Marburger Programm: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
6 Bytes hinzugefügt ,  14:17, 5. Mär. 2012
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
Als '''Marburger Programm''' wird die Publikation des Strafrechtsreformers, Kriminologen, Völkerrechtlers und Kriminalpolitikers [[Franz von Liszt]] (* 2. März 1851 in Wien;  † 21. Juni 1919 in Seeheim a. d. Bergstraße) aus dem Jahre 1882 bezeichnet. Diese ursprüngliche Antrittsvorlesung, die im Marburger Universitätsprogramm verkündet wurde, leitete ein neues Paradigma ein. In seiner Schrift „Der Zweckgedanke im Strafrecht“ proklamierte von Liszt die Abkehr von der Vergeltungsstrafe hin zur zweckgerichteten Spezialprävention mit ihren Strafzwecken Besserung, Sicherung und Abschreckung.
Als '''Marburger Programm''' wird die Publikation des Strafrechtsreformers, Kriminologen, Völkerrechtlers und Kriminalpolitikers [[Franz von Liszt]] (* 2. März 1851 in Wien;  † 21. Juni 1919 in Seeheim a. d. Bergstraße) aus dem Jahre 1882 bezeichnet. Diese ursprüngliche Antrittsvorlesung, die im Marburger Universitätsprogramm verkündet wurde, leitete ein neues Paradigma ein. In seiner Schrift „Der Zweckgedanke im Strafrecht“ proklamierte von Liszt die Abkehr von der Vergeltungsstrafe hin zur zweckgerichteten Spezialprävention mit ihren Strafzwecken Besserung, Sicherung und Abschreckung.
''"Ist die Einzelschuld vielfach nur das Symptom einer Gesellschaftsschuld, so gilt das Wort, dass eine gute Sozialpolitik zugleich die wirksamste Kriminalpolitik sei".
''"Ist die Einzelschuld vielfach nur das Symptom einer Gesellschaftsschuld, so gilt das Wort, dass eine gute Sozialpolitik zugleich die wirksamste Kriminalpolitik sei".
Gustav Radbruch 1922 (Schüler von Franz von Liszt)''
Gustav Radbruch 1922 (Schüler von Franz von Liszt)''
==Zum Begriff==
==Zum Begriff==
Zeile 7: Zeile 9:
Der Mailänder Aristokrat und so genannte Begründer der Kriminologie [[Cesare Beccaria]] forderte in seinem von utilitaristischem Denken geprägten, 1764 erschienenen Werk „Dei delitti e delle pene“ erstmals die Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung. Bislang galten die absoluten, sich auf den lateinischen Grundsatz: „Punitur, quia peccatum est“ (Bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) stützenden Straftheorien [[Immanuel Kants]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegels]] als wegweisend.  
Der Mailänder Aristokrat und so genannte Begründer der Kriminologie [[Cesare Beccaria]] forderte in seinem von utilitaristischem Denken geprägten, 1764 erschienenen Werk „Dei delitti e delle pene“ erstmals die Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung. Bislang galten die absoluten, sich auf den lateinischen Grundsatz: „Punitur, quia peccatum est“ (Bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) stützenden Straftheorien [[Immanuel Kants]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegels]] als wegweisend.  
Die positive Schule der Kriminologie mit ihren Mitbegründern [[Cesare Lombroso]],[[Enrico Ferri]] und [[Raffaele Garofalo]] trat 1876 der klassischen Schule gegenüber und bestritt den juristischen Charakter des Strafrechts. Vielmehr wurde es als Zweig der Gesellschaftswissenschaften angesehen.  
Die positive Schule der Kriminologie mit ihren Mitbegründern [[Cesare Lombroso]],[[Enrico Ferri]] und [[Raffaele Garofalo]] trat 1876 der klassischen Schule gegenüber und bestritt den juristischen Charakter des Strafrechts. Vielmehr wurde es als Zweig der Gesellschaftswissenschaften angesehen.  
Anfängliche Kriminalstatistiken, die nicht einheitlichen Erfassungsregeln unterlagen, behaupteten einen bedrohlichen Anstieg der Kriminalität. Daher wurde den Wirkungen der Strafe nunmehr misstraut und auch die Funktion des Strafgesetzbuches von 1871 als Schutz der Gesellschaftsordnung vor dem Verbrechertum wurde angezweifelt. Präventivmaßregeln (sogenannte „Strafsurrogate“) wurden postuliert. An Ferris weiter Definition der Kriminalsoziologie, die auch gesellschaftliche Kriminalitätsursachen mit einbezog, orientierte sich von Liszt. Der Rechtswissenschaftler und Vertreter der Interessensjurisprudenz  [[Rudolf von Jhering]]  übte als Anhänger der relativen Straftheorie auf von Liszt großen Einfluss aus. Er publizierte seine Vorstellungen von einer soziologischen Betrachtung des Rechts, die den Gesellschaftsschutz in den Mittelpunkt rückte, in seinem 1877 erschienenem Werk  „Der Zweck im Recht“.  Von Liszt übertrug die Konzeptionen seines Lehrers auf das Strafrecht. Damit setzte er mit seinem „Marburger Programm“ dem tatorientierten Vergeltungsstrafrecht, zu dessen Vertretern [[Paul Johann Anselm von Feuerbach]] und [[Karl Lorenz Binding]] zählten, das täterorientierte Präventionsstrafrecht entgegen.  
Anfängliche Kriminalstatistiken, die nicht einheitlichen Erfassungsregeln unterlagen, behaupteten einen bedrohlichen Anstieg der Kriminalität. Daher wurde den Wirkungen der Strafe nunmehr misstraut und auch die Funktion des Strafgesetzbuches von 1871 als Schutz der Gesellschaftsordnung vor dem Verbrechertum wurde angezweifelt. Präventivmaßregeln (sogenannte „Strafsurrogate“) wurden postuliert. An Ferris weiter Definition der Kriminalsoziologie, die auch gesellschaftliche Kriminalitätsursachen mit einbezog, orientierte sich von Liszt. Der Rechtswissenschaftler und Vertreter der [[Interessensjurisprudenz]] [[Rudolf von Jhering]]  übte als Anhänger der relativen Straftheorie auf von Liszt großen Einfluss aus. Er publizierte seine Vorstellungen von einer soziologischen Betrachtung des Rechts, die den Gesellschaftsschutz in den Mittelpunkt rückte, in seinem 1877 erschienenem Werk  „Der Zweck im Recht“.  Von Liszt übertrug die Konzeptionen seines Lehrers auf das Strafrecht. Damit setzte er mit seinem „Marburger Programm“ dem tatorientierten Vergeltungsstrafrecht, zu dessen Vertretern [[Paul Johann Anselm von Feuerbach]] und [[Karl Lorenz Binding]] zählten, das täterorientierte Präventionsstrafrecht entgegen.  
==Inhalt==
==Inhalt==
===Ausgangspunkt===
===Ausgangspunkt===
66

Bearbeitungen

Navigationsmenü