Strafvollzug in der Schweiz

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Der Strafvollzug in der Schweiz ist nicht durch ein eigenes Gesetz geregelt. Laut Artikel 123 der Bundesverfassung ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts Sache des Bundes. Der Strafvollzug dagegen fällt in den Aufgabenbereich der Kantone, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Die Schweiz verfügt seit 1942 über ein einheitliches Strafrecht. Das Schweizerische Strafgesetzbuch (schwStGB) enthält strafvollzugsrechtliche Rahmenbestimmungen. Der Bundesgesetz-geber hat auf den Erlass eines Strafvollzugsgesetzes verzichtet. Nach über zwanzig Jahren Verfahren wurde die Revision des Strafgesetzbuches 2002 an-genommen. Das neue Strafgesetzbuch trat am 1. Januar 2007 in Kraft.


Sanktionskategorien: Strafen und Massnahmen

Allgemeines

Gemäss dem Schweizerischen Strafgesetzbuch gibt es zwei grosse Kategorien von straf-rechtlichen Sanktionen: einerseits Strafen und andererseits Massnahmen.

Strafen

Das Schweizerische Strafgesetzbuch sieht drei Arten von Strafen bei Verbrechen oder Ver-gehen vor: Freiheitsstrafe, Geldstrafe und gemeinnützige Arbeit. Jede dieser Strafen kann für eine bestimmte Frist bedingt oder teilbedingt verhängt werden. Bewährt sich der Verur-teilte bis Ablauf der Probezeit, so muss die Strafe oder der bedingte Teil der verhängten Strafe nicht mehr vollzogen werden. Bei Nichtbewährung kann die bedingte Strafe widerru-fen werden. Für Übertretungen sieht das Strafgesetzbuch zwei Arten von Strafen vor: Bussen und ge-meinnützige Arbeit.

Freiheitsstrafe

Freiheitsstrafen sind Sanktionen, die mit Entzug oder Beschränkung der selbstbestimmten Bewegungsfreiheit verbunden sind. Gemäss Artikel 40 ff. StGB beträgt die Dauer der Freiheitsstrafe in der Regel mindestens sechs Monate; die Höchstdauer beträgt 20 Jahre. Wo es das Gesetz ausdrücklich bestimmt, dauert die Freiheitsstrafe lebenslänglich. Das Gericht kann auf eine vollziehbare Freiheits-strafe von weniger als sechs Monaten nur erkennen, wenn die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe nicht gegeben sind. Freiheitsstrafen von höchstens 24 Monaten kann das Gericht auch bedingt aussprechen, Freiheitsstrafen von wenigstens einem bis höchstens drei Jahren auch teilbedingt.

Vollzug der Halbgefangenschaft

Die spezielle Vollzugsform der Halbgefangenschaft besteht aus einer Mischung von Freiheit und Gefangenschaft. In der Regel wird sie für Strafen bis zu einem Jahr verhängt. Der Verur-teilte setzt dabei beim Strafantritt seine bisherige Arbeit oder Ausbildung ausserhalb der An-stalt fort und verbringt die Ruhe- und Freizeit in der Anstalt (vgl. Art. 77b und 79 StGB).

Tageweiser Vollzug

Diese weitere privilegierende Vollzugsform stützt sich auf Artikel 79 StGB ab. Im tageweisen Vollzug können Freiheitsstrafen bis zu vier Wochen an den Wochenenden oder an Ferienta-gen vollzogen werden.

Geldstrafe

In Artikel 34 ff. des Strafgesetzbuchs wurden kurzfristige Freiheitsstrafen durch neue Strafen ohne Freiheitsentzug ersetzt: Geldstrafen und gemeinnützige Arbeit. Geldstrafen werden neu vom Gericht als Alternative zu einer Freiheitsstrafe von höchstens sechs Monaten verhängt. Sie können auch anstelle einer Freiheitsstrafe von sechs bis 12 Monaten angeordnet werden. Das Gericht bestimmt die Anzahl der Tagessätze nach dem Verschulden des Täters und die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen des Täters (ein Tagessatz beträgt höchstens 3'000 Franken).

Gemeinnützige Arbeit

Das Gericht kann als Alternative zu einer Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten oder anstelle einer Geldstrafe gemeinnützige Arbeit anordnen. Der Täter muss indessen die-ser Strafe zustimmen und sich verpflichten, die gemeinnützige Arbeit zu Gunsten sozialer Einrichtungen, Werken im öffentlichen Interesse oder hilfsbedürftiger Personen zu leisten. Vier Stunden gemeinnützige Arbeit entsprechen einem Tag Freiheitsstrafe oder einem Ta-gessatz Freiheitsstrafe.

Bussen und gemeinnützige Arbeit bei Übertretungen

Bei Übertretungen handelt es sich um mit Busse bedrohte Taten; der Höchstbetrag der Bus-se ist 10'000 Franken. Das Gericht kann mit Einverständnis des Täters anstelle der Busse gemeinnützige Arbeit von höchstens drei Monaten anordnen.

Massnahmen

Das Schweizerische Strafgesetzbuch kennt die folgenden Massnahmen: therapeutische Massnahmen, Verwahrung und andere Massnahmen. Massnahmen unterscheiden sich darin von Strafen, dass ihre Dauer nicht vom Verschulden des Täters, sondern vom mit der Massnahme verfolgten Zweck abhängt. Massnahmen sol-len grundsätzlich nur so lange dauern, wie ihre Vollstreckung unumgänglich ist, um die Gefahr der Rückfälligkeit abzuwenden und sofern sie Erfolgsaussichten bieten (Art. 56 StGB). Massnahmen werden vom Gericht in der Regel zusätzlich zu einer Strafe verhängt, sie kön-nen aber auch individuell angeordnet werden. Das Gericht stützt sich bei der Anordnung einer therapeutischen Massnahme oder Verwahrung auf eine sachverständige Begut-achtung. Die zuständige Behörde prüft gemäss Artikel 62d des Strafgesetzbuches mindestens einmal jährlich, ob und wann der Täter aus dem Vollzug der Massnahme bedingt zu entlassen ist. In schwerwiegenden Fällen müssen zudem das Gutachten eines unabhängigen Sachverstän-digen sowie die Stellungnahme einer Kommission, die aus Vertretern der Strafverfolgungs-behörden, der Strafvollzugsbehörden und der Psychiatrie besteht, vorliegen. Die Probezeit bei bedingter Entlassung dauert je nach Art der verhängten Massnahme ein bis fünf Jahre. Gemäss Artikel 90 des Strafgesetzbuches darf eine Person, die sich im Vollzug einer Mass-nahme befindet, nur ausnahmsweise ununterbrochen getrennt von den anderen Eingewie-senen untergebracht werden. Die eingewiesene Person beteiligt sich an der Erstellung des sie betreffenden Vollzugsplans. Ist sie arbeitsfähig, so wird sie zur Arbeit angehalten. Die angeordnete Massnahme kann nach einer bestimmten Frist in der Form des Arbeits- und Wohnexternats vollzogen werden.

Therapeutische Massnahmen

Behandlung von psychischen Störungen (Art. 59 StGB)

Diese Massnahme setzt voraus, dass zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind: Erstens muss der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen haben, das mit seiner psychischen Stö-rung in Zusammenhang steht; zweitens muss zu erwarten sein, dass sich dadurch der Ge-fahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen lasse. Der Vollzug der Massnahme erfolgt in der Regel in einer geeigneten psychiatrischen Einrich-tung oder in einer Massnahmevollzugseinrichtung. Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung be-handelt. Der mit der stationären Behandlung psychischer Störungen verbundene Freiheitsentzug be-trägt laut Strafgesetzbuch höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für eine Entlas-sung nicht gegeben, so kann das Gericht die Verlängerung der Strafe um jeweils fünf Jahre (bei Bedarf auf Lebenszeit) anordnen. Der Täter wird aus dem Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Die Pro-bezeit beträgt ein bis fünf Jahre und kann so oft wie notwendig verlängert werden. Bei Nicht-bewährung kann das Gericht die therapeutische Massnahme aufheben und eine neue Mass-nahme anordnen.

Suchtbehandlung (Art. 60 StGB)

Ziel dieser Massnahme ist es, das Rückfallrisiko eines von Suchtstoffen oder in anderer Wei-se abhängigen Täters verringern, welcher ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner Abhängigkeit in Zusammenhang steht, und bei welchem zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit der Abhängigkeit in Zusammenhang stehender Taten be-gegnen. Die Behandlung erfolgt in einer spezialisierten Einrichtung oder, wenn nötig, in einer psychia-trischen Klinik. Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchs-tens drei Jahre. Das Gericht kann die Massnahme einmal um ein weiteres Jahr verlängern. Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug darf im Fall der Verlängerung und der Rückversetzung nach der bedingten Entlassung die Höchstdauer von insgesamt sechs Jah-ren nicht überschreiten. Der Täter wird aus dem Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Die Pro-bezeit beträgt ein bis drei Jahre und kann um höchstens drei Jahre verlängert werden. Bei Nichtbewährung kann das Gericht die therapeutische Massnahme aufheben und eine neue Massnahme anordnen.

Massnahmen für junge Erwachsene (Art. 61 StGB)

Diese Massnahme soll kriminelle Handlungen junger Erwachsener von 18 bis 25 Jahren mit einer ihrem Alter angemessenen Sanktion ahnden. Massnahmen für junge Erwachsene zie-len auf Straftäter ab, die zwar hinsichtlich ihres biologischen Alters nicht mehr dem Jugend-strafrecht unterliegen, aber noch ähnliche Betreuungsbedürfnisse aufweisen. Alle Anstalten für junge Erwachsene wenden die anerkannten einschlägigen soziopädagogischen und the-rapeutischen Grundsätze an. Die Einweisung soll insbesondere die berufliche Aus- und Wei-terbildung des Täters fördern. Der Täter muss ein Verbrechen oder Vergehen begangen haben, das mit der schweren Stö-rung seiner Persönlichkeitsentwicklung zusammen hängt, und es muss zu erwarten sein, dass sich dadurch der Gefahr weiterer mit dieser Störung zusammen hängender Taten be-gegnen lasse. Gewalttätige und gefährliche jugendliche Straftäter dürfen nicht in einer Einrichtung für junge Erwachsene untergebracht werden. Einrichtungen für junge Erwachsene sind von den übri-gen Anstalten des Strafgesetzbuches getrennt zu führen. Der Täter wird aus dem Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Die Pro-bezeit beträgt ein bis drei Jahre und kann um höchstens drei Jahre verlängert werden. Bei Nichtbewährung kann das Gericht die therapeutische Massnahme aufheben und eine neue Massnahme anordnen. Im Übrigen ist die Massnahme spätestens dann aufzuheben, wenn der Täter das 30. Altersjahr vollendet hat.

Ambulante Behandlung (Art. 63 bis 63b)

Die ambulante Behandlung ist nicht an ein Verbrechen oder Vergehen des Täters gebunden, sondern kann für jede Art von Straftat angeordnet werden. Der Täter muss Motivation für die Behandlung zeigen, damit die Angemessenheit der Massnahme gewährleistet ist. Das Ge-richt ordnet die ambulante Massnahme mit oder ohne Aufschiebung des Vollzugs der ver-hängten Freiheitsstrafe an. In solchen Fällen wird die ambulante Massnahme im Rahmen einer Strafvollzugsanstalt vollzogen. Falls das Gericht die Strafe aufschiebt, kann der Verur-teilte an seinem üblichen Wohnsitz bleiben. Die Aufhebung bzw. die Verlängerung einer ambulanten Massnahme richten sich in der Re-gel nach den gleichen Grundsätzen wie die stationären Massnahmen. Rund die Hälfte der ambulanten Massnahmen betreffen von Suchtstoffen abhängige Perso-nen. In über drei Vierteln dieser Fälle wird eine Aufschiebung des Vollzugs der Freiheits-strafe beschlossen.

Verwahrung (Art. 64 bis 64b StGB)

Die Massnahme der Verwahrung dient in erster Linie der Sicherheit: Die Allgemeinheit soll vor Rückfällen strafrechtlich verurteilter Personen geschützt werden. Die Massnahme der Verwahrung ermöglicht eine unbefristete Freiheitsstrafe, um den Täter unschädlich zu ma-chen. Obwohl die Verwahrung die Ausschliessung des Verurteilten aus der Gesellschaft be-zweckt, kommt auch hier der für alle Freiheitsstrafen geltende Grundsatz der Resozialisie-rung zum Tragen. Der betroffene Täter hat das Recht, seine Strafe nach Möglichkeit unter normalen Lebensbedingungen zu verbüssen. Damit eine Verwahrungsmassnahme verhängt wird, müssen zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sein: Es muss sich um eine schwere Tat wie Mord oder Geiselnahme handeln, durch die der Täter die Integrität einer anderen Person beeinträchtigen wollte. Die zweite Voraus-setzung bezieht sich auf die gesetzliche Prognose betreffend den Täter, von welchem zu befürchten ist, dass er weitere Taten der gleichen Art begeht. Die Verwahrung kann nicht nur im Rahmen des ordentlichen Verfahrens, sondern auch nachträglich angeordnet werden, wenn sich bei einem Verurteilten aufgrund neuer Tatsa-chen zeigt, dass die oben erwähnten Voraussetzungen gegeben sind (Art. 65 Abs. 2 StGB). Im Gegensatz zu den therapeutischen Massnahmen geht der Vollzug einer Freiheitsstrafe immer der Verwahrung voraus. Die Verwahrung wird in einer geschlossenen Strafanstalt oder Strafvollzugsanstalt vollzogen. In der Regel wird die Verwahrung als lebenslängliche Massnahme vollzogen. Allerdings ist regelmässig zu prüfen, ob der Verurteilte bedingt entlassen werden oder eine stationäre the-rapeutische Behandlung beanspruchen kann. Die Aufhebung der Verwahrung erfolgt in Form einer bedingten Entlassung, sobald zu erwar-ten ist, dass der Täter sich in der Freiheit richtig verhält. Die Probezeit beträgt zwei bis fünf Jahre und kann verlängert werden. Nach der Annahme der Initiative «Lebenslängliche Verwahrung für nicht therapierbare, ex-trem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter» (Art. 123a BV) durch das Schweizer Stimm-volk mussten Artikel 64 ff. des Strafgesetzbuches präzisiert werden, um den Vollzug des Verfahrens der lebenslänglichen Verwahrung zu ermöglichen. Die normale Verwahrung und die lebenslängliche Verwahrung unterscheiden sich hinsicht-lich der geltenden Voraussetzungen für die bedingte Entlassung, nicht jedoch hinsichtlich der Dauer des Massnahmenvollzugs.

Andere Massnahmen (Art. 66 ff. StGB)

Das Gericht kann neben einer Strafe, einer therapeutischen Massnahme oder der Verwah-rung die folgenden weiteren Massnahmen anordnen: Berufsverbot, Fahrverbot, Veröffentli-chung des Urteils, Sicherungseinziehung oder Einziehung von Vermögenswerten, Ersatzfor-derungen und Verwendung zu Gunsten des Geschädigten. Das Gericht kann auch auf das besondere Instrument der Friedensbürgschaft zurückgreifen, welches weder eine Strafe noch eine Massnahme darstellt.

Anstalten

Allgemeines

In der Schweiz gibt es 115 Anstalten, die Strafen und strafrechtliche Massnahmen vollziehen. Die Anstalten dienen mehrheitlich nur der Untersuchungshaft, der Halbgefangenschaft und dem Vollzug kurzer Strafen. Für den Vollzug längerer Strafen und Massnahmen stehen rund dreissig mittlere bis grössere Einrichtungen zur Verfügung. Die meisten Anstalten ver-fügen über weniger als 100 Plätze; nur vier Anstalten weisen über 200 Plätze auf. Im Jahr 2007 beherbergten die Anstalten in der Schweiz gemäss Strafvollzugsstatistik am Stichtag (18.10.2007) 5'715 Gefangene. Davon waren 40 % nicht verurteilt (1'653 Personen in Untersuchungshaft, 403 in Ausschaffungs- oder Auslieferungshaft). Nur 5,5 % davon wa-ren Frauen.

Anstaltstypen

Das Schweizerische Strafgesetzbuch schreibt den Kantonen die beiden Anstaltstypen vor, welche sie zur Verfügung stellen müssen: geschlossene und offene Strafanstalten (Art. 76 StGB). Das Bundesrecht verlangt nicht, dass diese beiden Anstaltstypen unabhängig vonei-nander betrieben werden. Eine geschlossene Anstalt kann über eine offene Abteilung verfü-gen, eine offene Anstalt über eine geschlossene Abteilung. Dagegen sind die therapeuti-schen Einrichtungen von den Einrichtungen des Strafvollzugs getrennt zu führen (Art. 58 Abs. 2 StGB). Die Kantone haben die Möglichkeit, Anstalten gemeinsam zu errichten oder zu betreiben. Zudem können sie privat geführte Einrichtungen mit dem Strafvollzug in der Form der Halb-gefangenschaft oder des Arbeitsexternats sowie mit dem Vollzug der therapeutischen Mass-nahmen beauftragen (Art. 379 StGB). Die Kantone können, falls sie es wünschen, getrennte Abteilungen für besondere Gefange-nengruppen führen, z.B. Frauen, Gefangene bestimmter Altersgruppen, Gefangene mit sehr langen oder sehr kurzen Strafen oder Verurteilte, die intensiv betreut werden müssen (Art. 377 Abs. 2 StGB). In der Praxis besteht eine strenge Trennung der weiblichen und männlichen Gefangenen, obwohl keine Gesetzesbestimmung dies explizit vorschreibt.

Geschlossene Anstalten

Ein Verurteilter wird in eine geschlossene Anstalt oder in eine geschlossene Abteilung einer offenen Anstalt eingewiesen, wenn die Gefahr besteht, dass er flieht, oder zu befürchten ist, dass er weitere Straftaten begeht. Entscheidendes Kriterium ist das Ausmass an Sicherung, dem der Gefangene unterworfen werden muss. Geschlossene Anstalten müssen durch bau-liche, technische, organisatorische und personelle Mittel gewährleisten, dass sich die Gefan-genen nicht durch Flucht oder durch die Begehung weiterer Straftaten dem Strafvollzug ent-ziehen.

Offene Anstalten

Wenn nicht zu befürchten ist, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in eine offene Einrichtung eingewiesen. Einfache abschreckende Massnahmen zur Verhinde-rung der Flucht sowie weitere Verfahren gewährleisten eine effiziente Präsenzkontrolle.

Allgemeine Grundsätze des Straf- und Massnahmenvollzugs

Allgemeines

Das Strafgesetzbuch verankert zwei verfassungsmässige Grundlagen: den Grundsatz der Achtung der Menschenwürde sowie jenen der freien Rechtsausübung durch den Gefange-nen, dessen Rechte nur so weit beschränkt werden dürfen, als der Freiheitsentzug und das Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung es erfordern (Art. 74 StGB). Das Strafgesetzbuch ergänzt diese grundlegenden Prinzipien um die allgemeinen Strafvoll-zugsgrundsätze (Art. 75 Abs. 1 StGB): Rückfallverhütung nach dem Vollzug, Normalisierung, Bekämpfung der schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs, Fürsorgepflicht und Rückfallver-hütung während des Freiheitsentzugs. Keiner dieser Grundsätze ist gegenüber den anderen vorrangig.

Allgemeine Grundsätze

Rückfallverhütung nach dem Vollzug

Die Rückfallgefahr lässt sich nur dann dauerhaft verringern, wenn die Gefangenen nach der Freilassung echte soziale Kompetenzen besitzen, die ihnen ein straffreies Leben ermögli-chen können. Dazu muss der Strafvollzug die Fähigkeit des Gefangenen fördern, straffrei zu leben. Der Strafvollzug wirkt also auf die Persönlichkeit und das Verhalten des Gefangenen ein. Ferner schreibt der Strafvollzug Vorkehrungen vor, welche das künftige soziale Umfeld des entlassenen Gefangenen stabilisieren sollen (Ehepartner, Familie, weitere Sozialkontakte).

Normalisierung der Haftvoraussetzungen

Die Normalisierung des Anstaltslebens darf als ein allgemein anerkanntes, zentrales straf-vollzugspolitisches Konzept bezeichnet werden. Darunter wird die Angleichung der Verhält-nisse im Anstaltsalltag an jene ausserhalb der Anstalt verstanden, insbesondere durch die Schaffung realitätskonformer Anforderungen an die Verurteilten. Der Alltag in der Anstalt soll damit zu einem Lernfeld für soziales Verhalten werden und so günstige Voraussetzungen für die Entlassung schaffen.

Bekämpfung von schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs

Dieser Grundsatz trägt den Grenzen der Normalisierung der Haftbedingungen Rechnung, weil die Aussenwelt sich nie eins zu eins innerhalb einer Strafanstalt reproduzieren lässt. Es ist alles daran zu setzen, um die Isolierung des Gefangenen von der Aussenwelt nach Mö-glichkeit aufzuheben; insbesondere müssen die dem Gefangenen förderlichen Sozialkon-takte begünstigt werden.

Fürsorgepflicht

Die Strafvollzugsbehörden sind verpflichtet, dem Gefangenen ein gleichwertiges Angebot, wie er es ausserhalb der Strafanstalt wahrnehmen könnte, zur Verfügung zu stellen. Die er-forderliche Fürsorge umfasst die ärztliche Versorgung sowie soziale, religiöse, wirtschaftliche und rechtliche Hilfe.

Rückfallverhütung während des Freiheitsentzugs

Dieser Grundsatz bezieht sich auf die Probleme, welche die Gefangenen für die interne Si-cherheit der Strafanstalt darstellen. Dem Schutz der Allgemeinheit, des Vollzugspersonals und der Mitgefangenen ist dabei Rechnung zu tragen.

Mittel zur Anwendung der allgemeinen Grundsätze

Die hauptsächlichen verfügbaren Mittel zur Gewährleistung der Anwendung der vorge-nannten Grundsätze, besonders zur Verhütung der Rückfallgefahr, werden unten aufgeführt.

Vollzugsplan

Laut Strafgesetzbuch müssen die Kantone in ihren Anstaltsordnungen vorsehen, dass zu-sammen mit dem Gefangenen ein individueller Vollzugsplan erstellt wird. Dieser enthält An-gaben über die angebotene Betreuung, die Arbeits- sowie die Ausbildungsmöglichkeiten, die Wiedergutmachung, die Beziehungen zur Aussenwelt und die Vorbereitung der Entlassung (Art. 75 Abs. 3 StGB).

Arbeits- und Wohnexternat

Verhält sich der Inhaftierte entsprechend den Vorgaben des Vollzugsplan, so kommt eine Straflockerung in Betracht (stufenweiser Vollzug), z.B. das Arbeits- und Wohnexternat (Art. 77a StGB). Wenn der Gefangene einen Teil der Freiheitsstrafe, in der Regel die Hälfte, verbüsst hat und nicht zu erwarten ist, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht, kann er ausserhalb der Anstalt arbeiten. Die Ruhe- und Freizeit dagegen verbringt er in der Anstalt. Bewährt sich der Verurteilte im Arbeitsexternat, so erfolgt der weitere Vollzug in Form des Wohn- und Arbeitsexternats.

Bedingte Entlassung und Bewährungshilfe

Hat der Verurteilte im Minimum zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate ver-büsst, so ist er in der Praxis bedingt zu entlassen, sofern sein Verhalten im Strafvollzug es rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder und Vergehen be-gehen (Art. 86 Abs. 1 StGB). Für diese letzte Vollzugsstufe wird eine Probezeit von einem bis fünf Jahren festgelegt, während der ein bedingt Entlassener in den stationären Vollzug zurückversetzt werden kann, wenn er sich in der Freiheit nicht bewährt. Für diese Zeit wird in der Regel die so genannte Schutzaufsicht (Bewährungshilfe) angeord-net (Art. 87 Abs. 2 StGB). Mit der Bewährungshilfe sollen die betreuten Personen vor Rück-fälligkeit bewahrt und sozial integriert werden (Art. 93 Abs. 1 StGB). Heute verfügen prak-tisch alle kantonalen Schutzaufsichtsämter über spezialisierte Sozialdienste, die zur Straf-rechtspflege gehören. Die Bewährungshilfe hat in erster Linie den Auftrag, typische Leistun-gen des normalen Alltagslebens anzubieten, d.h. eine Wohnung und einen Arbeitsplatz zu finden und die finanziellen Verhältnisse ins Lot zu bringen.

Arbeit und Arbeitsentgelt

Angesichts der grundlegenden Bedeutung der Arbeit für die gesellschaftliche Integration je-des Bürgers stellt die Berufstätigkeit einen Grundpfeiler des Strafvollzugs in der Schweiz dar. Das Strafgesetzbuch schreibt vor, dass der Gefangene zur Arbeit verpflichtet ist. Diese Ar-beit hat so weit als möglich seinen Fähigkeiten, seiner Ausbildung und seinen Neigungen zu entsprechen (Art. 81 Abs. 1 StGB). Alle Anstalten für den Vollzug längerer Strafen verfügen deshalb in der Regel über zeitge-mäss eingerichtete Werkstätten, in denen auch Berufs- oder Anlehren absolviert werden können. Die Werkstätten dienen auch dem Unterhalt der Anstalt. Den meisten grösseren Anstalten ist zudem ein Landwirtschaftsbetrieb angegliedert, vielen eine Gärtnerei. Teilweise existieren Spezialprogramme für leistungsschwache Insassen. Gemäss Artikel 83 StGB erhält der Gefangene ein von seiner Leistung abhängiges Entgelt, das jedoch nicht dem auf dem Arbeitsmarkt üblichen Lohn entspricht. Artikel 380 StGB sieht nämlich vor, dass der Verurteilte an den Vollzugskosten beteiligt wird, und zwar durch deren Verrechnung mit seiner Arbeitsleistung. Überdies kann er nur über einen Teil seines Arbeits-entgelts frei verfügen. Aus dem anderen Teil wird eine Rücklage für die Zeit nach der Entlas-sung gebildet.

Ausbildung

Gemäss Artikel 82 StGB ist dem Gefangenen nach Möglichkeit Gelegenheit zu einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Ausbildung und Fortbildung zu geben. Diese Option wird indes-sen selten wahrgenommen, obwohl die grossen Anstalten die Möglichkeit anbieten, eine Lehre oder Anlehre zu absolvieren. Gleiches gilt für den noch wenig entwickelten Bereich der Weiterbildung.

Beziehungen zur Aussenwelt (Art. 84 StGB)

Die Schweiz hat seit langem anerkannt, dass die Erhaltung der Kontakte zur Aussenwelt für die Verurteilten sehr wichtig sind. Diese Kontakte werden über den Bezug von Presseer-zeugnissen und den Empfang von Radio und Fernsehen aufrechterhalten, ferner auch durch persönliche Kontakte (Briefe, Telefonverbindungen, Besuche). Besonders gefördert werden die Beziehungen der Gefangenen zu ihrer Familie und zum Bekanntenkreis. Der Vollzugs-zweck, die Anstaltsordnung und Sicherheitserwägungen setzen diesen Kontakten allerdings Grenzen.

  1. Gefangenenbesuche

Das Strafgesetzbuch verankert das Recht des Gefangenen, Besuche zu empfangen, beson-ders von Familienangehörigen und Freunden (Art. 84 Abs. 1 StGB). Die Bedingungen für die Besuche von ausserhalb werden in den Anstaltsordnungen präzisiert. In der Regel hat der Gefangene Anspruch auf einen Besuch von mindestens einer Stunde pro Woche. In den grossen Strafanstalten finden die Besuche meistens in einem grossen Gemeinschaftssaal statt, was persönliche, intimere Gespräche beeinträchtigen kann. Ferner sind die Anstaltsleitungen bestrebt, die Aussenwelt etwas in das Anstaltsleben zu integrieren, indem etwa Sportwettkämpfe zwischen Gefangenen- und anderen Mannschaften organisiert werden oder indem Gefangene gemeinsam mit Schauspielern Theaterstücke ein-studieren. b) Urlaube Urlaube bilden das wichtigste Instrument zur Erhaltung der Kontakte mit der Aussenwelt. Artikel 84 Abs. 6 StGB legt diesen Grundsatz nieder, ohne jedoch die Gewährung von Urlau-ben im Einzelnen zu regeln. Laut dieser Bestimmung hat der Gefangene Recht auf Urlaub, sofern sein Verhalten im Strafvollzug dem nicht entgegensteht und keine Gefahr besteht, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht. Die Bedingungen für die Gewährung von Urlauben (Beziehungsurlaub oder Ausgang, Sach-urlaub oder Bewilligungen) sind im Kantonsrecht meistens summarisch geregelt. Im Übrigen sind die Richtlinien der Strafvollzugskonkordate anwendbar. Das letzte Wort für die Urlaubs-gewährung behält in jedem Fall die Strafvollzugsbehörde. In der Praxis werden Urlaube in einer offenen Anstalt allgemein routinemässig bewilligt. In einer geschlossenen Anstalt da-gegen werden Urlaube nur im Rahmen einer äusserst genauen Planung genehmigt.

  1. Urlaube

Urlaube bilden das wichtigste Instrument zur Erhaltung der Kontakte mit der Aussenwelt. Artikel 84 Abs. 6 StGB legt diesen Grundsatz nieder, ohne jedoch die Gewährung von Urlau-ben im Einzelnen zu regeln. Laut dieser Bestimmung hat der Gefangene Recht auf Urlaub, sofern sein Verhalten im Strafvollzug dem nicht entgegensteht und keine Gefahr besteht, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht. Die Bedingungen für die Gewährung von Urlauben (Beziehungsurlaub oder Ausgang, Sach-urlaub oder Bewilligungen) sind im Kantonsrecht meistens summarisch geregelt. Im Übrigen sind die Richtlinien der Strafvollzugskonkordate anwendbar. Das letzte Wort für die Urlaubs-gewährung behält in jedem Fall die Strafvollzugsbehörde. In der Praxis werden Urlaube in einer offenen Anstalt allgemein routinemässig bewilligt. In einer geschlossenen Anstalt da-gegen werden Urlaube nur im Rahmen einer äusserst genauen Planung genehmigt.