Kriminalprognose: Unterschied zwischen den Versionen

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Innerhalb der Individualprognosen unterscheidet man zwischen intuitiven, klinischen und statistischen Prognosemethoden. Intuitive Prognosen sind wenig transparent in ihrem Zustandekommen, klinische und statistische gehen immer häufiger ineinander über. Das Risiko klinischer Prognosen wird in der Tendenz zur Überbewertung des Individuellen, das der statistischen in der Tendenz zur Ausblendung von Ausnahmekonstellationen und protektiven Faktoren im Einzelfall gesehen. Insofern ist der Versuch einer Kombination von statistisch basierten "aktuarischen" Verfahren und klinischen Anreicherungen mit Besonderheiten des Einzelfalls ein denkbarer Weg zur Kombination der Vorteile beider Vorgehensweisen (vgl. Dahle 2005; Pollähne 2006: 241 ff.).
Innerhalb der Individualprognosen unterscheidet man zwischen intuitiven, klinischen und statistischen Prognosemethoden. Intuitive Prognosen sind wenig transparent in ihrem Zustandekommen, klinische und statistische gehen immer häufiger ineinander über. Das Risiko klinischer Prognosen wird in der Tendenz zur Überbewertung des Individuellen, das der statistischen in der Tendenz zur Ausblendung von Ausnahmekonstellationen und protektiven Faktoren im Einzelfall gesehen. Insofern ist der Versuch einer Kombination von statistisch basierten "aktuarischen" Verfahren und klinischen Anreicherungen mit Besonderheiten des Einzelfalls ein denkbarer Weg zur Kombination der Vorteile beider Vorgehensweisen (vgl. Dahle 2005; Pollähne 2006: 241 ff.).


Eine weitere Unterscheidung wird zwischen internen und externen Prognosen getroffen. Wenn der Entscheider selbst die Prognose abgibt (oder wenn er sie von Bediensteten in seinem Bereich erstellen lässt), kann man von internen Prognosen sprechen, wenn er sie durch die Vergabe eines Gutachtens an Dritte einholt, kann man von externen Prognosen sprechen. Externe, d.h. nicht von Anstaltsbediensteten, sondern von außenstehenden Experten erstellte Gutachten sind im deutschen Recht zwingend vorgeschrieben, wenn es um besonders folgenreiche Entscheidungen über Freiheit oder Unfreiheit geht, also etwa bei Entscheidungen über die Einweisung in den Maßregelvollzug oder in die Sicherungsverwahrung, über Lockerungen und Entlassungen aus dem Maßregelvollzug, über die Entlassung aus lebenslanger Haft oder um das Aussetzen von Reststrafen zur Bewährung bei Sexual- und Gewaltstraftätern.In der Regel werden die Prognosen von PsychologInnen oder (forensischen) PsychiaterInnen erstellt. Manche Prognoseinstrumente zielen auf die einfachere Handhabbarkeit auch durch nicht psychologisch-psychiatrisch ausgebildetes Personal ab.
Eine weitere Unterscheidung wird zwischen internen und externen Prognosen getroffen. Wenn der Entscheider selbst die Prognose abgibt (oder wenn er sie von Bediensteten in seinem Bereich erstellen lässt), kann man von internen Prognosen sprechen, wenn er sie durch die Vergabe eines Gutachtens an Dritte einholt, kann man von externen Prognosen sprechen. Externe, d.h. nicht von Anstaltsbediensteten, sondern von außenstehenden Experten erstellte Gutachten sind im deutschen Recht zwingend vorgeschrieben, wenn es um besonders folgenreiche Entscheidungen über Freiheit oder Unfreiheit geht, also etwa bei Entscheidungen über die Einweisung in den Maßregelvollzug oder in die Sicherungsverwahrung, über Lockerungen und Entlassungen aus dem Maßregelvollzug, über die Entlassung aus lebenslanger Haft oder um das Aussetzen von Reststrafen zur Bewährung bei Sexual- und Gewaltstraftätern.In der Regel werden die Prognosen von PsychologInnen oder (forensischen) PsychiaterInnen erstellt. Manche Prognoseinstrumente zielen auf die einfachere Handhabbarkeit auch durch nicht psychologisch-psychiatrisch ausgebildetes Personal ab - so z.B. der P-SCAN (Psychopathy Scan) von Hare und Hervé (1999) oder das vom deutschen Kriminologen Michael Bock entwickelte MIVEA.


Interne Prognosen werden häufig erstellt, wenn es um die Aufnahme in eine sozialtherapeutische Abteilung, über Lockerungen oder Urlaub aus der Strafhaft oder um sonstige Entscheidungen über die Modalitäten der Haft geht.
Interne Prognosen werden häufig erstellt, wenn es um die Aufnahme in eine sozialtherapeutische Abteilung, über Lockerungen oder Urlaub aus der Strafhaft oder um sonstige Entscheidungen über die Modalitäten der Haft geht.
Es gibt auch Instrumente für sog. nichtklinische Laien. So etwa den P-SCAN (Psychopathy Scan) von Hare und Hervé (1999) oder das vom deutschen Kriminologen Michael Bock entwickelte MIVEA.


Sachverständige werden aufgrund eines Beschlusses des jeweils zuständigen Gerichts beauftragt, um das Gericht zu beraten. Die Sachverständigen-Äußerung ersetzt aber nicht die Entscheidung des Gerichts. Der Rechtsanwender - also das Gericht, die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Justizvollzugsanstalt als Vollzugsbehörde - muss die entscheidungserheblichen Erwägungen des Prognostikers für die eigene Entscheidungsfindung nutzbar machen und seiner eigenen (wiederum gerichtlich überprüfbaren und gegebenenfalls anfechtbaren) Entscheidung zugrunde legen. Während Gutachten das Risiko auf einem Kontinuum verorten, ist der Rechtsanwender zu einer Ja/Nein-Entscheidung genötigt: ist die Prognose "günstig genug" oder ist sie es nicht, um eine bestimmte Entscheidung zu tragen? „Der Umschlagspunkt zwischen günstig und ungünstig ist nicht naturgegeben. Der Rechtsanwender hat die Grundlagen für den Ort des Umschlagspunktes zu ermitteln und diesen dann selbst zu bestimmen“ (Volckart 2006). Der forensische Prognostiker ist zwar nicht Entscheider. Gleichwohl wird i. d. R. seine Prognoseerwägung der formalen Entscheidung z. B. über den Fortgang der Freiheitsentziehung innewohnen.
Sachverständige werden aufgrund eines Beschlusses des jeweils zuständigen Gerichts beauftragt, um das Gericht zu beraten. Die Sachverständigen-Äußerung ersetzt aber nicht die Entscheidung des Gerichts. Der Rechtsanwender - also das Gericht, die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Justizvollzugsanstalt als Vollzugsbehörde - muss die entscheidungserheblichen Erwägungen des Prognostikers für die eigene Entscheidungsfindung nutzbar machen und seiner eigenen (wiederum gerichtlich überprüfbaren und gegebenenfalls anfechtbaren) Entscheidung zugrunde legen. Während Gutachten das Risiko auf einem Kontinuum verorten, ist der Rechtsanwender zu einer Ja/Nein-Entscheidung genötigt: ist die Prognose "günstig genug" oder ist sie es nicht, um eine bestimmte Entscheidung zu tragen? „Der Umschlagspunkt zwischen günstig und ungünstig ist nicht naturgegeben. Der Rechtsanwender hat die Grundlagen für den Ort des Umschlagspunktes zu ermitteln und diesen dann selbst zu bestimmen“ (Volckart 2006). Der forensische Prognostiker ist zwar nicht Entscheider. Gleichwohl wird i. d. R. seine Prognoseerwägung der formalen Entscheidung z. B. über den Fortgang der Freiheitsentziehung innewohnen.
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