Punitivität: Unterschied zwischen den Versionen

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In der [[Kritische Kriminologie | kritischen Kriminologie]] verlaufen die Diskussionslinien anders: Stellenweise wird eine Kriminologie, die sich nicht in erster Linie um die Delegitimierung von Strafbedürfnissen bemüht, des Populismus geziehen. In anderen Teilen der kritischen Kriminologie wird Punitivität als neuer »Schlüsselbegriff« (Lautmann und Klimke 2004) gehandelt. Einerseits ist man damit in der Lage, nicht nur den Täter und seine Taten (das klassische Arbeitsfeld der administrativen Kriminologie) zu thematisieren, sondern auch die gesellschaftliche Reaktion darauf: Gesellschaftliche Verhältnisse und die Instanzen sozialer Kontrolle werden wieder Gegenstand der Diskussion. Andererseits berührt Punitivität auch Fragen der Menschen- und Bürgerrechte, die das Thema auch für eine Diskussion mit größerer Öffentlichkeitswirkung attraktiv werden lassen. Der Begriff steht daher in einer Tradition mit dem des [[Abolitionismus]], der um 1980 ähnliche Anstöße geben konnte.
In der [[Kritische Kriminologie | kritischen Kriminologie]] verlaufen die Diskussionslinien anders: Stellenweise wird eine Kriminologie, die sich nicht in erster Linie um die Delegitimierung von Strafbedürfnissen bemüht, des Populismus geziehen. In anderen Teilen der kritischen Kriminologie wird Punitivität als neuer »Schlüsselbegriff« (Lautmann und Klimke 2004) gehandelt. Einerseits ist man damit in der Lage, nicht nur den Täter und seine Taten (das klassische Arbeitsfeld der administrativen Kriminologie) zu thematisieren, sondern auch die gesellschaftliche Reaktion darauf: Gesellschaftliche Verhältnisse und die Instanzen sozialer Kontrolle werden wieder Gegenstand der Diskussion. Andererseits berührt Punitivität auch Fragen der Menschen- und Bürgerrechte, die das Thema auch für eine Diskussion mit größerer Öffentlichkeitswirkung attraktiv werden lassen. Der Begriff steht daher in einer Tradition mit dem des [[Abolitionismus]], der um 1980 ähnliche Anstöße geben konnte.


Gegen Ende des 20. Jahrhunderts begann nach verbreiteter Ansicht eine Renaissance der Punitivität. Dazu erklärte der Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer: ''„Nicht die Strafe verlangt in unseren Tagen Nachdenken und Rechtfertigung, sondern die Frage nach ihr und Kritik an ihr [. . .] Dass Strafe sein muss, ist den Leuten normalerweise nicht nur klar und einleuchtend, sondern spricht ihnen auch aus dem Herzen, Strafe passt. Heute muß man vielmehr erklären, warum wir auf ein bestimmtes Problem nicht mit Strafe antworten.“'' (Stehr, 2000, S. 104)


Gegenwärtig erleben wir eine '''Renaissance der Punitivität'''.<br>
In einer Tagungsankündigung des Arbeitskreises Junger Kriminologen hieß es dazu: "Der Ruf nach härteren Strafen flackert allerorts auf.  Bevölkerung und Politik sind sich einig: Es muß mehr und härter bestraft werden.<br>
Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer sagt dazu: ''„Nicht die Strafe verlangt in unseren Tagen Nachdenken und Rechtfertigung, sondern die Frage nach ihr und Kritik an ihr [. . .] Dass Strafe sein muss, ist den Leuten normalerweise nicht nur klar und einleuchtend, sondern spricht ihnen auch aus dem Herzen, Strafe passt. Heute muß man vielmehr erklären, warum wir auf ein bestimmtes Problem nicht mit Strafe antworten.“'' (Stehr, 2000, S. 104)
 
 
Zu einer Bestandsaufnahme der „machtvollen Tendenz“ in Richtung auf Punitivität lud der <u>Arbeitskreis Junger KriminologInnen (AJK)</u> vom  11. bis 13.09.2003 zu einem Symposium in Hamburg ein – Thema: '''''„Die neue Straflust“'''''.
 
 
Der Ruf nach härteren Strafen flackert allerorts auf.  Bevölkerung und Politik sind sich einig: Es muß mehr und härter bestraft werden.<br>
Die Politik greift damit Punitivierungen in den Bevölkerungsmeinungen auf, die einen zu laschen Umgang mit Straftätern und eine überbordende Kriminalitätsbedrohung anklagen. Auch angeheizt durch Medienberichterstattungen zu spektakulären Verbrechen artikulieren sich Strafbedürfnisse als Ausdruck von Kriminalitätsfurcht. Nur Wissenschaft und Instanzen zögern (noch), ist ihr Personal doch zu liberalen Zeiten ins Amt gekommen.<br>
Die Politik greift damit Punitivierungen in den Bevölkerungsmeinungen auf, die einen zu laschen Umgang mit Straftätern und eine überbordende Kriminalitätsbedrohung anklagen. Auch angeheizt durch Medienberichterstattungen zu spektakulären Verbrechen artikulieren sich Strafbedürfnisse als Ausdruck von Kriminalitätsfurcht. Nur Wissenschaft und Instanzen zögern (noch), ist ihr Personal doch zu liberalen Zeiten ins Amt gekommen.<br>
Parolen wie „Wegschließen, und zwar für immer“ oder „Raus, und zwar sofort“ waren vom Bundeskanzler ebenso wie auf der politischen Rechte zu hören und wurden nur von wenigen Journalisten kritisiert. Kriminalitätsfurcht wird seitdem als ein die Wahlen mitentscheidendes Thema behandelt.<br>
Parolen wie „Wegschließen, und zwar für immer“ oder „Raus, und zwar sofort“ waren vom Bundeskanzler ebenso wie auf der politischen Rechte zu hören und wurden nur von wenigen Journalisten kritisiert. Kriminalitätsfurcht wird seitdem als ein die Wahlen mitentscheidendes Thema behandelt.<br>
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