Marburger Programm: Unterschied zwischen den Versionen

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Der ursprünglich in Wien studierte und an der Universität in Graz habilitierte Jurist von Liszt trat nach dreijähriger Professur in Gießen 1882 seinen Lehrstuhl in Marburg an. Die Schrift „Der Zweckgedanke im Strafrecht“ wird als „Marburger Programm“ bezeichnet, da sie ursprünglich als Antrittsvorlesung im Marburger Universitätsprogramm gedruckt wurde. In der von Franz von Liszt mitbegründeten „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft“ erschien sie 1883 im dritten Band. 1905 wurde sie im ersten Band der Sammelbände „Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge“ von ihm erneut veröffentlicht.
Der ursprünglich in Wien studierte und an der Universität in Graz habilitierte Jurist von Liszt trat nach dreijähriger Professur in Gießen 1882 seinen Lehrstuhl in Marburg an. Die Schrift „Der Zweckgedanke im Strafrecht“ wird als „Marburger Programm“ bezeichnet, da sie ursprünglich als Antrittsvorlesung im Marburger Universitätsprogramm gedruckt wurde. In der von Franz von Liszt mitbegründeten „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft“ erschien sie 1883 im dritten Band. 1905 wurde sie im ersten Band der Sammelbände „Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge“ von ihm erneut veröffentlicht.
==Historische Entwicklung im Vorfeld des Marburger Programms==
==Historische Entwicklung im Vorfeld des Marburger Programms==
Der Mailänder Aristokrat und sogenannte Begründer der Kriminologie [[Cesare Beccaria]] forderte in seinem von utilitaristischem Denken geprägten, 1764 erschienenen Werk „Dei delitti e delle pene“ erstmals u.a. die Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung. Bislang herrschten allerdings die absoluten, sich auf den lateinischen Grundsatz: „Punitur, quia peccatum est“ (Bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) stützenden Straftheorien [[Immanuel Kants]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegels]] vor. Die positive Schule der Kriminologie mit ihren Mitbegründern [[Cesare Lombroso]], [[Enrico Ferri]] und [[Raffaele Garofalo]] trat 1876 der klassischen Schule gegenüber und bestritt den juristischen Charakter des Strafrechts. Vielmehr wurde es als Zweig der Gesellschaftswissenschaften angesehen. Den Wirkungen der Strafe wurde nunmehr misstraut, weil erste, national nicht einheitlichen Erfassungsregeln unterliegende Kriminalstatistiken einen bedrohlichen Anstieg der Kriminalität behaupteten und somit auch die Funktion des Strafgesetzbuches von 1871 als Schutz der Gesellschaftsordnung vor dem Verbrechertum angezweifelt wurde. Es wurden Präventivmaßregeln („Strafsurrogate“) postuliert. An Ferris weiter Definition der Kriminalsoziologie, die auch gesellschaftliche Kriminalitätsursachen mit einbezog, orientierte sich von Liszt. Der Rechtswissenschaftler und Vertreter der Interessensjurisprudenz  [[Rudolf von Jhering]]  übte als Anhänger der relativen Straftheorie auf von Liszt großen Einfluss aus. Er publizierte seine Vorstellungen von einer soziologischen Betrachtung des Rechts, die den Gesellschaftsschutz in den Mittelpunkt rückte, in seinem 1877 erschienenem Werk  „Der Zweck im Recht“.  Von Liszt übertrug die Konzeptionen seines Lehrers auf das Strafrecht. Damit setzte er mit seinem „Marburger Programm“ dem tatorientierten Vergeltungsstrafrecht, zu dessen Vertretern [[Paul Johann Anselm von Feuerbach]] und [[Karl Lorenz Binding]] zu zählen sind, das täterorientierte Präventionsstrafrecht entgegen.
Der Mailänder Aristokrat und sogenannte Begründer der Kriminologie [[Cesare Beccaria]] forderte in seinem von utilitaristischem Denken geprägten, 1764 erschienenen Werk „Dei delitti e delle pene“ erstmals u.a. die Abschaffung des Strafzwecks der Vergeltung zugunsten der Abschreckung. Bislang herrschten allerdings die absoluten, sich auf den lateinischen Grundsatz: „Punitur, quia peccatum est“ (Bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) stützenden Straftheorien [[Immanuel Kants]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegels]] vor. Die positive Schule der Kriminologie mit ihren Mitbegründern [[Cesare Lombroso]], [[Enrico Ferri]] und [[Raffaele Garofalo]] trat 1876 der klassischen Schule gegenüber und bestritt den juristischen Charakter des Strafrechts. Vielmehr wurde es als Zweig der Gesellschaftswissenschaften angesehen.  
Anfängliche Kriminalstatistiken, die nicht einheitlichen Erfassungsregeln unterlagen, behaupteten einen bedrohlichen Anstieg der Kriminalität. Daher wurde den Wirkungen der Strafe nunmehr misstraut und auch die Funktion des Strafgesetzbuches von 1871 als Schutz der Gesellschaftsordnung vor dem Verbrechertum wurde angezweifelt. Präventivmaßregeln (sogenannte „Strafsurrogate“) wurden postuliert.
An Ferris weiter Definition der Kriminalsoziologie, die auch gesellschaftliche Kriminalitätsursachen mit einbezog, orientierte sich von Liszt. Der Rechtswissenschaftler und Vertreter der Interessensjurisprudenz  [[Rudolf von Jhering]]  übte als Anhänger der relativen Straftheorie auf von Liszt großen Einfluss aus. Er publizierte seine Vorstellungen von einer soziologischen Betrachtung des Rechts, die den Gesellschaftsschutz in den Mittelpunkt rückte, in seinem 1877 erschienenem Werk  „Der Zweck im Recht“.  Von Liszt übertrug die Konzeptionen seines Lehrers auf das Strafrecht. Damit setzte er mit seinem „Marburger Programm“ dem tatorientierten Vergeltungsstrafrecht, zu dessen Vertretern [[Paul Johann Anselm von Feuerbach]] und [[Karl Lorenz Binding]] zu zählen sind, das täterorientierte Präventionsstrafrecht entgegen.


==Inhalt==
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