Arbeitszimmers auf Lessing und trafen ihn lebensgefährlich. Am folgenden Tag erlag er im Alter von 61 Jahren im Marienbader Krankenhaus seinen Verletzungen.

Der AStA der Universität Hannover beantragte im November 2005 die Umbenennung der Universität in „Theodor Lessing Universität“. Bei einer Urabstimmung im Januar 2006 stimmten jedoch 63,4 % der Studierenden gegen diese Umbenennung. Der AStA nennt die nun in „Leibniz Universität Hannover“ benannte Hochschule immer noch Lessing-Hochschule. - Am 7. September 2006 erhielt die Volkshochschule Hannover in Rahmen der feierlichen Semestereröffnung den Namen „Ada-und-Theodor-Lessing-Volkshochschule Hannover“.

Philosophie

Lessing steht ähnlich wie Oswald Spengler und Ludwig Klages in der Tradition des philosophischen Pessimismus und der Willensmetaphysik, die auf Arthur Schopenhauer zurückgeht. Die Grunderfahrung des Menschen in der Welt seien Not und Leiden. Doch anders als z. B. Schopenhauer reagiert Lessing auf diese Erkenntnis nicht mit Rückzug ins Private oder Weltabgewandtheit, sondern - entgegen den persönlichen Neigungen - mit einer Philosophie der Tat.

Ausgewählte Werke

  • Europa und Asien, 1918 (fünfte, völlig neu gearbeitete Auflage, Leipzig 1930, mit dem Untertitel: Untergang der Erde am Geist)
  • Jäö oder wie ein Franzose auszog um in Hannover das "raanste" Deutsch zu lernen (Theodore le Singe), Hannover: Friedrich Gersbach Verlag 1919. Neu: Hannover: Schmorl & von Seefeld 2002, ISBN 3-936836-05-1
  • Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen, 1919, bzw. Leipzig: Reinicke Verlag 1927. Wieder: Matthes & Seitz, München 1983, ISBN 3-88221-219-5
  • Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs, 1925
  • Nietzsche, Berlin 1925 bzw. München: Matthes & Seitz 1985. Mit einem Nachwort von Rita Bischof, ISBN 3-88221-358-2
  • Meine Tiere, 1926
  • Blumen, 1928
  • Der jüdische Selbsthaß, 1930 bzw. Matthes & Seitz, München 2004, ISBN 3-88221-347-7[2]
  • Einmal und nie wieder. Erinnerungen, aus dem Nachlass herausgegeben 1935[3]
  • Die verfluchte Kultur, Matthes & Seitz 1981, ISBN 3-88221-325-6
  • Jörg Wollenberg (Hrsg.): Theodor Lessing – Ausgewählte Schriften. Donat Verlag Bremen
  • Band 1: Theodor Lessing: 'Bildung ist Schönheit' – Autobiographische Zeugnisse und Schriften zur Bildungsreform. Bremen 1995
  • Band 2: Theodor Lessing: 'Wir machen nicht mit!' – Schriften gegen den Nationalismus und zur Judenfrage. Bremen 1997
  • Band 3: Theodor Lessing: 'Theaterseele' und 'Tomi melkt die Moralkuh' – Schriften zu Theater und Literatur. Bremen 2003
  • Nachtkritiken. Kleine Schriften 1906-1907. Herausgegeben und kommentiert von Rainer Marwedel. Wallstein Verlag, Göttingen 2006, ISBN 978-3-89244-614-9

Über Lessing

  • August Messer, Der Fall Lessing, eine objektive Darstellung und kritische Würdigung, Bielefeld 1926
  • Ekkehard Hieronimus, Theodor Lessing, Otto Meyerhof, Leonard Nelson. Bedeutende Juden in Niedersachsen, hrsg. von der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, Hannover 1964
  • Lawrence Baron, Theodor Lessing: Between Jewish Self-Hatred and Zionism, in: Year Book XXVI Leo Baeck Inst. 1981
  • Ich warf eine Flaschenpost ins Eismeer der Geschichte. Sammelband mit Essays und Feuilletons, herausgegeben und eingeleitet von R. Marwedel, Luchterhand Verlag, Frankfurt am Main 1986
  • Rainer Marwedel: Theodor Lessing 1872-1933. Eine Biographie. Luchterhand Verlag, Frankfurt am Main 1987
  • Michael Kühntopf, Der im Judentum ignorierte Gott: Theodor Lessings religiöse Philosophie, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (ZRGG), Jahrgang 41, 1989
  • Helmut Heiber: Universität unterm Hakenkreuz. Teil 1: Der Professor im Dritten Reich. Bilder aus der akademischen Provinz. K.G. Saur, München 1991, S. 54-67, Anm. 514, S. 186ff.
  • Maja I. Siegrist: Theodor Lessing – Die entropische Philosophie – Freilegung und Rekonstruktion eines verdrängten Denkers. Peter Lang Verlag, Bern 1995
  • Julius H. Schoeps: Der ungeliebte Außenseiter. Zum Leben und Werk des Philosophen und Schriftstellers Th. L., in: Der Exodus aus Nazideutschland und die Folgen. Jüdische Wissenschaftler im Exil Hg. Marianne Hassler, Attempto, Tübingen 1997, ISBN 3893082654
  • Elke-Vera Kotowski: Feindliche Dioskuren – Theodor Lessing und Ludwig Klages – Das Scheitern einer Freundschaft. Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 2000

Weblinks

überarbeitete Übernahme von: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Theodor_Lessing&printable=yes (13.12.08)

Einzelnachweise

1 Vgl. Hindenburg, in: Prager Tagblatt, 25. April 1925.