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Die von ihm geforderte Umgestaltung der blinden, triebartigen Reaktion auf Devianz als Ausfluss des Arterhaltungstriebes in zielbewussten Rechtsgüterschutz richtete sich seines Erachtens gegen relative Theorien, da der absolute Ursprung der Strafe betont würde. Die Strafe sei nicht hervorgebracht durch den Zweckgedanken, sondern unabhängig von diesem und würde diesem in der menschlichen Kulturgeschichte vorausgehen. Von Liszt begründete seine Ansicht der Strafe als Triebhandlung damit, dass diese in der Urgeschichte aller Völker und sogar in der Tierwelt vorkäme. Seinen entwicklungstheoretischen Ansatz hin zu einer Selektionstheorie darwinistischer Prägung konkretisierte er mit der Feststellung, dass sich die Strafe von der Triebhandlung zur Willenshandlung weitergebildet habe. Diese Entwicklung sei vom Zweckgedanken getragen. Mit der Einforderung desselben bekämpfe er daher auch die absoluten Theorien. Somit sah er sein Werk als „Vereinigungstheorie“ an, obwohl er als führender Vertreter der soziologischen Strafrechtsschule galt.
Die von ihm geforderte Umgestaltung der blinden, triebartigen Reaktion auf Devianz als Ausfluss des Arterhaltungstriebes in zielbewussten Rechtsgüterschutz richtete sich seines Erachtens gegen relative Theorien, da der absolute Ursprung der Strafe betont würde. Die Strafe sei nicht hervorgebracht durch den Zweckgedanken, sondern unabhängig von diesem und würde diesem in der menschlichen Kulturgeschichte vorausgehen. Von Liszt begründete seine Ansicht der Strafe als Triebhandlung damit, dass diese in der Urgeschichte aller Völker und sogar in der Tierwelt vorkäme. Seinen entwicklungstheoretischen Ansatz hin zu einer Selektionstheorie darwinistischer Prägung konkretisierte er mit der Feststellung, dass sich die Strafe von der Triebhandlung zur Willenshandlung weitergebildet habe. Diese Entwicklung sei vom Zweckgedanken getragen. Mit der Einforderung desselben bekämpfe er daher auch die absoluten Theorien. Somit sah er sein Werk als „Vereinigungstheorie“ an, obwohl er als führender Vertreter der soziologischen Strafrechtsschule galt.
===Objektivierung der Strafe===
===Objektivierung der Strafe===
Unter der „Objektivierung der Strafe“  verstand von Liszt den vollständigen Übergang der Funktion des Strafens von den am sozialen Konflikt beteiligten Kreise auf  unbeteiligte, unbefangen prüfende Organe. Mit der ausschließlichen Aufnahme von Strafverfahren von Amts wegen sei die Verstaatlichung der Strafe eingetreten. Durch die Erklärung der rechtlich geschützten Interessen zu Rechtsgütern und die Katalogisierung der Normen werde eine Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt erreicht. Damit werde ein „Bollwerk“ des Staatsbürgers gegenüber der Staatsgewalt geschaffen und der erste Schritt zur Prävention sei getan. Gleichzeitig würde die Strafe mit der beginnenden Objektivierung Maß und Ziel gewinnen, die Blutrache würde abgeschafft. Der Verbrecher, selbst Träger von Rechtsgütern, würde durch diese Art der Strafe in seinen Rechten zwar geschmälert, sie würden aber nicht gänzlich beschnitten. Nach von Liszts Ansicht war die Einsicht in die Wirkungen der Strafe durch eine unbefangene Betrachtung derselben die Grundvoraussetzung für die Anpassung der Strafe an den Zweckgedanken und damit die Umwandlung ihrer Funktion in den Rechtsgüterschutz.  
Unter „Objektivierung der Strafe“  verstand von Liszt den vollständigen Übergang der Funktion des Strafens von den am sozialen Konflikt beteiligten Kreise auf  unbeteiligte, unbefangen prüfende Organe. Mit der ausschließlichen Aufnahme von Strafverfahren von Amts wegen sei die Verstaatlichung der Strafe eingetreten. Durch die Erklärung der rechtlich geschützten Interessen zu Rechtsgütern und die Katalogisierung der Normen werde eine Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt erreicht. Damit werde ein „Bollwerk“ des Staatsbürgers gegenüber der Staatsgewalt geschaffen und der erste Schritt zur Prävention sei getan. Gleichzeitig würde die Strafe mit der beginnenden Objektivierung Maß und Ziel gewinnen, die Blutrache würde abgeschafft. Der Verbrecher, selbst Träger von Rechtsgütern, würde durch diese Art der Strafe in seinen Rechten zwar geschmälert, sie würden aber nicht gänzlich beschnitten. Nach von Liszts Ansicht war die Einsicht in die Wirkungen der Strafe durch eine unbefangene Betrachtung derselben die Grundvoraussetzung für die Anpassung der Strafe an den Zweckgedanken und damit die Umwandlung ihrer Funktion in den Rechtsgüterschutz.
 
===Das Maß der Strafe===
===Das Maß der Strafe===
Das im Verbrechen innewohnende Recht des Bürgervertrages habe laut von Liszt die Ausstoßung aus der Rechtsgemeinschaft zur Folge. Um in der Rechtsgemeinschaft bleiben zu können, müsse der Verbrecher eine Strafleistung erbringen. Von Liszt sprach in diesem Zusammenhang von einem „Abbüßungsvertrag“, der die Objektivierung der Strafe durch den Zweckgedanken, aus dem sich das Maß der Strafe ergäbe, darstelle. Es wurden zwei Gesichtspunkte zur Ermittlung der gerechten Strafe unterschieden. Zum einen handelte es sich dabei um den objektiven, der sich aus der Schwere der Rechtsgüterverletzung ergäbe und der bei der Aufstellung des Strafrahmens  Berücksichtigung zu finden habe und zum anderen um den subjektiven, der sich aus der Willensrichtung des Täters ergäbe und bei der Unterteilung der Strafrahmen und bei der Strafausmessung innerhalb des Strafrahmens verwendet werden solle. Bei der Gerechtigkeit im Strafrecht handele es sich um die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderlichen Strafmaßes, d.h. nur die notwendige Strafe sei gerecht.
Das im Verbrechen innewohnende Recht des Bürgervertrages habe laut von Liszt die Ausstoßung aus der Rechtsgemeinschaft zur Folge. Um in der Rechtsgemeinschaft bleiben zu können, müsse der Verbrecher eine Strafleistung erbringen. Von Liszt sprach in diesem Zusammenhang von einem „Abbüßungsvertrag“, der die Objektivierung der Strafe durch den Zweckgedanken, aus dem sich das Maß der Strafe ergäbe, darstelle. Es wurden zwei Gesichtspunkte zur Ermittlung der gerechten Strafe unterschieden. Zum einen handelte es sich dabei um den objektiven, der sich aus der Schwere der Rechtsgüterverletzung ergäbe und der bei der Aufstellung des Strafrahmens  Berücksichtigung zu finden habe und zum anderen um den subjektiven, der sich aus der Willensrichtung des Täters ergäbe und bei der Unterteilung der Strafrahmen und bei der Strafausmessung innerhalb des Strafrahmens verwendet werden solle. Bei der Gerechtigkeit im Strafrecht handele es sich um die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderlichen Strafmaßes, d.h. nur die notwendige Strafe sei gerecht.
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