Strafzurückstellung: Unterschied zwischen den Versionen

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Der weit gewichtigere Kern der Neuausrichtung des Umganges mit betäubungsmittelabhängigen Straftätern wurde an die „Vollstreckungslösung“ des § 35 BtMG gebunden und beruht auf zwei, ebenfalls der Kritik ausgesetzten Annahmen. Dies ist zum einen das Festhalten am Glauben um die zwingende Notwendigkeit einer Bestrafung und damit auch die fortgesetzte, zwangsläufige Kriminalisierung von Betäubungsmittelabhängigen bei der Drogenbeschaffung. Zum anderen die Annahme, dass die verhängte Strafe oder ihre Vollstreckung eine zusätzliche Motivation für den drogenabhängigen Täter sei, sich in eine Therapie zu begeben. Bei letzterem wird auch vom sogenannten „Initialzwang“ gesprochen, der die Strafe und ihre Funktion in einen besonderen Kontext zur Behandlung und dem dafür nötigen Leidensdruck setzt (Baumgart 1994, S. 105).
Der weit gewichtigere Kern der Neuausrichtung des Umganges mit betäubungsmittelabhängigen Straftätern wurde an die „Vollstreckungslösung“ des § 35 BtMG gebunden und beruht auf zwei, ebenfalls der Kritik ausgesetzten Annahmen. Dies ist zum einen das Festhalten am Glauben um die zwingende Notwendigkeit einer Bestrafung und damit auch die fortgesetzte, zwangsläufige Kriminalisierung von Betäubungsmittelabhängigen bei der Drogenbeschaffung. Zum anderen die Annahme, dass die verhängte Strafe oder ihre Vollstreckung eine zusätzliche Motivation für den drogenabhängigen Täter sei, sich in eine Therapie zu begeben. Bei letzterem wird auch vom sogenannten „Initialzwang“ gesprochen, der die Strafe und ihre Funktion in einen besonderen Kontext zur Behandlung und dem dafür nötigen Leidensdruck setzt (Baumgart 1994, S. 105).
    
    
Bereits im Rahmen der ersten Berichte von Richtern, Staatsanwälten aber auch von Drogenberatungsstellen, Therapieeinrichtungen und Drogentherapeuten wurden zahlreiche Punkte der Regelung zur Strafzurückstellung kritisiert. Allen voran wurde die strafrechtliche Bevorzugung von drogenabhängigen gegenüber alkoholkranken oder anderweitig, nicht stoffgebunden-abhängigen (z. B. spielsüchtigen) Straftätern in Frage gestellt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kritisiert. Gleichzeitig wurden die Komplexität der Anwendung der Vorschrift zur Strafzurückstellung und die damit einhergehenden Schwierigkeiten bemängelt. Dabei ist insbesondere die erforderliche Einigkeit unter einer Vielzahl von Beteiligten (der Verurteilte, die Therapieeinrichtung, der Kostenträger, die Vollstreckungsbehörde und das zuständige Gericht) und die teils längere Zeitspanne zwischen Antragstellung und Zurückstellungsentscheidung kritisiert worden (Becker/Lück 1990, S. 76 ff.). So wie die Vollzugsanstalten vom „Behandlungsauftrag“ scheinbar entlastet wurden, bot sich in den Therapieeinrichtungen ein verändertes Bild und das Erleben sekundärer Motive bei den aus der Haftanstalt aufzunehmenden Klienten (a.a.O., S. 82 ff.).  
Bereits im Rahmen der ersten Berichte von Richtern, Staatsanwälten aber auch von Drogenberatungsstellen, Therapieeinrichtungen und Drogentherapeuten wurden zahlreiche Punkte der Regelung zur Strafzurückstellung kritisiert. Allen voran wurde die strafrechtliche Bevorzugung von drogenabhängigen gegenüber alkoholkranken oder anderweitig, nicht stoffgebunden-abhängigen (z. B. spielsüchtigen) Straftätern in Frage gestellt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kritisiert. Gleichzeitig wurden die Komplexität der Anwendung der Vorschrift zur Strafzurückstellung und die damit einhergehenden Schwierigkeiten bemängelt. Dabei ist insbesondere die erforderliche Einigkeit unter einer Vielzahl von Beteiligten (der Verurteilte, die Therapieeinrichtung, der Kostenträger, die Vollstreckungsbehörde und das zuständige Gericht) und die teils längere Zeitspanne zwischen Antragstellung und Zurückstellungsentscheidung kritisiert worden (Becker/Lück 1990, S. 76 ff.). So wie die Vollzugsanstalten vom „Behandlungsauftrag“ scheinbar entlastet wurden, bot sich in den Therapieeinrichtungen ein verändertes Bild und das Erleben sekundärer Motive bei den teils wiederholt aus der Haftanstalt aufzunehmenden Klienten (a.a.O., S. 82 ff.).  


Die in der Vergangenheit immer wieder diskutierte Ausrichtung auf den gänzlichen Strafverzicht zugunsten der Therapie hat sich trotz der skizzierten Schwierigkeiten im Zusammenanhang mit der Zurückstellungsmöglichkeit ebensowenig durchgesetzt, wie die Entkriminalisierung von Verstößen gegen das BtMG an sich. Tatsächlich hatte die Legislative mit der Strafzurückstellung in der bestehenden Form den strittig diskutierten Einschnitt in das Legalitätsprinzip nicht vorgenommen, sondern den Behandlungsaspekt nur der Strafverhängung nachgestellt und zeitlich auf den Beginn der Strafvollstreckung verschoben (Baumgardt 1994, S. 113).
Die in der Vergangenheit immer wieder diskutierte Ausrichtung auf den gänzlichen Strafverzicht zugunsten der Therapie hat sich trotz der skizzierten Schwierigkeiten im Zusammenanhang mit der Zurückstellungsmöglichkeit ebensowenig durchgesetzt, wie die Entkriminalisierung von Verstößen gegen das BtMG an sich. Tatsächlich hatte die Legislative mit der Strafzurückstellung in der bestehenden Form den strittig diskutierten Einschnitt in das Legalitätsprinzip nicht vorgenommen, sondern den Behandlungsaspekt nur der Strafverhängung nachgestellt und zeitlich auf den Beginn der Strafvollstreckung verschoben (Baumgardt 1994, S. 113).
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